Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Läufer. Stelzvögel. Jbisse.
Charthum aber brüten einige Paare, und weiter südlich gehört er zu den gewöhnlichen Erscheinungen.
Jm Sudahn trifft er mit Beginn der Regenzeit, also Mitte oder Ende Julis ein, brütet und ver-
schwindet mit seinen Jungen nach drei oder vier Monaten wieder, scheint aber nicht weit zu ziehen,
vielleicht nur zu streichen. Sofort nach seiner Ankunft im Lande bezieht er seine stets äußerst sorg-
fältig gewählten Brutplätze. Von ihnen aus unternimmt er längere oder kürzere Ausflüge, um
Nahrung zu suchen. Man sieht ihn paar- oder gesellschaftsweise in der Steppe umherlaufen und hier
Heuschrecken fangen, bemerkt ihn an den Ufern der Ströme oder Regenteiche und recht häufig auch,
meist in Gesellschaft des kleinen Kuhreihers, unter Viehherden, unbekümmert um deren Hirten, wie
überhaupt um die Eingebornen, gegen welche er nicht die geringste Furcht zeigt. Seine Haltung ist
[Abbildung] Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa). [ 1/5 ] der nat. Größe.
würdevoll, der Gang gemessen, nur schreitend, nie rennend, der Flug sehr leicht und schön, dem des
braunen Sichlers ähnlich, die Stimme der Alten ein wenig hörbares "Krah" oder "Gah". Die
geistigen Fähigkeiten werden schwerlich von irgend einem anderen Sumpfvogel übertroffen.

Auf einer Reise in die Urwälder des blauen Flusses, welche ich auf diesem selbst zurücklegte, traf
ich am 16. und 17. September eine solche Menge der heiligen Vögel an, daß wir in der kurzen Zeit
von zwei Tagen über zwanzig Stück erbeuten konnten. Flug auf Flug kam von dem gegenüber-
liegenden Walde herübergezogen, um in der Steppe Heuschrecken, welche gegenwärtig die ausschließ-
liche Nahrung ausmachten, zu fangen. Nachdem ich aus einem der vorüberziehenden Flüge erst einen
Jbis herabgeschossen hatte, wurde es mir nicht schwer, andere zu erbeuten. Auf Anrathen meines braunen

Die Läufer. Stelzvögel. Jbiſſe.
Charthum aber brüten einige Paare, und weiter ſüdlich gehört er zu den gewöhnlichen Erſcheinungen.
Jm Sudahn trifft er mit Beginn der Regenzeit, alſo Mitte oder Ende Julis ein, brütet und ver-
ſchwindet mit ſeinen Jungen nach drei oder vier Monaten wieder, ſcheint aber nicht weit zu ziehen,
vielleicht nur zu ſtreichen. Sofort nach ſeiner Ankunft im Lande bezieht er ſeine ſtets äußerſt ſorg-
fältig gewählten Brutplätze. Von ihnen aus unternimmt er längere oder kürzere Ausflüge, um
Nahrung zu ſuchen. Man ſieht ihn paar- oder geſellſchaftsweiſe in der Steppe umherlaufen und hier
Heuſchrecken fangen, bemerkt ihn an den Ufern der Ströme oder Regenteiche und recht häufig auch,
meiſt in Geſellſchaft des kleinen Kuhreihers, unter Viehherden, unbekümmert um deren Hirten, wie
überhaupt um die Eingebornen, gegen welche er nicht die geringſte Furcht zeigt. Seine Haltung iſt
[Abbildung] Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa). [⅕] der nat. Größe.
würdevoll, der Gang gemeſſen, nur ſchreitend, nie rennend, der Flug ſehr leicht und ſchön, dem des
braunen Sichlers ähnlich, die Stimme der Alten ein wenig hörbares „Krah“ oder „Gah“. Die
geiſtigen Fähigkeiten werden ſchwerlich von irgend einem anderen Sumpfvogel übertroffen.

Auf einer Reiſe in die Urwälder des blauen Fluſſes, welche ich auf dieſem ſelbſt zurücklegte, traf
ich am 16. und 17. September eine ſolche Menge der heiligen Vögel an, daß wir in der kurzen Zeit
von zwei Tagen über zwanzig Stück erbeuten konnten. Flug auf Flug kam von dem gegenüber-
liegenden Walde herübergezogen, um in der Steppe Heuſchrecken, welche gegenwärtig die ausſchließ-
liche Nahrung ausmachten, zu fangen. Nachdem ich aus einem der vorüberziehenden Flüge erſt einen
Jbis herabgeſchoſſen hatte, wurde es mir nicht ſchwer, andere zu erbeuten. Auf Anrathen meines braunen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0700" n="660"/><fw place="top" type="header">Die Läufer. Stelzvögel. Jbi&#x017F;&#x017F;e.</fw><lb/>
Charthum aber brüten einige Paare, und weiter &#x017F;üdlich gehört er zu den gewöhnlichen Er&#x017F;cheinungen.<lb/>
Jm Sudahn trifft er mit Beginn der Regenzeit, al&#x017F;o Mitte oder Ende Julis ein, brütet und ver-<lb/>
&#x017F;chwindet mit &#x017F;einen Jungen nach drei oder vier Monaten wieder, &#x017F;cheint aber nicht weit zu ziehen,<lb/>
vielleicht nur zu &#x017F;treichen. Sofort nach &#x017F;einer Ankunft im Lande bezieht er &#x017F;eine &#x017F;tets äußer&#x017F;t &#x017F;org-<lb/>
fältig gewählten Brutplätze. Von ihnen aus unternimmt er längere oder kürzere Ausflüge, um<lb/>
Nahrung zu &#x017F;uchen. Man &#x017F;ieht ihn paar- oder ge&#x017F;ell&#x017F;chaftswei&#x017F;e in der Steppe umherlaufen und hier<lb/>
Heu&#x017F;chrecken fangen, bemerkt ihn an den Ufern der Ströme oder Regenteiche und recht häufig auch,<lb/>
mei&#x017F;t in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft des kleinen Kuhreihers, unter Viehherden, unbekümmert um deren Hirten, wie<lb/>
überhaupt um die Eingebornen, gegen welche er nicht die gering&#x017F;te Furcht zeigt. Seine Haltung i&#x017F;t<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der heilige Jbis</hi> (<hi rendition="#aq">Threskiornis religiosa</hi>). <supplied>&#x2155;</supplied> der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/>
würdevoll, der Gang geme&#x017F;&#x017F;en, nur &#x017F;chreitend, nie rennend, der Flug &#x017F;ehr leicht und &#x017F;chön, dem des<lb/>
braunen Sichlers ähnlich, die Stimme der Alten ein wenig hörbares &#x201E;Krah&#x201C; oder &#x201E;Gah&#x201C;. Die<lb/>
gei&#x017F;tigen Fähigkeiten werden &#x017F;chwerlich von irgend einem anderen Sumpfvogel übertroffen.</p><lb/>
          <p>Auf einer Rei&#x017F;e in die Urwälder des blauen Flu&#x017F;&#x017F;es, welche ich auf die&#x017F;em &#x017F;elb&#x017F;t zurücklegte, traf<lb/>
ich am 16. und 17. September eine &#x017F;olche Menge der heiligen Vögel an, daß wir in der kurzen Zeit<lb/>
von zwei Tagen über zwanzig Stück erbeuten konnten. Flug auf Flug kam von dem gegenüber-<lb/>
liegenden Walde herübergezogen, um in der Steppe Heu&#x017F;chrecken, welche gegenwärtig die aus&#x017F;chließ-<lb/>
liche Nahrung ausmachten, zu fangen. Nachdem ich aus einem der vorüberziehenden Flüge er&#x017F;t einen<lb/>
Jbis herabge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en hatte, wurde es mir nicht &#x017F;chwer, andere zu erbeuten. Auf Anrathen meines braunen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[660/0700] Die Läufer. Stelzvögel. Jbiſſe. Charthum aber brüten einige Paare, und weiter ſüdlich gehört er zu den gewöhnlichen Erſcheinungen. Jm Sudahn trifft er mit Beginn der Regenzeit, alſo Mitte oder Ende Julis ein, brütet und ver- ſchwindet mit ſeinen Jungen nach drei oder vier Monaten wieder, ſcheint aber nicht weit zu ziehen, vielleicht nur zu ſtreichen. Sofort nach ſeiner Ankunft im Lande bezieht er ſeine ſtets äußerſt ſorg- fältig gewählten Brutplätze. Von ihnen aus unternimmt er längere oder kürzere Ausflüge, um Nahrung zu ſuchen. Man ſieht ihn paar- oder geſellſchaftsweiſe in der Steppe umherlaufen und hier Heuſchrecken fangen, bemerkt ihn an den Ufern der Ströme oder Regenteiche und recht häufig auch, meiſt in Geſellſchaft des kleinen Kuhreihers, unter Viehherden, unbekümmert um deren Hirten, wie überhaupt um die Eingebornen, gegen welche er nicht die geringſte Furcht zeigt. Seine Haltung iſt [Abbildung Der heilige Jbis (Threskiornis religiosa). ⅕ der nat. Größe.] würdevoll, der Gang gemeſſen, nur ſchreitend, nie rennend, der Flug ſehr leicht und ſchön, dem des braunen Sichlers ähnlich, die Stimme der Alten ein wenig hörbares „Krah“ oder „Gah“. Die geiſtigen Fähigkeiten werden ſchwerlich von irgend einem anderen Sumpfvogel übertroffen. Auf einer Reiſe in die Urwälder des blauen Fluſſes, welche ich auf dieſem ſelbſt zurücklegte, traf ich am 16. und 17. September eine ſolche Menge der heiligen Vögel an, daß wir in der kurzen Zeit von zwei Tagen über zwanzig Stück erbeuten konnten. Flug auf Flug kam von dem gegenüber- liegenden Walde herübergezogen, um in der Steppe Heuſchrecken, welche gegenwärtig die ausſchließ- liche Nahrung ausmachten, zu fangen. Nachdem ich aus einem der vorüberziehenden Flüge erſt einen Jbis herabgeſchoſſen hatte, wurde es mir nicht ſchwer, andere zu erbeuten. Auf Anrathen meines braunen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/700
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/700>, abgerufen am 16.07.2024.