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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Dickfüße.

Der Triel ist ein vollendetes Raubthier; denn er verschmäht Pflanzenstoffe. Würmer, Kerbthiere
in allen Lebenszuständen, Schnecken und andere Weichthiere, Frösche, Eidechsen und Mäuse sind das
Wild, dem er nachstellt; Eier und junge Nestvögel werden wahrscheinlich auch nicht vor ihm gesichert
sein. Den Feldmäusen lauert er, laut Naumann, wie eine Katze auf und fängt sie im Laufen sehr
geschickt, indem er ihnen zuvörderst einen tüchtigen Schnabelhieb versetzt, sie hierauf packt, wieder-
holt gegen den Erdboden stößt, bis alle Knochen zerbrochen sind, und endlich, förmlich zerquetscht,
hinunterschlingt. Auch die Kerbthiere tödtet er, bevor er sie verschluckt. Zur Beförderung der
Verdauung nimmt er kleine Steinchen oder grobe Sandkörner auf. Kröten soll er hartnäckig
verschmähen.

Jm Frühjahre kommt es zwischen zwei Paaren zuweilen zu Raufereien, ebensowohl der
Weibchen als der Standorte wegen; dabei fahren beide Kämpfer mit dem Schnabel heftig gegen
einander los und verfolgen sich laufend oder fliegend. Hat der eine den andern vertrieben, so kehrt
er, nach Naumann, zum Weibchen zurück, "läuft in engen Kreisen mit tief zu Boden herabgebeugtem
Kopfe, hängenden Flügeln und fächerartig aufgerichtetem Schwanze um dieses herum und stößt ein
sanftes "Dick, dick, dick" aus. Ende Aprils findet man das Nest, eine kleine Vertiefung im Sande,
und in ihr ohne jegliche Unterlage die zwei bis drei Eier, welche Hühnereiern an Größe ungefähr
gleichkommen, ihnen auch in der Gestalt ähneln und auf bleichlehmgelbem Grunde schieferblaue
Unterflecken und dunkelgelbe bis schwarzbraune Oberflecken und Schnörkel zeigen, unter sich aber
hinsichtlich der Zeichnung sehr abweichen. Das Paar soll, ungestört, im Laufe des Sommers nur
eine Brut erzielen, das Weibchen innerhalb sechszehn Tagen die Eier zeitigen und das Männchen
währenddem treue Wacht halten. Sobald die Jungen völlig abgetrocknet, folgen sie der Alten und
kehren nie wieder ins Nest zurück. Anfänglich legen beide Eltern ihnen gefangene Beute vor; später
gewöhnen sie dieselben an selbständiges Jagen. Die Kleinen verstehen in kürzester Frist jeden
Warnungslaut ihrer Eltern und drücken sich bei Gefahr sofort auf den Boden nieder, wo ihnen jede
Unebenheit einen Versteckplatz gewährt. Ein Raubthier versuchen die Eltern abzulenken; dem geübten
Jäger verrathen sie durch ihr ängstliches Umherlaufen den Versteckplatz.

Es ist recht schwer, einen alten Triel so zu täuschen, daß man schußgerecht ihm ankommt, seine
Jagd deshalb bei uns zu Lande ein Kunststück. Jn Afrika gelingt es leichter, sich des Vogels zu
bemächtigen, und in Jndien oder in der Sahara bedient man sich der Baizfalken zur Mithilfe. Eine erfolg-
versprechende Fangart ist nicht bekannt; deshalb sieht man den theilnahmswerthen Gesellen auch höchst
selten einmal im Gesellschaftsbauer eines Thiergartens oder im Käfige eines Händlers und Liebhabers.
Naumann hat einen Triel längere Zeit beobachten können und uns folgende sehr ausführliche
Schilderung des Gefangenlebens gegeben. "Mein Vater besaß einen lebenden Triel, welcher in
seiner Wohnstube herumlief und ihm durch sein sanftes, zutrauliches Wesen viel Vergnügen machte.
Sein erster Besitzer, welcher ihn jung aufgezogen hatte, mochte sich wenig aus ihm gemacht, ihn
schlecht gefüttert und gepflegt haben; denn er kam in einem ganz verkümmerten Zustande in meines
Vaters Besitz, als er schon über ein Jahr alt war, aber sein erstes Jugendgefieder, wie doch andere
einmal mausernde Vögel zu thun pflegen, noch nicht gewechselt hatte. Diese erste Mauser erfolgte
erst bei uns, ein halbes Jahr später, im Februar. Jm nächsten Juli, als er zwei volle Jahre alt
war, mauserte er zum zweiten Male in seinem Leben, und nun regelmäßig alle Jahre um diese Zeit. --
Sein tägliches Futter war Semmel in Milch gequellt, welches ihm zuweilen mit etwas klein-
geschnittenem gekochten Rindfleische vermischt wurde. Zuweilen bekam er auch einen Regenwurm oder
ein Jnsekt, ein Mäuschen, ein Fröschchen, eine Heuschrecke. Mein Vater kehrte selten mit leeren
Händen von seinen Spaziergängen zurück, und der Vogel, Dies wissend, kam ihm immer schnell in
der Thüre entgegen, oder, wenn er Dies versäumt hatte, auf den Ruf: Dick dick! herbeigelaufen und
nahm ihm das Mitgebrachte aus der Hand. Er brachte ihm jene Geschöpfe gewöhnlich lebend, in
ein grünes Blatt eingehüllt und mit einem Halme lose umwunden. Ein solches Päckchen nahm ihm
der Vogel gleich ab, legte es hin, und beobachtete es genau, ob sich darin Etwas rege; geschah Dies,

Die Läufer. Stelzvögel. Dickfüße.

Der Triel iſt ein vollendetes Raubthier; denn er verſchmäht Pflanzenſtoffe. Würmer, Kerbthiere
in allen Lebenszuſtänden, Schnecken und andere Weichthiere, Fröſche, Eidechſen und Mäuſe ſind das
Wild, dem er nachſtellt; Eier und junge Neſtvögel werden wahrſcheinlich auch nicht vor ihm geſichert
ſein. Den Feldmäuſen lauert er, laut Naumann, wie eine Katze auf und fängt ſie im Laufen ſehr
geſchickt, indem er ihnen zuvörderſt einen tüchtigen Schnabelhieb verſetzt, ſie hierauf packt, wieder-
holt gegen den Erdboden ſtößt, bis alle Knochen zerbrochen ſind, und endlich, förmlich zerquetſcht,
hinunterſchlingt. Auch die Kerbthiere tödtet er, bevor er ſie verſchluckt. Zur Beförderung der
Verdauung nimmt er kleine Steinchen oder grobe Sandkörner auf. Kröten ſoll er hartnäckig
verſchmähen.

Jm Frühjahre kommt es zwiſchen zwei Paaren zuweilen zu Raufereien, ebenſowohl der
Weibchen als der Standorte wegen; dabei fahren beide Kämpfer mit dem Schnabel heftig gegen
einander los und verfolgen ſich laufend oder fliegend. Hat der eine den andern vertrieben, ſo kehrt
er, nach Naumann, zum Weibchen zurück, „läuft in engen Kreiſen mit tief zu Boden herabgebeugtem
Kopfe, hängenden Flügeln und fächerartig aufgerichtetem Schwanze um dieſes herum und ſtößt ein
ſanftes „Dick, dick, dick“ aus. Ende Aprils findet man das Neſt, eine kleine Vertiefung im Sande,
und in ihr ohne jegliche Unterlage die zwei bis drei Eier, welche Hühnereiern an Größe ungefähr
gleichkommen, ihnen auch in der Geſtalt ähneln und auf bleichlehmgelbem Grunde ſchieferblaue
Unterflecken und dunkelgelbe bis ſchwarzbraune Oberflecken und Schnörkel zeigen, unter ſich aber
hinſichtlich der Zeichnung ſehr abweichen. Das Paar ſoll, ungeſtört, im Laufe des Sommers nur
eine Brut erzielen, das Weibchen innerhalb ſechszehn Tagen die Eier zeitigen und das Männchen
währenddem treue Wacht halten. Sobald die Jungen völlig abgetrocknet, folgen ſie der Alten und
kehren nie wieder ins Neſt zurück. Anfänglich legen beide Eltern ihnen gefangene Beute vor; ſpäter
gewöhnen ſie dieſelben an ſelbſtändiges Jagen. Die Kleinen verſtehen in kürzeſter Friſt jeden
Warnungslaut ihrer Eltern und drücken ſich bei Gefahr ſofort auf den Boden nieder, wo ihnen jede
Unebenheit einen Verſteckplatz gewährt. Ein Raubthier verſuchen die Eltern abzulenken; dem geübten
Jäger verrathen ſie durch ihr ängſtliches Umherlaufen den Verſteckplatz.

Es iſt recht ſchwer, einen alten Triel ſo zu täuſchen, daß man ſchußgerecht ihm ankommt, ſeine
Jagd deshalb bei uns zu Lande ein Kunſtſtück. Jn Afrika gelingt es leichter, ſich des Vogels zu
bemächtigen, und in Jndien oder in der Sahara bedient man ſich der Baizfalken zur Mithilfe. Eine erfolg-
verſprechende Fangart iſt nicht bekannt; deshalb ſieht man den theilnahmswerthen Geſellen auch höchſt
ſelten einmal im Geſellſchaftsbauer eines Thiergartens oder im Käfige eines Händlers und Liebhabers.
Naumann hat einen Triel längere Zeit beobachten können und uns folgende ſehr ausführliche
Schilderung des Gefangenlebens gegeben. „Mein Vater beſaß einen lebenden Triel, welcher in
ſeiner Wohnſtube herumlief und ihm durch ſein ſanftes, zutrauliches Weſen viel Vergnügen machte.
Sein erſter Beſitzer, welcher ihn jung aufgezogen hatte, mochte ſich wenig aus ihm gemacht, ihn
ſchlecht gefüttert und gepflegt haben; denn er kam in einem ganz verkümmerten Zuſtande in meines
Vaters Beſitz, als er ſchon über ein Jahr alt war, aber ſein erſtes Jugendgefieder, wie doch andere
einmal mauſernde Vögel zu thun pflegen, noch nicht gewechſelt hatte. Dieſe erſte Mauſer erfolgte
erſt bei uns, ein halbes Jahr ſpäter, im Februar. Jm nächſten Juli, als er zwei volle Jahre alt
war, mauſerte er zum zweiten Male in ſeinem Leben, und nun regelmäßig alle Jahre um dieſe Zeit. —
Sein tägliches Futter war Semmel in Milch gequellt, welches ihm zuweilen mit etwas klein-
geſchnittenem gekochten Rindfleiſche vermiſcht wurde. Zuweilen bekam er auch einen Regenwurm oder
ein Jnſekt, ein Mäuschen, ein Fröſchchen, eine Heuſchrecke. Mein Vater kehrte ſelten mit leeren
Händen von ſeinen Spaziergängen zurück, und der Vogel, Dies wiſſend, kam ihm immer ſchnell in
der Thüre entgegen, oder, wenn er Dies verſäumt hatte, auf den Ruf: Dick dick! herbeigelaufen und
nahm ihm das Mitgebrachte aus der Hand. Er brachte ihm jene Geſchöpfe gewöhnlich lebend, in
ein grünes Blatt eingehüllt und mit einem Halme loſe umwunden. Ein ſolches Päckchen nahm ihm
der Vogel gleich ab, legte es hin, und beobachtete es genau, ob ſich darin Etwas rege; geſchah Dies,

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[584/0622] Die Läufer. Stelzvögel. Dickfüße. Der Triel iſt ein vollendetes Raubthier; denn er verſchmäht Pflanzenſtoffe. Würmer, Kerbthiere in allen Lebenszuſtänden, Schnecken und andere Weichthiere, Fröſche, Eidechſen und Mäuſe ſind das Wild, dem er nachſtellt; Eier und junge Neſtvögel werden wahrſcheinlich auch nicht vor ihm geſichert ſein. Den Feldmäuſen lauert er, laut Naumann, wie eine Katze auf und fängt ſie im Laufen ſehr geſchickt, indem er ihnen zuvörderſt einen tüchtigen Schnabelhieb verſetzt, ſie hierauf packt, wieder- holt gegen den Erdboden ſtößt, bis alle Knochen zerbrochen ſind, und endlich, förmlich zerquetſcht, hinunterſchlingt. Auch die Kerbthiere tödtet er, bevor er ſie verſchluckt. Zur Beförderung der Verdauung nimmt er kleine Steinchen oder grobe Sandkörner auf. Kröten ſoll er hartnäckig verſchmähen. Jm Frühjahre kommt es zwiſchen zwei Paaren zuweilen zu Raufereien, ebenſowohl der Weibchen als der Standorte wegen; dabei fahren beide Kämpfer mit dem Schnabel heftig gegen einander los und verfolgen ſich laufend oder fliegend. Hat der eine den andern vertrieben, ſo kehrt er, nach Naumann, zum Weibchen zurück, „läuft in engen Kreiſen mit tief zu Boden herabgebeugtem Kopfe, hängenden Flügeln und fächerartig aufgerichtetem Schwanze um dieſes herum und ſtößt ein ſanftes „Dick, dick, dick“ aus. Ende Aprils findet man das Neſt, eine kleine Vertiefung im Sande, und in ihr ohne jegliche Unterlage die zwei bis drei Eier, welche Hühnereiern an Größe ungefähr gleichkommen, ihnen auch in der Geſtalt ähneln und auf bleichlehmgelbem Grunde ſchieferblaue Unterflecken und dunkelgelbe bis ſchwarzbraune Oberflecken und Schnörkel zeigen, unter ſich aber hinſichtlich der Zeichnung ſehr abweichen. Das Paar ſoll, ungeſtört, im Laufe des Sommers nur eine Brut erzielen, das Weibchen innerhalb ſechszehn Tagen die Eier zeitigen und das Männchen währenddem treue Wacht halten. Sobald die Jungen völlig abgetrocknet, folgen ſie der Alten und kehren nie wieder ins Neſt zurück. Anfänglich legen beide Eltern ihnen gefangene Beute vor; ſpäter gewöhnen ſie dieſelben an ſelbſtändiges Jagen. Die Kleinen verſtehen in kürzeſter Friſt jeden Warnungslaut ihrer Eltern und drücken ſich bei Gefahr ſofort auf den Boden nieder, wo ihnen jede Unebenheit einen Verſteckplatz gewährt. Ein Raubthier verſuchen die Eltern abzulenken; dem geübten Jäger verrathen ſie durch ihr ängſtliches Umherlaufen den Verſteckplatz. Es iſt recht ſchwer, einen alten Triel ſo zu täuſchen, daß man ſchußgerecht ihm ankommt, ſeine Jagd deshalb bei uns zu Lande ein Kunſtſtück. Jn Afrika gelingt es leichter, ſich des Vogels zu bemächtigen, und in Jndien oder in der Sahara bedient man ſich der Baizfalken zur Mithilfe. Eine erfolg- verſprechende Fangart iſt nicht bekannt; deshalb ſieht man den theilnahmswerthen Geſellen auch höchſt ſelten einmal im Geſellſchaftsbauer eines Thiergartens oder im Käfige eines Händlers und Liebhabers. Naumann hat einen Triel längere Zeit beobachten können und uns folgende ſehr ausführliche Schilderung des Gefangenlebens gegeben. „Mein Vater beſaß einen lebenden Triel, welcher in ſeiner Wohnſtube herumlief und ihm durch ſein ſanftes, zutrauliches Weſen viel Vergnügen machte. Sein erſter Beſitzer, welcher ihn jung aufgezogen hatte, mochte ſich wenig aus ihm gemacht, ihn ſchlecht gefüttert und gepflegt haben; denn er kam in einem ganz verkümmerten Zuſtande in meines Vaters Beſitz, als er ſchon über ein Jahr alt war, aber ſein erſtes Jugendgefieder, wie doch andere einmal mauſernde Vögel zu thun pflegen, noch nicht gewechſelt hatte. Dieſe erſte Mauſer erfolgte erſt bei uns, ein halbes Jahr ſpäter, im Februar. Jm nächſten Juli, als er zwei volle Jahre alt war, mauſerte er zum zweiten Male in ſeinem Leben, und nun regelmäßig alle Jahre um dieſe Zeit. — Sein tägliches Futter war Semmel in Milch gequellt, welches ihm zuweilen mit etwas klein- geſchnittenem gekochten Rindfleiſche vermiſcht wurde. Zuweilen bekam er auch einen Regenwurm oder ein Jnſekt, ein Mäuschen, ein Fröſchchen, eine Heuſchrecke. Mein Vater kehrte ſelten mit leeren Händen von ſeinen Spaziergängen zurück, und der Vogel, Dies wiſſend, kam ihm immer ſchnell in der Thüre entgegen, oder, wenn er Dies verſäumt hatte, auf den Ruf: Dick dick! herbeigelaufen und nahm ihm das Mitgebrachte aus der Hand. Er brachte ihm jene Geſchöpfe gewöhnlich lebend, in ein grünes Blatt eingehüllt und mit einem Halme loſe umwunden. Ein ſolches Päckchen nahm ihm der Vogel gleich ab, legte es hin, und beobachtete es genau, ob ſich darin Etwas rege; geſchah Dies,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/622>, abgerufen am 22.11.2024.