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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Heiliger Jbis.
einige anführen. Plinius und Galen z. B. schreiben dem Jbis die Erfindung des Klistirs zu,
und Ersterer sagt: "Dies sind aber noch nicht alle Sachen, worin der Mensch nur ein Schüler von
den Bemühungen der Thiere ist." Nach Plutarch braucht dieser Jbis zum Klistirgeben nur salziges
Wasser. Pieräus erzählt ebenfalls wunderbare Dinge von dem Vogel. Nach seinem Berichte
käme der Basilisk aus einem Jbisei hervor, das von dem Gifte aller der Schlangen, die der Jbis ver-
zehrte, entstünde. Krokodile oder Schlangen, von einer Jbisfeder berührt, blieben durch Verzauberung
unbeweglich oder würden augenblicklich getödtet. Zoroaster, Demokrites und Philo haben
diese Märchen fortgepflanzt und hinzugefügt, daß das Leben dieser göttlichen Vögel von außerordent-
lich langer Dauer, ja daß der Jbis sogar unsterblich sei; sie stützten sich dabei auf die Zeugnisse der
Priester von Hermopolis, welche dem Apion einen Jbis vorgezeigt hätten, der so alt gewesen
wäre, daß er nicht mehr sterben könnte! Die Nahrung des Jbis, wird ferner erzählt, und in viel
späterer Zeit wieder erzählt, besteht in Schlangen und kriechenden Thieren. "Er hat", bemerkt
Belon, "eine sehr heftige Begierde nach Schlangenfleisch und überhaupt einen Widerwillen gegen alle
kriechenden Thiere, mit denen er den blutigsten Krieg führt, und die er auch, wenn er gesättigt ist, doch
immer zu tödten sucht." Diodor von Sicilien behauptet, daß der Jbis Tag und Nacht am Ufer
des Wassers spaziere, auf die kriechenden Thiere lauere, ihre Eier aufsuche und nebenbei Käfer und
Heuschrecken auftreibe. Der Vogel käme ohne Scheu mitten in die Straßen. Nach anderen Schrift-
stellern soll er sein Nest auf Palmenbäume bauen und es mitten zwischen den stechenden Blättern
anbringen, um es gegen den Angriff seiner Feinde, der Katzen, in Sicherheit zu setzen. Er soll vier
Eier legen und sich bezüglich der Zahl derselben nach dem Monde richten, "ad lunae rationem ova
fingit".
Auch Aelian bringt den Jbis mit dem Monde in Verbindung, sagt, daß er dem Monde
geweiht sei, und daß er ebensoviel Tage zum Ausbrüten seiner Jungen gebrauche, als der Stern der
Jsis, um seine Wandlungsbahn zu durchlaufen. -- Aristoteles, der tüchtigste Naturbeobachter des
grauen Alterthums, spottet bereits über mancherlei irrige Vorstellungen, welche man von dem Jbis
hatte, z. B. darüber, daß er von jungfräulicher Reinheit sei. Cicero bemerkt über die göttliche
Verehrung des Jbis, daß die Egypter dieselbe nur solchen Thieren zu Theil werden ließen, welche
ihnen wirklich Nutzen verschafften; Juvenal eifert gegen diesen Götzendienst und rechnet den Egyptern
die Verehrung dieser Vögel geradezu zum Verbrechen an.

Es bleibt fraglich, ob die Egypter den Jbis wirklich wegen der Vertilgung der Schlangen und
Aufreibung anderen Ungeziefers oder wegen seines Erscheinens zur Zeit der Stromschwelle verehrt
haben. Möglicherweise war für sie die Anmuth, Gemüthlichkeit und Klugheit des Vogels auch ein
Beweggrund mit, ihn hoch zu halten.

Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa) wird als Vertreter einer besonderen Sippe
angesehen, als deren Kennzeichen der im Alter nackte Kopf und Hals und die am Ende zerschlissenen
Schulterfedern gelten. Das Gefieder ist der Hauptsache nach weiß, unter den Flügeln gilblich; die
Schwingenspitzen und die Schulterfedern sind blaulichschwarz. Das Auge ist karminroth, der Schnabel
schwarz, der Fuß schwarzbraun. Die nackte schwarze Haut des Halses fühlt sich sammtig an und
färbt merklich ab. Beim jungen Vogel sind Kopf und Hals mit dunkelbraunen und schwärzlichen,
weißgeränderten Federn bekleidet, die Kehle und die untere Hälfte des Halses weiß, wie das übrige
Gefieder, mit Ausnahme der ebenfalls schwarzgeränderten und schwarz zugespitzten Schwingen. Nach
der ersten Mauser erhalten die Jungen die zerschlissenen Schulterfedern; Kopf und Hals bleiben aber
noch befiedert: die Kahlheit dieser Stellen zeigt sich erst im dritten Lebensjahre. Bei alten Vögeln
beträgt die Länge 28 bis 29, die Breite 51, die Fittiglänge 13 bis 14, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Auffallenderweise besucht der Jbis gegenwärtig Egypten nicht mehr, wenigstens nicht mehr
regelmäßig; es erscheint hier zwar zuweilen einer dieser Vögel, der aber muß als seltener Jrrling
angesehen werden. Als Bote und Verkündiger des steigenden Nils tritt er erst im südlichen Nubien
auf. Unterhalb der Stadt Muchereff (18[°] nördl. Breite) habe ich nie einen beobachtet; schon bei

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Heiliger Jbis.
einige anführen. Plinius und Galen z. B. ſchreiben dem Jbis die Erfindung des Kliſtirs zu,
und Erſterer ſagt: „Dies ſind aber noch nicht alle Sachen, worin der Menſch nur ein Schüler von
den Bemühungen der Thiere iſt.“ Nach Plutarch braucht dieſer Jbis zum Kliſtirgeben nur ſalziges
Waſſer. Pieräus erzählt ebenfalls wunderbare Dinge von dem Vogel. Nach ſeinem Berichte
käme der Baſilisk aus einem Jbisei hervor, das von dem Gifte aller der Schlangen, die der Jbis ver-
zehrte, entſtünde. Krokodile oder Schlangen, von einer Jbisfeder berührt, blieben durch Verzauberung
unbeweglich oder würden augenblicklich getödtet. Zoroaſter, Demokrites und Philo haben
dieſe Märchen fortgepflanzt und hinzugefügt, daß das Leben dieſer göttlichen Vögel von außerordent-
lich langer Dauer, ja daß der Jbis ſogar unſterblich ſei; ſie ſtützten ſich dabei auf die Zeugniſſe der
Prieſter von Hermopolis, welche dem Apion einen Jbis vorgezeigt hätten, der ſo alt geweſen
wäre, daß er nicht mehr ſterben könnte! Die Nahrung des Jbis, wird ferner erzählt, und in viel
ſpäterer Zeit wieder erzählt, beſteht in Schlangen und kriechenden Thieren. „Er hat“, bemerkt
Belon, „eine ſehr heftige Begierde nach Schlangenfleiſch und überhaupt einen Widerwillen gegen alle
kriechenden Thiere, mit denen er den blutigſten Krieg führt, und die er auch, wenn er geſättigt iſt, doch
immer zu tödten ſucht.“ Diodor von Sicilien behauptet, daß der Jbis Tag und Nacht am Ufer
des Waſſers ſpaziere, auf die kriechenden Thiere lauere, ihre Eier aufſuche und nebenbei Käfer und
Heuſchrecken auftreibe. Der Vogel käme ohne Scheu mitten in die Straßen. Nach anderen Schrift-
ſtellern ſoll er ſein Neſt auf Palmenbäume bauen und es mitten zwiſchen den ſtechenden Blättern
anbringen, um es gegen den Angriff ſeiner Feinde, der Katzen, in Sicherheit zu ſetzen. Er ſoll vier
Eier legen und ſich bezüglich der Zahl derſelben nach dem Monde richten, „ad lunae rationem ova
fingit“.
Auch Aelian bringt den Jbis mit dem Monde in Verbindung, ſagt, daß er dem Monde
geweiht ſei, und daß er ebenſoviel Tage zum Ausbrüten ſeiner Jungen gebrauche, als der Stern der
Jſis, um ſeine Wandlungsbahn zu durchlaufen. — Ariſtoteles, der tüchtigſte Naturbeobachter des
grauen Alterthums, ſpottet bereits über mancherlei irrige Vorſtellungen, welche man von dem Jbis
hatte, z. B. darüber, daß er von jungfräulicher Reinheit ſei. Cicero bemerkt über die göttliche
Verehrung des Jbis, daß die Egypter dieſelbe nur ſolchen Thieren zu Theil werden ließen, welche
ihnen wirklich Nutzen verſchafften; Juvenal eifert gegen dieſen Götzendienſt und rechnet den Egyptern
die Verehrung dieſer Vögel geradezu zum Verbrechen an.

Es bleibt fraglich, ob die Egypter den Jbis wirklich wegen der Vertilgung der Schlangen und
Aufreibung anderen Ungeziefers oder wegen ſeines Erſcheinens zur Zeit der Stromſchwelle verehrt
haben. Möglicherweiſe war für ſie die Anmuth, Gemüthlichkeit und Klugheit des Vogels auch ein
Beweggrund mit, ihn hoch zu halten.

Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa) wird als Vertreter einer beſonderen Sippe
angeſehen, als deren Kennzeichen der im Alter nackte Kopf und Hals und die am Ende zerſchliſſenen
Schulterfedern gelten. Das Gefieder iſt der Hauptſache nach weiß, unter den Flügeln gilblich; die
Schwingenſpitzen und die Schulterfedern ſind blaulichſchwarz. Das Auge iſt karminroth, der Schnabel
ſchwarz, der Fuß ſchwarzbraun. Die nackte ſchwarze Haut des Halſes fühlt ſich ſammtig an und
färbt merklich ab. Beim jungen Vogel ſind Kopf und Hals mit dunkelbraunen und ſchwärzlichen,
weißgeränderten Federn bekleidet, die Kehle und die untere Hälfte des Halſes weiß, wie das übrige
Gefieder, mit Ausnahme der ebenfalls ſchwarzgeränderten und ſchwarz zugeſpitzten Schwingen. Nach
der erſten Mauſer erhalten die Jungen die zerſchliſſenen Schulterfedern; Kopf und Hals bleiben aber
noch befiedert: die Kahlheit dieſer Stellen zeigt ſich erſt im dritten Lebensjahre. Bei alten Vögeln
beträgt die Länge 28 bis 29, die Breite 51, die Fittiglänge 13 bis 14, die Schwanzlänge 6 Zoll.

Auffallenderweiſe beſucht der Jbis gegenwärtig Egypten nicht mehr, wenigſtens nicht mehr
regelmäßig; es erſcheint hier zwar zuweilen einer dieſer Vögel, der aber muß als ſeltener Jrrling
angeſehen werden. Als Bote und Verkündiger des ſteigenden Nils tritt er erſt im ſüdlichen Nubien
auf. Unterhalb der Stadt Muchereff (18[°] nördl. Breite) habe ich nie einen beobachtet; ſchon bei

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[659/0699] Heiliger Jbis. einige anführen. Plinius und Galen z. B. ſchreiben dem Jbis die Erfindung des Kliſtirs zu, und Erſterer ſagt: „Dies ſind aber noch nicht alle Sachen, worin der Menſch nur ein Schüler von den Bemühungen der Thiere iſt.“ Nach Plutarch braucht dieſer Jbis zum Kliſtirgeben nur ſalziges Waſſer. Pieräus erzählt ebenfalls wunderbare Dinge von dem Vogel. Nach ſeinem Berichte käme der Baſilisk aus einem Jbisei hervor, das von dem Gifte aller der Schlangen, die der Jbis ver- zehrte, entſtünde. Krokodile oder Schlangen, von einer Jbisfeder berührt, blieben durch Verzauberung unbeweglich oder würden augenblicklich getödtet. Zoroaſter, Demokrites und Philo haben dieſe Märchen fortgepflanzt und hinzugefügt, daß das Leben dieſer göttlichen Vögel von außerordent- lich langer Dauer, ja daß der Jbis ſogar unſterblich ſei; ſie ſtützten ſich dabei auf die Zeugniſſe der Prieſter von Hermopolis, welche dem Apion einen Jbis vorgezeigt hätten, der ſo alt geweſen wäre, daß er nicht mehr ſterben könnte! Die Nahrung des Jbis, wird ferner erzählt, und in viel ſpäterer Zeit wieder erzählt, beſteht in Schlangen und kriechenden Thieren. „Er hat“, bemerkt Belon, „eine ſehr heftige Begierde nach Schlangenfleiſch und überhaupt einen Widerwillen gegen alle kriechenden Thiere, mit denen er den blutigſten Krieg führt, und die er auch, wenn er geſättigt iſt, doch immer zu tödten ſucht.“ Diodor von Sicilien behauptet, daß der Jbis Tag und Nacht am Ufer des Waſſers ſpaziere, auf die kriechenden Thiere lauere, ihre Eier aufſuche und nebenbei Käfer und Heuſchrecken auftreibe. Der Vogel käme ohne Scheu mitten in die Straßen. Nach anderen Schrift- ſtellern ſoll er ſein Neſt auf Palmenbäume bauen und es mitten zwiſchen den ſtechenden Blättern anbringen, um es gegen den Angriff ſeiner Feinde, der Katzen, in Sicherheit zu ſetzen. Er ſoll vier Eier legen und ſich bezüglich der Zahl derſelben nach dem Monde richten, „ad lunae rationem ova fingit“. Auch Aelian bringt den Jbis mit dem Monde in Verbindung, ſagt, daß er dem Monde geweiht ſei, und daß er ebenſoviel Tage zum Ausbrüten ſeiner Jungen gebrauche, als der Stern der Jſis, um ſeine Wandlungsbahn zu durchlaufen. — Ariſtoteles, der tüchtigſte Naturbeobachter des grauen Alterthums, ſpottet bereits über mancherlei irrige Vorſtellungen, welche man von dem Jbis hatte, z. B. darüber, daß er von jungfräulicher Reinheit ſei. Cicero bemerkt über die göttliche Verehrung des Jbis, daß die Egypter dieſelbe nur ſolchen Thieren zu Theil werden ließen, welche ihnen wirklich Nutzen verſchafften; Juvenal eifert gegen dieſen Götzendienſt und rechnet den Egyptern die Verehrung dieſer Vögel geradezu zum Verbrechen an. Es bleibt fraglich, ob die Egypter den Jbis wirklich wegen der Vertilgung der Schlangen und Aufreibung anderen Ungeziefers oder wegen ſeines Erſcheinens zur Zeit der Stromſchwelle verehrt haben. Möglicherweiſe war für ſie die Anmuth, Gemüthlichkeit und Klugheit des Vogels auch ein Beweggrund mit, ihn hoch zu halten. Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa) wird als Vertreter einer beſonderen Sippe angeſehen, als deren Kennzeichen der im Alter nackte Kopf und Hals und die am Ende zerſchliſſenen Schulterfedern gelten. Das Gefieder iſt der Hauptſache nach weiß, unter den Flügeln gilblich; die Schwingenſpitzen und die Schulterfedern ſind blaulichſchwarz. Das Auge iſt karminroth, der Schnabel ſchwarz, der Fuß ſchwarzbraun. Die nackte ſchwarze Haut des Halſes fühlt ſich ſammtig an und färbt merklich ab. Beim jungen Vogel ſind Kopf und Hals mit dunkelbraunen und ſchwärzlichen, weißgeränderten Federn bekleidet, die Kehle und die untere Hälfte des Halſes weiß, wie das übrige Gefieder, mit Ausnahme der ebenfalls ſchwarzgeränderten und ſchwarz zugeſpitzten Schwingen. Nach der erſten Mauſer erhalten die Jungen die zerſchliſſenen Schulterfedern; Kopf und Hals bleiben aber noch befiedert: die Kahlheit dieſer Stellen zeigt ſich erſt im dritten Lebensjahre. Bei alten Vögeln beträgt die Länge 28 bis 29, die Breite 51, die Fittiglänge 13 bis 14, die Schwanzlänge 6 Zoll. Auffallenderweiſe beſucht der Jbis gegenwärtig Egypten nicht mehr, wenigſtens nicht mehr regelmäßig; es erſcheint hier zwar zuweilen einer dieſer Vögel, der aber muß als ſeltener Jrrling angeſehen werden. Als Bote und Verkündiger des ſteigenden Nils tritt er erſt im ſüdlichen Nubien auf. Unterhalb der Stadt Muchereff (18° nördl. Breite) habe ich nie einen beobachtet; ſchon bei 42*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/699>, abgerufen am 16.07.2024.