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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Leben der Nachtschwalben.
vollständige Blößen hinweg. So lange es nur der Jagd gilt, ist der Flug abwechselnd ein leichtes,
schwalbenartiges Schwimmen und Schweben oder ein durch rasche Flügelschläge beschleunigtes Dahin-
schießen; Schwenkungen aller Art werden dabei jedoch auch ausgeführt und zwar fast mit derselben
Gewandtheit, welche die Rauchschwalbe zeigt. Bei besonderen Gelegenheiten erhält sich der Ziegen-
melker auch rüttelnd längere Zeit über ein und derselben Stelle: irgend Etwas hat seine Aufmerksamkeit
erregt und bewegt ihn, dies Etwas genau zu untersuchen. So geht es weiter, bis die vollkommen herein-
gebrochene Dunkelheit die Jagd beendet. Da der Vogel verhältnißmäßig ungeheure Bissen hinabwürgt,
Mai- und große Mistkäfer, umfangreiche Nachtschmetterlinge z. B. dutzendweise verschluckt, ist der Magen
in der allerkürzesten Zeit gefüllt und eine fernere Jagd zunächst ganz unnütz; denn auch der Magen eines
Ziegenmelkers verlangt sein Recht. Die Verdauung abwartend, sitzt der Vogel jetzt eine Zeitlang ruhig
auf einem Aste; sobald aber die lebend verschluckten und nicht so leicht umzubringenden Käfer in
seinem Magen getödtet sind und wieder Platz für neue Nahrung geschafft ist, tritt er einen nochmaligen
Jagdzug an, und so gehts abwechselnd die ganze Nacht hindurch, falls diese nicht gar zu dunkel und
stürmisch ist. Am lebhaftesten fliegen die Nachtschatten in den Früh- und Abendstunden; während
der eigentlichen Mitternacht sah oder hörte ich sie nicht einmal in den milden Nächten der Gleicher-
länder.

Gelegentlich dieser Jagdflüge entfernt sich der Nachtschatten oft weit von seinem eigentlichen
Wohnsitz. Er kommt in Thüringen aus den benachbarten Wäldern bis in die Dörfer herein
oder fliegt hoch über diesen dahin einem andern Walde zu; er erscheint in Spanien von den umge-
benden Gärten über großen Städten, wie z. B. über Madrid; er schwebt in Mittelafrika von
der Steppe herein in die Wohnorte des Menschen und macht sich hier oft lange zu schaffen. Nicht
selten geschieht es, daß seine Neugier durch besondere Umstände rege gemacht wird: ein dahin laufen-
der Hund kann ihn viertelstundenlang beschäftigen. Er stürzt sich dann wiederholt nach Falkenart
auf den Vierfüßler hernieder und begleitet ihn bis weit über die Grenzen seines Gebietes hinaus.
Ebenso werden Menschen, welche zufällig über seinen Wohnsitz gehen, oft lange von ihm verfolgt, in
engen Kreisen umschwärmt und bis zur Waldgrenze oder darüber hinaus begleitet.

Die Liebe äußert auch auf die stumpfsinnig erscheinenden Nachtschwalben ihre Zaubermacht.
Daß zwei Männchen um die Gunst eines Weibchens in heftigen Streit gerathen können und dabei sich
so tüchtig zausen, als sie es vermögen, braucht nicht hervorgehoben zu werden; wohl aber muß ich hier
bemerken, daß alle Ziegenmelker während der Paarzeit ganz besondere Flugkünste treiben. Schon
unser deutscher Nachtschatten erfreut durch seine Flugspiele während der Zeit seiner Liebe. Jede
Bewegung wird, so scheint es, mit einem gewissen Feuer ausgeführt und erscheint rascher, gehobener,
stolzer. Aber nicht genug damit, der Ziegenmelker klatscht auch noch mit den Flügeln zusammen, wie
eine liebesbegeisterte Taube, stürzt sich plötzlich aus einer gewissen Höhe hernieder, daß man ein
eigenes Rauschen vernimmt, oder umschwebt und umgleitet in den prachtvollsten Schwenkungen das
ruhig sitzende Weibchen. Jede Art leistet in diesen Liebesspielen etwas Besonderes; am auffallendsten
aber erscheinen, wie man sich denken kann, die durch den sonderbaren Federschmuck ausgezeichneten Arten
Mittelafrikas oder Südamerikas. Jch kenne keine ausführliche Beschreibung der Flugweise der Leier-
schwalben, kann mir aber lebhaft denken, daß die Männchen dieser Sippe einen wunderbaren Eindrnck
machen müssen; denn ich erinnere mich heute noch mit wahrem Vergnügen der Abende des innerafri-
kanischen Frühlings, welche uns in der Steppe, im Dorfe oder in der Stadt die stufenschwänzigen
Ziegenmelker in ihrer vollen Liebesbegeisterung vor das Auge brachten. Unbesorgt wegen des lauten
Treibens der Menschen, erschienen die prächtigen Vögel inmitten der Ortschaften und umflogen ein-
zelne Bäume mit einer Anmuth, Zierlichkeit und Gewandtheit, welche uns immer zum Entzücken
hinriß. Die Helligkeit der Nächte in den Wendekreisländern ließ uns jede Bewegung der Vögel
deutlich wahrnehmen; wir konnten jeden Flügelschlag sehen, jedes Ausbreiten oder Zusammenlegen
des wie eine Schleppe nachgetragenen Schwanzes unterscheiden, und der Vogel geberdete sich, als
wolle er uns alle Künste seines köstlichen Fluges offenbaren. Auch an dem Lagerfeuer in der Steppe war

Leben der Nachtſchwalben.
vollſtändige Blößen hinweg. So lange es nur der Jagd gilt, iſt der Flug abwechſelnd ein leichtes,
ſchwalbenartiges Schwimmen und Schweben oder ein durch raſche Flügelſchläge beſchleunigtes Dahin-
ſchießen; Schwenkungen aller Art werden dabei jedoch auch ausgeführt und zwar faſt mit derſelben
Gewandtheit, welche die Rauchſchwalbe zeigt. Bei beſonderen Gelegenheiten erhält ſich der Ziegen-
melker auch rüttelnd längere Zeit über ein und derſelben Stelle: irgend Etwas hat ſeine Aufmerkſamkeit
erregt und bewegt ihn, dies Etwas genau zu unterſuchen. So geht es weiter, bis die vollkommen herein-
gebrochene Dunkelheit die Jagd beendet. Da der Vogel verhältnißmäßig ungeheure Biſſen hinabwürgt,
Mai- und große Miſtkäfer, umfangreiche Nachtſchmetterlinge z. B. dutzendweiſe verſchluckt, iſt der Magen
in der allerkürzeſten Zeit gefüllt und eine fernere Jagd zunächſt ganz unnütz; denn auch der Magen eines
Ziegenmelkers verlangt ſein Recht. Die Verdauung abwartend, ſitzt der Vogel jetzt eine Zeitlang ruhig
auf einem Aſte; ſobald aber die lebend verſchluckten und nicht ſo leicht umzubringenden Käfer in
ſeinem Magen getödtet ſind und wieder Platz für neue Nahrung geſchafft iſt, tritt er einen nochmaligen
Jagdzug an, und ſo gehts abwechſelnd die ganze Nacht hindurch, falls dieſe nicht gar zu dunkel und
ſtürmiſch iſt. Am lebhafteſten fliegen die Nachtſchatten in den Früh- und Abendſtunden; während
der eigentlichen Mitternacht ſah oder hörte ich ſie nicht einmal in den milden Nächten der Gleicher-
länder.

Gelegentlich dieſer Jagdflüge entfernt ſich der Nachtſchatten oft weit von ſeinem eigentlichen
Wohnſitz. Er kommt in Thüringen aus den benachbarten Wäldern bis in die Dörfer herein
oder fliegt hoch über dieſen dahin einem andern Walde zu; er erſcheint in Spanien von den umge-
benden Gärten über großen Städten, wie z. B. über Madrid; er ſchwebt in Mittelafrika von
der Steppe herein in die Wohnorte des Menſchen und macht ſich hier oft lange zu ſchaffen. Nicht
ſelten geſchieht es, daß ſeine Neugier durch beſondere Umſtände rege gemacht wird: ein dahin laufen-
der Hund kann ihn viertelſtundenlang beſchäftigen. Er ſtürzt ſich dann wiederholt nach Falkenart
auf den Vierfüßler hernieder und begleitet ihn bis weit über die Grenzen ſeines Gebietes hinaus.
Ebenſo werden Menſchen, welche zufällig über ſeinen Wohnſitz gehen, oft lange von ihm verfolgt, in
engen Kreiſen umſchwärmt und bis zur Waldgrenze oder darüber hinaus begleitet.

Die Liebe äußert auch auf die ſtumpfſinnig erſcheinenden Nachtſchwalben ihre Zaubermacht.
Daß zwei Männchen um die Gunſt eines Weibchens in heftigen Streit gerathen können und dabei ſich
ſo tüchtig zauſen, als ſie es vermögen, braucht nicht hervorgehoben zu werden; wohl aber muß ich hier
bemerken, daß alle Ziegenmelker während der Paarzeit ganz beſondere Flugkünſte treiben. Schon
unſer deutſcher Nachtſchatten erfreut durch ſeine Flugſpiele während der Zeit ſeiner Liebe. Jede
Bewegung wird, ſo ſcheint es, mit einem gewiſſen Feuer ausgeführt und erſcheint raſcher, gehobener,
ſtolzer. Aber nicht genug damit, der Ziegenmelker klatſcht auch noch mit den Flügeln zuſammen, wie
eine liebesbegeiſterte Taube, ſtürzt ſich plötzlich aus einer gewiſſen Höhe hernieder, daß man ein
eigenes Rauſchen vernimmt, oder umſchwebt und umgleitet in den prachtvollſten Schwenkungen das
ruhig ſitzende Weibchen. Jede Art leiſtet in dieſen Liebesſpielen etwas Beſonderes; am auffallendſten
aber erſcheinen, wie man ſich denken kann, die durch den ſonderbaren Federſchmuck ausgezeichneten Arten
Mittelafrikas oder Südamerikas. Jch kenne keine ausführliche Beſchreibung der Flugweiſe der Leier-
ſchwalben, kann mir aber lebhaft denken, daß die Männchen dieſer Sippe einen wunderbaren Eindrnck
machen müſſen; denn ich erinnere mich heute noch mit wahrem Vergnügen der Abende des innerafri-
kaniſchen Frühlings, welche uns in der Steppe, im Dorfe oder in der Stadt die ſtufenſchwänzigen
Ziegenmelker in ihrer vollen Liebesbegeiſterung vor das Auge brachten. Unbeſorgt wegen des lauten
Treibens der Menſchen, erſchienen die prächtigen Vögel inmitten der Ortſchaften und umflogen ein-
zelne Bäume mit einer Anmuth, Zierlichkeit und Gewandtheit, welche uns immer zum Entzücken
hinriß. Die Helligkeit der Nächte in den Wendekreisländern ließ uns jede Bewegung der Vögel
deutlich wahrnehmen; wir konnten jeden Flügelſchlag ſehen, jedes Ausbreiten oder Zuſammenlegen
des wie eine Schleppe nachgetragenen Schwanzes unterſcheiden, und der Vogel geberdete ſich, als
wolle er uns alle Künſte ſeines köſtlichen Fluges offenbaren. Auch an dem Lagerfeuer in der Steppe war

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[671/0709] Leben der Nachtſchwalben. vollſtändige Blößen hinweg. So lange es nur der Jagd gilt, iſt der Flug abwechſelnd ein leichtes, ſchwalbenartiges Schwimmen und Schweben oder ein durch raſche Flügelſchläge beſchleunigtes Dahin- ſchießen; Schwenkungen aller Art werden dabei jedoch auch ausgeführt und zwar faſt mit derſelben Gewandtheit, welche die Rauchſchwalbe zeigt. Bei beſonderen Gelegenheiten erhält ſich der Ziegen- melker auch rüttelnd längere Zeit über ein und derſelben Stelle: irgend Etwas hat ſeine Aufmerkſamkeit erregt und bewegt ihn, dies Etwas genau zu unterſuchen. So geht es weiter, bis die vollkommen herein- gebrochene Dunkelheit die Jagd beendet. Da der Vogel verhältnißmäßig ungeheure Biſſen hinabwürgt, Mai- und große Miſtkäfer, umfangreiche Nachtſchmetterlinge z. B. dutzendweiſe verſchluckt, iſt der Magen in der allerkürzeſten Zeit gefüllt und eine fernere Jagd zunächſt ganz unnütz; denn auch der Magen eines Ziegenmelkers verlangt ſein Recht. Die Verdauung abwartend, ſitzt der Vogel jetzt eine Zeitlang ruhig auf einem Aſte; ſobald aber die lebend verſchluckten und nicht ſo leicht umzubringenden Käfer in ſeinem Magen getödtet ſind und wieder Platz für neue Nahrung geſchafft iſt, tritt er einen nochmaligen Jagdzug an, und ſo gehts abwechſelnd die ganze Nacht hindurch, falls dieſe nicht gar zu dunkel und ſtürmiſch iſt. Am lebhafteſten fliegen die Nachtſchatten in den Früh- und Abendſtunden; während der eigentlichen Mitternacht ſah oder hörte ich ſie nicht einmal in den milden Nächten der Gleicher- länder. Gelegentlich dieſer Jagdflüge entfernt ſich der Nachtſchatten oft weit von ſeinem eigentlichen Wohnſitz. Er kommt in Thüringen aus den benachbarten Wäldern bis in die Dörfer herein oder fliegt hoch über dieſen dahin einem andern Walde zu; er erſcheint in Spanien von den umge- benden Gärten über großen Städten, wie z. B. über Madrid; er ſchwebt in Mittelafrika von der Steppe herein in die Wohnorte des Menſchen und macht ſich hier oft lange zu ſchaffen. Nicht ſelten geſchieht es, daß ſeine Neugier durch beſondere Umſtände rege gemacht wird: ein dahin laufen- der Hund kann ihn viertelſtundenlang beſchäftigen. Er ſtürzt ſich dann wiederholt nach Falkenart auf den Vierfüßler hernieder und begleitet ihn bis weit über die Grenzen ſeines Gebietes hinaus. Ebenſo werden Menſchen, welche zufällig über ſeinen Wohnſitz gehen, oft lange von ihm verfolgt, in engen Kreiſen umſchwärmt und bis zur Waldgrenze oder darüber hinaus begleitet. Die Liebe äußert auch auf die ſtumpfſinnig erſcheinenden Nachtſchwalben ihre Zaubermacht. Daß zwei Männchen um die Gunſt eines Weibchens in heftigen Streit gerathen können und dabei ſich ſo tüchtig zauſen, als ſie es vermögen, braucht nicht hervorgehoben zu werden; wohl aber muß ich hier bemerken, daß alle Ziegenmelker während der Paarzeit ganz beſondere Flugkünſte treiben. Schon unſer deutſcher Nachtſchatten erfreut durch ſeine Flugſpiele während der Zeit ſeiner Liebe. Jede Bewegung wird, ſo ſcheint es, mit einem gewiſſen Feuer ausgeführt und erſcheint raſcher, gehobener, ſtolzer. Aber nicht genug damit, der Ziegenmelker klatſcht auch noch mit den Flügeln zuſammen, wie eine liebesbegeiſterte Taube, ſtürzt ſich plötzlich aus einer gewiſſen Höhe hernieder, daß man ein eigenes Rauſchen vernimmt, oder umſchwebt und umgleitet in den prachtvollſten Schwenkungen das ruhig ſitzende Weibchen. Jede Art leiſtet in dieſen Liebesſpielen etwas Beſonderes; am auffallendſten aber erſcheinen, wie man ſich denken kann, die durch den ſonderbaren Federſchmuck ausgezeichneten Arten Mittelafrikas oder Südamerikas. Jch kenne keine ausführliche Beſchreibung der Flugweiſe der Leier- ſchwalben, kann mir aber lebhaft denken, daß die Männchen dieſer Sippe einen wunderbaren Eindrnck machen müſſen; denn ich erinnere mich heute noch mit wahrem Vergnügen der Abende des innerafri- kaniſchen Frühlings, welche uns in der Steppe, im Dorfe oder in der Stadt die ſtufenſchwänzigen Ziegenmelker in ihrer vollen Liebesbegeiſterung vor das Auge brachten. Unbeſorgt wegen des lauten Treibens der Menſchen, erſchienen die prächtigen Vögel inmitten der Ortſchaften und umflogen ein- zelne Bäume mit einer Anmuth, Zierlichkeit und Gewandtheit, welche uns immer zum Entzücken hinriß. Die Helligkeit der Nächte in den Wendekreisländern ließ uns jede Bewegung der Vögel deutlich wahrnehmen; wir konnten jeden Flügelſchlag ſehen, jedes Ausbreiten oder Zuſammenlegen des wie eine Schleppe nachgetragenen Schwanzes unterſcheiden, und der Vogel geberdete ſich, als wolle er uns alle Künſte ſeines köſtlichen Fluges offenbaren. Auch an dem Lagerfeuer in der Steppe war

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/709>, abgerufen am 28.09.2024.