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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Spottdrosseln. Lärmdrosseln.

Je nach der Oertlichkeit brütet der Spottvogel früher oder später im Jahre. Jm Süden der
Vereinigten Staaten beginnt er schon im April mit dem Bau seines Nestes, in dem nördlichen Theil
seines Heimatskreises selten vor Ausgang Mai. Hier macht er gewöhnlich nicht mehr als zwei, dort
nach Audubon in der Regel drei Bruten im Laufe eines Sommers. Das Männchen wirbt nicht
blos durch Lieder um die Gunst seines Weibchens, sondern auch durch allerlei anmuthige Bewegungen.
Es spreizt den Schwanz, läßt die Flügel hängen und schreitet in dieser Weise stolz auf dem Boden
oder auf einem Aste dahin, umfliegt, schmetterlingsartig flatternd, seine Gattin, tanzt förmlich durch
die Luft, sucht überhaupt seinen Gefühlen in jeder Weise Ausdruck zu geben. Das Nest wird in
dichten Baumkronen oder Büschen angelegt, oft sehr nahe an den Wohnungen, oft in alleinstehenden
Dornhecken des Feldes, fernab von den Ortschaften. Trockene Zweige bilden den Unterbau, dürre
Ranken, Grashalme, Werg- und Wollflocken die Wandungen und ziemlich dicke Lagen von feinen,
gebogenen Wurzeln die innere Ausfütterung. Das Gelege der ersten Brut enthält vier bis sechs,
das der zweiten höchstens fünf, das der dritten selten mehr als drei Eier. Sie sind rundlich und auf
lichtgrünem Grunde mit dunkelbraunen Flecken und Punkten gezeichnet. Das Weibchen, welches
allein zu brüten scheint, zeitigt sie in vierzehn Tagen. Die Jungen der beiden ersten Bruten wachsen
rasch heran, die des dritten Geheckes aber erreichen oft erst spät im Jahre ihre volle Größe. Während
das Weibchen brütet, zeigen sich beide Geschlechter ungemein besorgt um die Eier, und wenn das
Weibchen findet, daß dieselben berührt oder in eine andere Lage gebracht worden sind, stößt es klagende
Laute aus und ruft ängstlich nach dem Männchen. Die Amerikaner behaupten, daß das Paar seine
Brut unter solchen Umständen verließe; Audubon versichert aber, daß es im Gegentheil seine Liebe
und Sorgfalt verdoppele und nach trüben Erfahrungen das Nest kaum auf einen Augenblick verlasse.

Die Nahrung ist verschiedener Art. Während des Sommers bilden Kerbthiere das hauptsäch-
lichste Futter; im Herbst erlabt sich Alt und Jung an mancherlei Beeren. Ganz gegen die Art der
Drosseln verfolgen die Alten fliegende Schmetterlinge, Käfer, Schnaken und Fliegen bis hoch in die
Luft und ebenso lesen sie derartiges Gethier von den Blättern der Bäume ab. Jm Käfig gewöhnen
sie sich an Drosselfutter; sie sind aber anspruchsvoller, als unsere Drosseln und verlangen vor allem
andern ziemlich viel Mehlwürmer und Ameiseneier. Bei guter Vehandlung werden sie überaus zahm
und zutraulich. Einzelne sind nach der Versicherung der amerikanischen Forscher zum Aus- und Ein-
fliegen gebracht worden; andere haben sich in der Gefangenschaft fortgepflanzt und nicht blos in
Amerika, sondern auch in Deutschland: so hat Gebser in Weimar durch zehn Jahre regelmäßig
Spottvögel gezüchtet und deren schon über sechszig Stück aufgebracht.

Das gesammte Raubzeug Amerikas stellt den alten Spottdrosseln, die Schlangen besonders der
Brut im Neste nach. Der Amerikaner hat den Vogel so lieb gewonnen, daß er ihn niemals seines
Fleisches halber verfolgt, sondern vielmehr nach Kräften in Schutz nimmt und gegen Unberufene
sichert. Dagegen werden viele von den so beliebten Vögeln für den Gebauer gefangen und namentlich
Junge dem Neste entnommen und groß gefüttert.



Außer dem Spottvogel sind noch zwei andere Mitglieder der Familie in Europa und auch in
Deutschland beobachtet worden, die rothe Spottdrossel (Taxostoma rufum) und der Katzen-
vogel
(Galeoscoptes carolinensis). Ersterer, ein sehr schlank gebauter, aber kurzflügliger, lang-
schwänziger und starkfüßiger Vogel, ist auf der Oberseite braunroth, auf der Unterseite rostweiß, seitlich
und auf der Brust schwarzbraun in die Länge gefleckt; die kleinen Deckfedern der Flügel sind weiß
gerandet und bilden zwei lichte Bänder. Das Auge ist gelb, der Schnabel bläulich, der Fuß braun.
Die Länge beträgt ungefähr 12 Zoll, wovon fast die Hälfte auf den Schwanz kommt; der Fittig mißt
4 1/3 Zoll. Letzterer ist der Hauptfärbung nach schiefergrau, oben dunkler, unten lichter; das Gefieder

Die Fänger. Singvögel. Spottdroſſeln. Lärmdroſſeln.

Je nach der Oertlichkeit brütet der Spottvogel früher oder ſpäter im Jahre. Jm Süden der
Vereinigten Staaten beginnt er ſchon im April mit dem Bau ſeines Neſtes, in dem nördlichen Theil
ſeines Heimatskreiſes ſelten vor Ausgang Mai. Hier macht er gewöhnlich nicht mehr als zwei, dort
nach Audubon in der Regel drei Bruten im Laufe eines Sommers. Das Männchen wirbt nicht
blos durch Lieder um die Gunſt ſeines Weibchens, ſondern auch durch allerlei anmuthige Bewegungen.
Es ſpreizt den Schwanz, läßt die Flügel hängen und ſchreitet in dieſer Weiſe ſtolz auf dem Boden
oder auf einem Aſte dahin, umfliegt, ſchmetterlingsartig flatternd, ſeine Gattin, tanzt förmlich durch
die Luft, ſucht überhaupt ſeinen Gefühlen in jeder Weiſe Ausdruck zu geben. Das Neſt wird in
dichten Baumkronen oder Büſchen angelegt, oft ſehr nahe an den Wohnungen, oft in alleinſtehenden
Dornhecken des Feldes, fernab von den Ortſchaften. Trockene Zweige bilden den Unterbau, dürre
Ranken, Grashalme, Werg- und Wollflocken die Wandungen und ziemlich dicke Lagen von feinen,
gebogenen Wurzeln die innere Ausfütterung. Das Gelege der erſten Brut enthält vier bis ſechs,
das der zweiten höchſtens fünf, das der dritten ſelten mehr als drei Eier. Sie ſind rundlich und auf
lichtgrünem Grunde mit dunkelbraunen Flecken und Punkten gezeichnet. Das Weibchen, welches
allein zu brüten ſcheint, zeitigt ſie in vierzehn Tagen. Die Jungen der beiden erſten Bruten wachſen
raſch heran, die des dritten Geheckes aber erreichen oft erſt ſpät im Jahre ihre volle Größe. Während
das Weibchen brütet, zeigen ſich beide Geſchlechter ungemein beſorgt um die Eier, und wenn das
Weibchen findet, daß dieſelben berührt oder in eine andere Lage gebracht worden ſind, ſtößt es klagende
Laute aus und ruft ängſtlich nach dem Männchen. Die Amerikaner behaupten, daß das Paar ſeine
Brut unter ſolchen Umſtänden verließe; Audubon verſichert aber, daß es im Gegentheil ſeine Liebe
und Sorgfalt verdoppele und nach trüben Erfahrungen das Neſt kaum auf einen Augenblick verlaſſe.

Die Nahrung iſt verſchiedener Art. Während des Sommers bilden Kerbthiere das hauptſäch-
lichſte Futter; im Herbſt erlabt ſich Alt und Jung an mancherlei Beeren. Ganz gegen die Art der
Droſſeln verfolgen die Alten fliegende Schmetterlinge, Käfer, Schnaken und Fliegen bis hoch in die
Luft und ebenſo leſen ſie derartiges Gethier von den Blättern der Bäume ab. Jm Käfig gewöhnen
ſie ſich an Droſſelfutter; ſie ſind aber anſpruchsvoller, als unſere Droſſeln und verlangen vor allem
andern ziemlich viel Mehlwürmer und Ameiſeneier. Bei guter Vehandlung werden ſie überaus zahm
und zutraulich. Einzelne ſind nach der Verſicherung der amerikaniſchen Forſcher zum Aus- und Ein-
fliegen gebracht worden; andere haben ſich in der Gefangenſchaft fortgepflanzt und nicht blos in
Amerika, ſondern auch in Deutſchland: ſo hat Gebſer in Weimar durch zehn Jahre regelmäßig
Spottvögel gezüchtet und deren ſchon über ſechszig Stück aufgebracht.

Das geſammte Raubzeug Amerikas ſtellt den alten Spottdroſſeln, die Schlangen beſonders der
Brut im Neſte nach. Der Amerikaner hat den Vogel ſo lieb gewonnen, daß er ihn niemals ſeines
Fleiſches halber verfolgt, ſondern vielmehr nach Kräften in Schutz nimmt und gegen Unberufene
ſichert. Dagegen werden viele von den ſo beliebten Vögeln für den Gebauer gefangen und namentlich
Junge dem Neſte entnommen und groß gefüttert.



Außer dem Spottvogel ſind noch zwei andere Mitglieder der Familie in Europa und auch in
Deutſchland beobachtet worden, die rothe Spottdroſſel (Taxostoma rufum) und der Katzen-
vogel
(Galeoscoptes carolinensis). Erſterer, ein ſehr ſchlank gebauter, aber kurzflügliger, lang-
ſchwänziger und ſtarkfüßiger Vogel, iſt auf der Oberſeite braunroth, auf der Unterſeite roſtweiß, ſeitlich
und auf der Bruſt ſchwarzbraun in die Länge gefleckt; die kleinen Deckfedern der Flügel ſind weiß
gerandet und bilden zwei lichte Bänder. Das Auge iſt gelb, der Schnabel bläulich, der Fuß braun.
Die Länge beträgt ungefähr 12 Zoll, wovon faſt die Hälfte auf den Schwanz kommt; der Fittig mißt
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[810/0856] Die Fänger. Singvögel. Spottdroſſeln. Lärmdroſſeln. Je nach der Oertlichkeit brütet der Spottvogel früher oder ſpäter im Jahre. Jm Süden der Vereinigten Staaten beginnt er ſchon im April mit dem Bau ſeines Neſtes, in dem nördlichen Theil ſeines Heimatskreiſes ſelten vor Ausgang Mai. Hier macht er gewöhnlich nicht mehr als zwei, dort nach Audubon in der Regel drei Bruten im Laufe eines Sommers. Das Männchen wirbt nicht blos durch Lieder um die Gunſt ſeines Weibchens, ſondern auch durch allerlei anmuthige Bewegungen. Es ſpreizt den Schwanz, läßt die Flügel hängen und ſchreitet in dieſer Weiſe ſtolz auf dem Boden oder auf einem Aſte dahin, umfliegt, ſchmetterlingsartig flatternd, ſeine Gattin, tanzt förmlich durch die Luft, ſucht überhaupt ſeinen Gefühlen in jeder Weiſe Ausdruck zu geben. Das Neſt wird in dichten Baumkronen oder Büſchen angelegt, oft ſehr nahe an den Wohnungen, oft in alleinſtehenden Dornhecken des Feldes, fernab von den Ortſchaften. Trockene Zweige bilden den Unterbau, dürre Ranken, Grashalme, Werg- und Wollflocken die Wandungen und ziemlich dicke Lagen von feinen, gebogenen Wurzeln die innere Ausfütterung. Das Gelege der erſten Brut enthält vier bis ſechs, das der zweiten höchſtens fünf, das der dritten ſelten mehr als drei Eier. Sie ſind rundlich und auf lichtgrünem Grunde mit dunkelbraunen Flecken und Punkten gezeichnet. Das Weibchen, welches allein zu brüten ſcheint, zeitigt ſie in vierzehn Tagen. Die Jungen der beiden erſten Bruten wachſen raſch heran, die des dritten Geheckes aber erreichen oft erſt ſpät im Jahre ihre volle Größe. Während das Weibchen brütet, zeigen ſich beide Geſchlechter ungemein beſorgt um die Eier, und wenn das Weibchen findet, daß dieſelben berührt oder in eine andere Lage gebracht worden ſind, ſtößt es klagende Laute aus und ruft ängſtlich nach dem Männchen. Die Amerikaner behaupten, daß das Paar ſeine Brut unter ſolchen Umſtänden verließe; Audubon verſichert aber, daß es im Gegentheil ſeine Liebe und Sorgfalt verdoppele und nach trüben Erfahrungen das Neſt kaum auf einen Augenblick verlaſſe. Die Nahrung iſt verſchiedener Art. Während des Sommers bilden Kerbthiere das hauptſäch- lichſte Futter; im Herbſt erlabt ſich Alt und Jung an mancherlei Beeren. Ganz gegen die Art der Droſſeln verfolgen die Alten fliegende Schmetterlinge, Käfer, Schnaken und Fliegen bis hoch in die Luft und ebenſo leſen ſie derartiges Gethier von den Blättern der Bäume ab. Jm Käfig gewöhnen ſie ſich an Droſſelfutter; ſie ſind aber anſpruchsvoller, als unſere Droſſeln und verlangen vor allem andern ziemlich viel Mehlwürmer und Ameiſeneier. Bei guter Vehandlung werden ſie überaus zahm und zutraulich. Einzelne ſind nach der Verſicherung der amerikaniſchen Forſcher zum Aus- und Ein- fliegen gebracht worden; andere haben ſich in der Gefangenſchaft fortgepflanzt und nicht blos in Amerika, ſondern auch in Deutſchland: ſo hat Gebſer in Weimar durch zehn Jahre regelmäßig Spottvögel gezüchtet und deren ſchon über ſechszig Stück aufgebracht. Das geſammte Raubzeug Amerikas ſtellt den alten Spottdroſſeln, die Schlangen beſonders der Brut im Neſte nach. Der Amerikaner hat den Vogel ſo lieb gewonnen, daß er ihn niemals ſeines Fleiſches halber verfolgt, ſondern vielmehr nach Kräften in Schutz nimmt und gegen Unberufene ſichert. Dagegen werden viele von den ſo beliebten Vögeln für den Gebauer gefangen und namentlich Junge dem Neſte entnommen und groß gefüttert. Außer dem Spottvogel ſind noch zwei andere Mitglieder der Familie in Europa und auch in Deutſchland beobachtet worden, die rothe Spottdroſſel (Taxostoma rufum) und der Katzen- vogel (Galeoscoptes carolinensis). Erſterer, ein ſehr ſchlank gebauter, aber kurzflügliger, lang- ſchwänziger und ſtarkfüßiger Vogel, iſt auf der Oberſeite braunroth, auf der Unterſeite roſtweiß, ſeitlich und auf der Bruſt ſchwarzbraun in die Länge gefleckt; die kleinen Deckfedern der Flügel ſind weiß gerandet und bilden zwei lichte Bänder. Das Auge iſt gelb, der Schnabel bläulich, der Fuß braun. Die Länge beträgt ungefähr 12 Zoll, wovon faſt die Hälfte auf den Schwanz kommt; der Fittig mißt 4⅓ Zoll. Letzterer iſt der Hauptfärbung nach ſchiefergrau, oben dunkler, unten lichter; das Gefieder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 810. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/856>, abgerufen am 22.11.2024.