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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Triel.
ich selbst beobachtet, durchaus keinen Grund, jene Angaben zu bezweifeln. Nur in einer Hinsicht
scheint sich unser Triel unter allen Umständen gleich zu bleiben: sein Aufenthaltsort muß ihm stets
eine weite Umschau oder doch eine sichere Deckung gewähren. Ein Verwandter von ihm, welchen ich
in Mittelafrika traf, gefällt sich z. B. im Urwalde, aber freilich nur da, wo der Unterwuchs so dicht
ist, daß er sich den Blicken eines Feindes augenblicklich entziehen kann.

Man muß sagen, daß am Triel Alles auffällt -- nicht blos seine Gestalt und insbesondere
das große, goldgelbe Glotzauge, sondern auch sein Gang, sein Flug, sein Benehmen, kurz, sein ganzes
Wesen. Er ist ein Freund der Einsamkeit, welcher sich kaum um Seinesgleichen bekümmert, am
wenigsten aber mit andern Geschöpfen abgeben mag; aber er studirt seine Nachbarn und richtet nach
dem Ergebniß sein Verfahren ein. Vertrauen kennt er nicht; jedes Thier erscheint ihm, wenn nicht
bedenklich, so doch beachtenswerth. Er beobachtet also jederzeit Alles, was um ihn her vor-
geht und täuscht sich selten. Jhm ist es sehr wohl bewußt, daß jene platten Dächer egyptischer
Städte ebenso sicher, vielleicht noch sicherer sind, als die dürren Lehden bei uns zu Lande, welche ein
schützendes Kieferndickicht umgeben, oder als das weite Campo und die Wüste, welche seiner Sinnes-
schärfe den weitesten Spielraum bieten. Das Vertrauen, welches er in Egypten zeigt, ist blos ein
scheinbares; er ist dort ebenso sehr auf seiner Hut, wie bei uns zu Lande. Uebertags bemerkt man
ihn selten, meist nur zufällig; denn er hat den Menschen, welcher sich seinem Standorte naht, viel
eher gesehen, als dieser ihn. Befindet er sich auf einer weiten, ebenen Fläche ohne schützendes
Dickicht, so duckt er sich platt auf den Boden nieder und macht sich dadurch, Dank seines erdfarbenen
Gefieders, vollkommen unsichtbar. Hat er ein Dickicht zur Deckung, so eilt er schnellen Laufes auf
dieses zu, bleibt aber keineswegs hier unter einem Busche sitzen, sondern durchmißt den Versteckplatz
mit fast ungeminderter Eile und tritt dann auf der Seite, welche dem Beobachter entgegengesetzt liegt,
wieder auf das freie Feld heraus. Jm Campo oder in der Wüste drückt er sich zuerst auch nieder;
sowie er aber gewahrt, daß der Verfolger sich ihm naht, erhebt er sich, läuft in einer wohlberechneten,
für das Schrotgewehr stets zu großen Entfernung seines Weges dahin, sieht sich von Zeit zu Zeit
überlegend um, läuft weiter und gewinnt so in der Regel bald genug den nöthigen Vorsprung, ohne
seine Flügel zu Hilfe zu nehmen. Durch einen Reiter läßt er sich ebensowenig täuschen wie durch
den Fußgänger; denn er weiß sehr wohl, daß ihm nur das Pferd ohne Reiter ungefährlich ist. Sein
Gang hat, solange er sich nicht beeilt, etwas Steifes, Trippelndes, während er sich zum schnellsten
Rennen steigert, wenn Dies nöthig wird. Der Flug ist sanft und weich, auch ziemlich gewandt, wird
aber selten weit ausgedehnt, weil der Triel recht wohl weiß, daß ein Falk doch noch bessere Schwingen
hat als er. Aber bei Tage bewegt sich der Dickfuß überhaupt nicht gern, und im Jnnern Afrikas,
wo er wenig mit Menschen in Berührung kommt, gebehrdet er sich wie eine aufgescheuchte Eule, wie
ein Vogel, dem das Licht schmerzhaft ist, dem die Helle des Tages den Verstand verwirrt. Hier eilt
er auch so schnell als möglich dem ersten besten Dickichte zu, um sich zu verbergen, während man
bei uns zu Lande wohl Berechnung, nicht aber Verwirrung bei ihm wahrnehmen kann. Wenn aber
die Nacht hereinbricht und das Dunkel sich über die Erde breitet, zeigt sich der Vogel ganz anders.
Jetzt wird er lebendig, rennt und fliegt unruhig hin und her, läßt seine Stimme erschallen, erhebt sich
spielend leicht in verhältnißmäßig bedeutende Höhen und entfaltet Künste des Fluges, welche man bei
ihm nie vermuthen würde. Raschen Laufes huscht er über den Boden dahin, einer Schattengestalt
vergleichbar, im Strahle des Mondes auf Augenblicke sich verkörpernd, auf nicht beleuchteten Stellen
wiederum zum Gespenst sich wandelnd. Zunächst geht es jetzt der Tränke zu, und wenig kümmert
es ihn, ob das erfrischende Wasser weit entfernt oder in der Nähe gelegen ist. Einzelne Trielpaare
durchfliegen allnächtlich Meilen, um von ihrem Standpunkte aus bis zur Tränke und wieder zurück
zu gelangen. Bei Mondschein sieht man sie von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in Bewegung,
und wahrscheinlich wird es in dunklen Nächten kaum anders sein. Die Stimme, welche man weit
vernimmt, läßt sich durch die Silben "Kräiith" ungefähr wiedergeben. Sie klingt hell durch die
stille Nacht, insbesondere während der Zugzeit, wenn der Vogel hoch oben seines Weges dahinfliegt.

Triel.
ich ſelbſt beobachtet, durchaus keinen Grund, jene Angaben zu bezweifeln. Nur in einer Hinſicht
ſcheint ſich unſer Triel unter allen Umſtänden gleich zu bleiben: ſein Aufenthaltsort muß ihm ſtets
eine weite Umſchau oder doch eine ſichere Deckung gewähren. Ein Verwandter von ihm, welchen ich
in Mittelafrika traf, gefällt ſich z. B. im Urwalde, aber freilich nur da, wo der Unterwuchs ſo dicht
iſt, daß er ſich den Blicken eines Feindes augenblicklich entziehen kann.

Man muß ſagen, daß am Triel Alles auffällt — nicht blos ſeine Geſtalt und insbeſondere
das große, goldgelbe Glotzauge, ſondern auch ſein Gang, ſein Flug, ſein Benehmen, kurz, ſein ganzes
Weſen. Er iſt ein Freund der Einſamkeit, welcher ſich kaum um Seinesgleichen bekümmert, am
wenigſten aber mit andern Geſchöpfen abgeben mag; aber er ſtudirt ſeine Nachbarn und richtet nach
dem Ergebniß ſein Verfahren ein. Vertrauen kennt er nicht; jedes Thier erſcheint ihm, wenn nicht
bedenklich, ſo doch beachtenswerth. Er beobachtet alſo jederzeit Alles, was um ihn her vor-
geht und täuſcht ſich ſelten. Jhm iſt es ſehr wohl bewußt, daß jene platten Dächer egyptiſcher
Städte ebenſo ſicher, vielleicht noch ſicherer ſind, als die dürren Lehden bei uns zu Lande, welche ein
ſchützendes Kieferndickicht umgeben, oder als das weite Campo und die Wüſte, welche ſeiner Sinnes-
ſchärfe den weiteſten Spielraum bieten. Das Vertrauen, welches er in Egypten zeigt, iſt blos ein
ſcheinbares; er iſt dort ebenſo ſehr auf ſeiner Hut, wie bei uns zu Lande. Uebertags bemerkt man
ihn ſelten, meiſt nur zufällig; denn er hat den Menſchen, welcher ſich ſeinem Standorte naht, viel
eher geſehen, als dieſer ihn. Befindet er ſich auf einer weiten, ebenen Fläche ohne ſchützendes
Dickicht, ſo duckt er ſich platt auf den Boden nieder und macht ſich dadurch, Dank ſeines erdfarbenen
Gefieders, vollkommen unſichtbar. Hat er ein Dickicht zur Deckung, ſo eilt er ſchnellen Laufes auf
dieſes zu, bleibt aber keineswegs hier unter einem Buſche ſitzen, ſondern durchmißt den Verſteckplatz
mit faſt ungeminderter Eile und tritt dann auf der Seite, welche dem Beobachter entgegengeſetzt liegt,
wieder auf das freie Feld heraus. Jm Campo oder in der Wüſte drückt er ſich zuerſt auch nieder;
ſowie er aber gewahrt, daß der Verfolger ſich ihm naht, erhebt er ſich, läuft in einer wohlberechneten,
für das Schrotgewehr ſtets zu großen Entfernung ſeines Weges dahin, ſieht ſich von Zeit zu Zeit
überlegend um, läuft weiter und gewinnt ſo in der Regel bald genug den nöthigen Vorſprung, ohne
ſeine Flügel zu Hilfe zu nehmen. Durch einen Reiter läßt er ſich ebenſowenig täuſchen wie durch
den Fußgänger; denn er weiß ſehr wohl, daß ihm nur das Pferd ohne Reiter ungefährlich iſt. Sein
Gang hat, ſolange er ſich nicht beeilt, etwas Steifes, Trippelndes, während er ſich zum ſchnellſten
Rennen ſteigert, wenn Dies nöthig wird. Der Flug iſt ſanft und weich, auch ziemlich gewandt, wird
aber ſelten weit ausgedehnt, weil der Triel recht wohl weiß, daß ein Falk doch noch beſſere Schwingen
hat als er. Aber bei Tage bewegt ſich der Dickfuß überhaupt nicht gern, und im Jnnern Afrikas,
wo er wenig mit Menſchen in Berührung kommt, gebehrdet er ſich wie eine aufgeſcheuchte Eule, wie
ein Vogel, dem das Licht ſchmerzhaft iſt, dem die Helle des Tages den Verſtand verwirrt. Hier eilt
er auch ſo ſchnell als möglich dem erſten beſten Dickichte zu, um ſich zu verbergen, während man
bei uns zu Lande wohl Berechnung, nicht aber Verwirrung bei ihm wahrnehmen kann. Wenn aber
die Nacht hereinbricht und das Dunkel ſich über die Erde breitet, zeigt ſich der Vogel ganz anders.
Jetzt wird er lebendig, rennt und fliegt unruhig hin und her, läßt ſeine Stimme erſchallen, erhebt ſich
ſpielend leicht in verhältnißmäßig bedeutende Höhen und entfaltet Künſte des Fluges, welche man bei
ihm nie vermuthen würde. Raſchen Laufes huſcht er über den Boden dahin, einer Schattengeſtalt
vergleichbar, im Strahle des Mondes auf Augenblicke ſich verkörpernd, auf nicht beleuchteten Stellen
wiederum zum Geſpenſt ſich wandelnd. Zunächſt geht es jetzt der Tränke zu, und wenig kümmert
es ihn, ob das erfriſchende Waſſer weit entfernt oder in der Nähe gelegen iſt. Einzelne Trielpaare
durchfliegen allnächtlich Meilen, um von ihrem Standpunkte aus bis zur Tränke und wieder zurück
zu gelangen. Bei Mondſchein ſieht man ſie von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in Bewegung,
und wahrſcheinlich wird es in dunklen Nächten kaum anders ſein. Die Stimme, welche man weit
vernimmt, läßt ſich durch die Silben „Kräiith“ ungefähr wiedergeben. Sie klingt hell durch die
ſtille Nacht, insbeſondere während der Zugzeit, wenn der Vogel hoch oben ſeines Weges dahinfliegt.

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[583/0621] Triel. ich ſelbſt beobachtet, durchaus keinen Grund, jene Angaben zu bezweifeln. Nur in einer Hinſicht ſcheint ſich unſer Triel unter allen Umſtänden gleich zu bleiben: ſein Aufenthaltsort muß ihm ſtets eine weite Umſchau oder doch eine ſichere Deckung gewähren. Ein Verwandter von ihm, welchen ich in Mittelafrika traf, gefällt ſich z. B. im Urwalde, aber freilich nur da, wo der Unterwuchs ſo dicht iſt, daß er ſich den Blicken eines Feindes augenblicklich entziehen kann. Man muß ſagen, daß am Triel Alles auffällt — nicht blos ſeine Geſtalt und insbeſondere das große, goldgelbe Glotzauge, ſondern auch ſein Gang, ſein Flug, ſein Benehmen, kurz, ſein ganzes Weſen. Er iſt ein Freund der Einſamkeit, welcher ſich kaum um Seinesgleichen bekümmert, am wenigſten aber mit andern Geſchöpfen abgeben mag; aber er ſtudirt ſeine Nachbarn und richtet nach dem Ergebniß ſein Verfahren ein. Vertrauen kennt er nicht; jedes Thier erſcheint ihm, wenn nicht bedenklich, ſo doch beachtenswerth. Er beobachtet alſo jederzeit Alles, was um ihn her vor- geht und täuſcht ſich ſelten. Jhm iſt es ſehr wohl bewußt, daß jene platten Dächer egyptiſcher Städte ebenſo ſicher, vielleicht noch ſicherer ſind, als die dürren Lehden bei uns zu Lande, welche ein ſchützendes Kieferndickicht umgeben, oder als das weite Campo und die Wüſte, welche ſeiner Sinnes- ſchärfe den weiteſten Spielraum bieten. Das Vertrauen, welches er in Egypten zeigt, iſt blos ein ſcheinbares; er iſt dort ebenſo ſehr auf ſeiner Hut, wie bei uns zu Lande. Uebertags bemerkt man ihn ſelten, meiſt nur zufällig; denn er hat den Menſchen, welcher ſich ſeinem Standorte naht, viel eher geſehen, als dieſer ihn. Befindet er ſich auf einer weiten, ebenen Fläche ohne ſchützendes Dickicht, ſo duckt er ſich platt auf den Boden nieder und macht ſich dadurch, Dank ſeines erdfarbenen Gefieders, vollkommen unſichtbar. Hat er ein Dickicht zur Deckung, ſo eilt er ſchnellen Laufes auf dieſes zu, bleibt aber keineswegs hier unter einem Buſche ſitzen, ſondern durchmißt den Verſteckplatz mit faſt ungeminderter Eile und tritt dann auf der Seite, welche dem Beobachter entgegengeſetzt liegt, wieder auf das freie Feld heraus. Jm Campo oder in der Wüſte drückt er ſich zuerſt auch nieder; ſowie er aber gewahrt, daß der Verfolger ſich ihm naht, erhebt er ſich, läuft in einer wohlberechneten, für das Schrotgewehr ſtets zu großen Entfernung ſeines Weges dahin, ſieht ſich von Zeit zu Zeit überlegend um, läuft weiter und gewinnt ſo in der Regel bald genug den nöthigen Vorſprung, ohne ſeine Flügel zu Hilfe zu nehmen. Durch einen Reiter läßt er ſich ebenſowenig täuſchen wie durch den Fußgänger; denn er weiß ſehr wohl, daß ihm nur das Pferd ohne Reiter ungefährlich iſt. Sein Gang hat, ſolange er ſich nicht beeilt, etwas Steifes, Trippelndes, während er ſich zum ſchnellſten Rennen ſteigert, wenn Dies nöthig wird. Der Flug iſt ſanft und weich, auch ziemlich gewandt, wird aber ſelten weit ausgedehnt, weil der Triel recht wohl weiß, daß ein Falk doch noch beſſere Schwingen hat als er. Aber bei Tage bewegt ſich der Dickfuß überhaupt nicht gern, und im Jnnern Afrikas, wo er wenig mit Menſchen in Berührung kommt, gebehrdet er ſich wie eine aufgeſcheuchte Eule, wie ein Vogel, dem das Licht ſchmerzhaft iſt, dem die Helle des Tages den Verſtand verwirrt. Hier eilt er auch ſo ſchnell als möglich dem erſten beſten Dickichte zu, um ſich zu verbergen, während man bei uns zu Lande wohl Berechnung, nicht aber Verwirrung bei ihm wahrnehmen kann. Wenn aber die Nacht hereinbricht und das Dunkel ſich über die Erde breitet, zeigt ſich der Vogel ganz anders. Jetzt wird er lebendig, rennt und fliegt unruhig hin und her, läßt ſeine Stimme erſchallen, erhebt ſich ſpielend leicht in verhältnißmäßig bedeutende Höhen und entfaltet Künſte des Fluges, welche man bei ihm nie vermuthen würde. Raſchen Laufes huſcht er über den Boden dahin, einer Schattengeſtalt vergleichbar, im Strahle des Mondes auf Augenblicke ſich verkörpernd, auf nicht beleuchteten Stellen wiederum zum Geſpenſt ſich wandelnd. Zunächſt geht es jetzt der Tränke zu, und wenig kümmert es ihn, ob das erfriſchende Waſſer weit entfernt oder in der Nähe gelegen iſt. Einzelne Trielpaare durchfliegen allnächtlich Meilen, um von ihrem Standpunkte aus bis zur Tränke und wieder zurück zu gelangen. Bei Mondſchein ſieht man ſie von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in Bewegung, und wahrſcheinlich wird es in dunklen Nächten kaum anders ſein. Die Stimme, welche man weit vernimmt, läßt ſich durch die Silben „Kräiith“ ungefähr wiedergeben. Sie klingt hell durch die ſtille Nacht, insbeſondere während der Zugzeit, wenn der Vogel hoch oben ſeines Weges dahinfliegt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/621>, abgerufen am 22.11.2024.