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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Fächerschwanz.

Jm September, also mit Anfang des australischen Frühlings, tritt die Brutzeit ein; jedes
Pärchen brütet aber zwei- und bei günstiger Witterung sogar dreimal im Jahre. Das Nest ist ein
wahrer Kunstbau: es ist der Gestalt nach tieftassenförmig, gewöhnlich aber noch mit einem langen,
sonderbaren Anhängsel versehen, welcher vielleicht dazu dienen soll, es besser im Gleichgewicht zu
halten. Jn der Regel wird es auf einem über das Wasser hängenden Zweige, welchem ein
anderer Schatten gibt, angelegt, selten hoch über dem Boden, zuweilen auch auf der Oberseite eines
zu Boden gefallenen Astes und hier ohne den geringsten Schutz vor Sonne und Regen. Die
Wandungen sind aus dürren Gräsern, Rindenstreifen, kleinen Grasbüscheln, Wurzeln und dergleichen
dicht zusammengewebt und außerdem noch mit Spinnweben überzogen; die innere Ausfütterung
besteht aus feineren Gräsern, zartfaserigen Wurzeln und Federn. Die Auswahl der einzelnen Stoffe
wird mit Sorgfalt getroffen. Jn den meisten Fällen ähnelt das Nest dem Aste so, daß es wie ein
Knorren desselben aussieht und daher sehr schwer zu entdecken ist. Zwei bis drei Eier bilden das
Gelege. Sie sind auf schmuzig oder grünlichweißem Grunde um die Mitte oder das dickere Ende
herum mit größeren oder kleineren schwärzlichen und kastanienbraunen Flecken und Kleren
gezeichnet.

Während der Brutzeit wird der sonst so menschenfreundliche Vogel wachsam und ängstlich.
Nähert sich ein Feind dem Neste, so wird er von beiden Gatten des Paares unter kläglichem Geschrei
umflogen; beide Eltern geben sich auch rücksichtslos preis. Das Geschrei soll dann ein durchaus eigen-
thümliches sein, etwa vergleichbar dem schnarrenden Geräusch, welches man mit einer Kinderklapper
hervorbringt.



Die Verwandten der vorstehend beschriebenen Vögel, welche nördlichere Länder, zumal die
Asiens und Europas bewohnen, tragen ein bescheideneres Gewand; namentlich fehlen ihnen die
prachtvollen Schmuckzeichen gänzlich. Demungeachtet gehören sie zu den Vögeln, welche allgemein
ansprechen; viele Arten sind trotz aller Einfachheit in der Färbung sehr hübsche Thiere.

Auch bei den Fliegenfängern (Muscicapae) ist der Leib gestreckt, der Hals kurz und der Kopf
einigermaßen breit, der Flügel ziemlich lang, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz
mittellang, entweder gerade abgestutzt oder seicht ausgeschnitten, der Fuß kurz und schwach, die äußere
Zehe mit der mittleren am Grunde verwachsen, der Schnabel stark und kurz, an der Wurzel breiter,
von oben nach unten zusammengedrückt, auf der Firste kantig, an der Spitze des Oberkiefers herab-
gebogen und vor ihr eingekerbt. Das Gesieder ist locker und weich, um den Schnabelgrund borstig;
seine Färbung ist in der Regel nach Geschlecht und Alter verschieden; die Jungen sind immer gefleckt.

Hinsichtlich ihrer Lebensweise haben die Fliegenfänger mit den Würgerschnäppern, Tyrannen,
Raupenfressern und Fliegenschuäppern große Aehnlichkeit. Auch sie bewohnen die Waldungen und
Baumpflanzungen, leben mehr auf den Bäumen, als im Gebüsch und kommen nur höchst selten zum
Boden herab. Auf einem möglichst freien Aste sitzend, welcher eine weite Umschau gewährt, spähen sie
nach Kerbthieren, fliegen denselben gewandt nach, nehmen sie mit dem Schnabel auf und kehren
hierauf gewöhnlich auf ihren Stand wieder zurück. Bei schlechtem Wetter nehmen sie auch Beeren
weg; namentlich geschieht Dies, wenn sie Junge zu versorgen haben. Sie sind fast den ganzen Tag
über in Thätigkeit, munter, unruhig und behend, angesichts des Menschen wenig scheu, Raubvögeln
gegenüber kühn und dreist. Abweichend von verwandten Vögeln lassen sie ihre Stimme nur selten
vernehmen, am häufigsten selbstverständlich während der Paarungszeit, welche die Männchen sogar zu
einem, wenn auch sehr einfachen und leisen Gesange begeistert. Das Nest wird entweder in Baum-
höhlen oder zwischen Astgabeln, gewöhnlich nah am Stamme angelegt; es ist ein lockerer, roh
zusammengefügter, aber warm ausgefütterter Bau. Das Gelege enthält vier bis fünf Eier, welche

Fächerſchwanz.

Jm September, alſo mit Anfang des auſtraliſchen Frühlings, tritt die Brutzeit ein; jedes
Pärchen brütet aber zwei- und bei günſtiger Witterung ſogar dreimal im Jahre. Das Neſt iſt ein
wahrer Kunſtbau: es iſt der Geſtalt nach tieftaſſenförmig, gewöhnlich aber noch mit einem langen,
ſonderbaren Anhängſel verſehen, welcher vielleicht dazu dienen ſoll, es beſſer im Gleichgewicht zu
halten. Jn der Regel wird es auf einem über das Waſſer hängenden Zweige, welchem ein
anderer Schatten gibt, angelegt, ſelten hoch über dem Boden, zuweilen auch auf der Oberſeite eines
zu Boden gefallenen Aſtes und hier ohne den geringſten Schutz vor Sonne und Regen. Die
Wandungen ſind aus dürren Gräſern, Rindenſtreifen, kleinen Grasbüſcheln, Wurzeln und dergleichen
dicht zuſammengewebt und außerdem noch mit Spinnweben überzogen; die innere Ausfütterung
beſteht aus feineren Gräſern, zartfaſerigen Wurzeln und Federn. Die Auswahl der einzelnen Stoffe
wird mit Sorgfalt getroffen. Jn den meiſten Fällen ähnelt das Neſt dem Aſte ſo, daß es wie ein
Knorren deſſelben ausſieht und daher ſehr ſchwer zu entdecken iſt. Zwei bis drei Eier bilden das
Gelege. Sie ſind auf ſchmuzig oder grünlichweißem Grunde um die Mitte oder das dickere Ende
herum mit größeren oder kleineren ſchwärzlichen und kaſtanienbraunen Flecken und Kleren
gezeichnet.

Während der Brutzeit wird der ſonſt ſo menſchenfreundliche Vogel wachſam und ängſtlich.
Nähert ſich ein Feind dem Neſte, ſo wird er von beiden Gatten des Paares unter kläglichem Geſchrei
umflogen; beide Eltern geben ſich auch rückſichtslos preis. Das Geſchrei ſoll dann ein durchaus eigen-
thümliches ſein, etwa vergleichbar dem ſchnarrenden Geräuſch, welches man mit einer Kinderklapper
hervorbringt.



Die Verwandten der vorſtehend beſchriebenen Vögel, welche nördlichere Länder, zumal die
Aſiens und Europas bewohnen, tragen ein beſcheideneres Gewand; namentlich fehlen ihnen die
prachtvollen Schmuckzeichen gänzlich. Demungeachtet gehören ſie zu den Vögeln, welche allgemein
anſprechen; viele Arten ſind trotz aller Einfachheit in der Färbung ſehr hübſche Thiere.

Auch bei den Fliegenfängern (Muscicapae) iſt der Leib geſtreckt, der Hals kurz und der Kopf
einigermaßen breit, der Flügel ziemlich lang, in ihm die dritte Schwinge die längſte, der Schwanz
mittellang, entweder gerade abgeſtutzt oder ſeicht ausgeſchnitten, der Fuß kurz und ſchwach, die äußere
Zehe mit der mittleren am Grunde verwachſen, der Schnabel ſtark und kurz, an der Wurzel breiter,
von oben nach unten zuſammengedrückt, auf der Firſte kantig, an der Spitze des Oberkiefers herab-
gebogen und vor ihr eingekerbt. Das Geſieder iſt locker und weich, um den Schnabelgrund borſtig;
ſeine Färbung iſt in der Regel nach Geſchlecht und Alter verſchieden; die Jungen ſind immer gefleckt.

Hinſichtlich ihrer Lebensweiſe haben die Fliegenfänger mit den Würgerſchnäppern, Tyrannen,
Raupenfreſſern und Fliegenſchuäppern große Aehnlichkeit. Auch ſie bewohnen die Waldungen und
Baumpflanzungen, leben mehr auf den Bäumen, als im Gebüſch und kommen nur höchſt ſelten zum
Boden herab. Auf einem möglichſt freien Aſte ſitzend, welcher eine weite Umſchau gewährt, ſpähen ſie
nach Kerbthieren, fliegen denſelben gewandt nach, nehmen ſie mit dem Schnabel auf und kehren
hierauf gewöhnlich auf ihren Stand wieder zurück. Bei ſchlechtem Wetter nehmen ſie auch Beeren
weg; namentlich geſchieht Dies, wenn ſie Junge zu verſorgen haben. Sie ſind faſt den ganzen Tag
über in Thätigkeit, munter, unruhig und behend, angeſichts des Menſchen wenig ſcheu, Raubvögeln
gegenüber kühn und dreiſt. Abweichend von verwandten Vögeln laſſen ſie ihre Stimme nur ſelten
vernehmen, am häufigſten ſelbſtverſtändlich während der Paarungszeit, welche die Männchen ſogar zu
einem, wenn auch ſehr einfachen und leiſen Geſange begeiſtert. Das Neſt wird entweder in Baum-
höhlen oder zwiſchen Aſtgabeln, gewöhnlich nah am Stamme angelegt; es iſt ein lockerer, roh
zuſammengefügter, aber warm ausgefütterter Bau. Das Gelege enthält vier bis fünf Eier, welche

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[731/0775] Fächerſchwanz. Jm September, alſo mit Anfang des auſtraliſchen Frühlings, tritt die Brutzeit ein; jedes Pärchen brütet aber zwei- und bei günſtiger Witterung ſogar dreimal im Jahre. Das Neſt iſt ein wahrer Kunſtbau: es iſt der Geſtalt nach tieftaſſenförmig, gewöhnlich aber noch mit einem langen, ſonderbaren Anhängſel verſehen, welcher vielleicht dazu dienen ſoll, es beſſer im Gleichgewicht zu halten. Jn der Regel wird es auf einem über das Waſſer hängenden Zweige, welchem ein anderer Schatten gibt, angelegt, ſelten hoch über dem Boden, zuweilen auch auf der Oberſeite eines zu Boden gefallenen Aſtes und hier ohne den geringſten Schutz vor Sonne und Regen. Die Wandungen ſind aus dürren Gräſern, Rindenſtreifen, kleinen Grasbüſcheln, Wurzeln und dergleichen dicht zuſammengewebt und außerdem noch mit Spinnweben überzogen; die innere Ausfütterung beſteht aus feineren Gräſern, zartfaſerigen Wurzeln und Federn. Die Auswahl der einzelnen Stoffe wird mit Sorgfalt getroffen. Jn den meiſten Fällen ähnelt das Neſt dem Aſte ſo, daß es wie ein Knorren deſſelben ausſieht und daher ſehr ſchwer zu entdecken iſt. Zwei bis drei Eier bilden das Gelege. Sie ſind auf ſchmuzig oder grünlichweißem Grunde um die Mitte oder das dickere Ende herum mit größeren oder kleineren ſchwärzlichen und kaſtanienbraunen Flecken und Kleren gezeichnet. Während der Brutzeit wird der ſonſt ſo menſchenfreundliche Vogel wachſam und ängſtlich. Nähert ſich ein Feind dem Neſte, ſo wird er von beiden Gatten des Paares unter kläglichem Geſchrei umflogen; beide Eltern geben ſich auch rückſichtslos preis. Das Geſchrei ſoll dann ein durchaus eigen- thümliches ſein, etwa vergleichbar dem ſchnarrenden Geräuſch, welches man mit einer Kinderklapper hervorbringt. Die Verwandten der vorſtehend beſchriebenen Vögel, welche nördlichere Länder, zumal die Aſiens und Europas bewohnen, tragen ein beſcheideneres Gewand; namentlich fehlen ihnen die prachtvollen Schmuckzeichen gänzlich. Demungeachtet gehören ſie zu den Vögeln, welche allgemein anſprechen; viele Arten ſind trotz aller Einfachheit in der Färbung ſehr hübſche Thiere. Auch bei den Fliegenfängern (Muscicapae) iſt der Leib geſtreckt, der Hals kurz und der Kopf einigermaßen breit, der Flügel ziemlich lang, in ihm die dritte Schwinge die längſte, der Schwanz mittellang, entweder gerade abgeſtutzt oder ſeicht ausgeſchnitten, der Fuß kurz und ſchwach, die äußere Zehe mit der mittleren am Grunde verwachſen, der Schnabel ſtark und kurz, an der Wurzel breiter, von oben nach unten zuſammengedrückt, auf der Firſte kantig, an der Spitze des Oberkiefers herab- gebogen und vor ihr eingekerbt. Das Geſieder iſt locker und weich, um den Schnabelgrund borſtig; ſeine Färbung iſt in der Regel nach Geſchlecht und Alter verſchieden; die Jungen ſind immer gefleckt. Hinſichtlich ihrer Lebensweiſe haben die Fliegenfänger mit den Würgerſchnäppern, Tyrannen, Raupenfreſſern und Fliegenſchuäppern große Aehnlichkeit. Auch ſie bewohnen die Waldungen und Baumpflanzungen, leben mehr auf den Bäumen, als im Gebüſch und kommen nur höchſt ſelten zum Boden herab. Auf einem möglichſt freien Aſte ſitzend, welcher eine weite Umſchau gewährt, ſpähen ſie nach Kerbthieren, fliegen denſelben gewandt nach, nehmen ſie mit dem Schnabel auf und kehren hierauf gewöhnlich auf ihren Stand wieder zurück. Bei ſchlechtem Wetter nehmen ſie auch Beeren weg; namentlich geſchieht Dies, wenn ſie Junge zu verſorgen haben. Sie ſind faſt den ganzen Tag über in Thätigkeit, munter, unruhig und behend, angeſichts des Menſchen wenig ſcheu, Raubvögeln gegenüber kühn und dreiſt. Abweichend von verwandten Vögeln laſſen ſie ihre Stimme nur ſelten vernehmen, am häufigſten ſelbſtverſtändlich während der Paarungszeit, welche die Männchen ſogar zu einem, wenn auch ſehr einfachen und leiſen Geſange begeiſtert. Das Neſt wird entweder in Baum- höhlen oder zwiſchen Aſtgabeln, gewöhnlich nah am Stamme angelegt; es iſt ein lockerer, roh zuſammengefügter, aber warm ausgefütterter Bau. Das Gelege enthält vier bis fünf Eier, welche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/775>, abgerufen am 26.06.2024.