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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Smaragd- und Zauneidechse.
Männchen die Nebenbuhler aus dem Felde geschlagen, so nähert es sich, nach Glückselig's
Beobachtungen, dem Weibchen in hoch aufgerichteter Stellung mit an der Wurzel bogenförmig
gekrümmtem Schwanze, umgeht dasselbe und wird zu weiterem Vorgehen ermuthigt, wenn das
Weibchen sich schlängelnd und zappelnd bewegt und damit seine Willfährigkeit bekundet. Es ergreift
hierauf mit dem Kiefer das Weibchen oberhalb der Hinterfüße und drückt so den Leib desselben ziemlich
stark zusammen, hebt und dreht es halb gegen sich um, stülpt durch den Druck und die Verdrehung
des Körpers die Kloake heraus, setzt einen Fuß über den Rücken weg und drückt seine Geschlechtstheile
fest gegen die des Weibchens. Beide bleiben etwa drei Minuten unbeweglich verbunden, das
Männchen öffnet dann die Kiefer und läßt das Weibchen frei, welches letztere sich schnell entfernt.
Die Begattung wird mehrmals im Laufe des Tages vollzogen; an ein Eheleben aber ist nicht zu
denken, da sich ein Männchen mit mehreren Weibchen und ein Weibchen mit mehreren Männchen
begattet. Etwa vier Wochen nach der ersten Begattung legt das Weibchen, nach Tschudi's
Behauptung gewöhnlich des Nachts (?), seine sechs bis acht Eier, bohnengroße, länglichrunde Gebilde
von schmuzigweißer Färbung, welche je nach des Ortes Gelegenheit untergebracht werden, da man
sie nicht blos an sonnenreichen Orten im Sande oder zwischen Steinen, sondern auch im Mose,
mitten in den Haufen der großen schwarzen Ameisen, welche sie nicht berühren, und an ähnlichen
Orten findet. Bedingung zu ihrem Gedeihen ist feuchte Umgebung; an der Luft trocknen sie sehr
bald ein. Man sagt, daß sie die Fähigkeit haben, Nachts schwach zu leuchten. Die Jungen schlüpfen
im August oder September aus, sind vom ersten Tage ihres Lebens an ebenso bewegungsfähig als
die Alten, häuten sich noch im ersten Herbste und suchen sich hierauf einen Schlupfwinkel, um Winter-
schlaf zu halten.

Die älteren Thiere hänten sich im Laufe des Sommers mehrmals zu unbestimmter Zeit, je
stärker und größer sie sind, um so öfterer. Vorher löst sich die alte Haut theilweise ab und wird
durch Reiben an Steinen, Wurzeln, Grashalmen und dergl. vollends entfernt. Bei schwächeren
Thieren beansprucht die Häutung oft acht Tage; bei gesunden und starken ist sie gewöhnlich schon in
zwei Tagen beendet.

Unsere harmlosen Eidechsen haben sehr viele Feinde. Alle die oben genannten Raubthiere
bedrohen sie fortwährend: daher denn auch ihre Vorsicht und Scheu. Wahrhaft sinnlose Furcht
scheinen ihnen die Schlangen einzuflößen: beim Anblick derselben fliehen sie so eilig als möglich, und
wenn sie es nicht können, bleiben sie unbeweglich mit geschlossenen Augen auf einer und derselben
Stelle sitzen, scheinbar starr vor Entsetzen. Uebrigens haben sie auch alle Ursache, sich vor ihren
Klassenverwandten zu fürchten; da einzelne Schlangenarten sich fast ausschließlich von Eidechsen
ernähren und diese dem Giftzahne der Viper und Verwandten fast ebenso schnell als ein warmblütiges
Thier erliegen. Die Lebenszähigkeit der Echsen ist überhaupt bei weitem nicht so groß als die anderer
Kriechthiere. Der abgehauene Kopf stirbt in wenigen Augenblicken ab, und die lebhafte Bewegung
des Leibes nach der Enthauptung, sowie die der einzelnen, abgeschnittenen Stücke des Leibes scheint
sich nicht auf die Selbständigkeit des Nervensystems und dessen Unabhängigkeit vom Gehirn, vielmehr
auf eine eigenthümliche Beschaffenheit der Nerven selbst zu gründen. Die schwächsten thierischen
Gifte tödten bald und sicher die stärksten Eidechsen; schon die milchige Flüssigkeit der Schleimdrüsen
einer Kröte genügt, sie umzubringen. Mineralischen und pflanzlichen Giften trotzen sie länger: eine
Katze stirbt an einer zwanzigfach geringeren Gabe von Blausäure und in viel kürzerer Zeit als sie.
Unter den pflanzlichen Giften scheint Nikotin am schnellsten verderblich zu werden: eine ihnen in das
Maul gestopfte Priese Schnupftabak oder einige Tropfen Tabakssaft tödten sie sehr schnell. Auch
den Wirkungen ungünstiger Witterung erliegen sie eher als die übrigen Kriechthiere: sie beweisen,
daß sie die höchststehenden Glieder dieser Klasse sind.

Gefangene Eidechsen gewähren Vergnügen und haben deshalb auch viele Liebhaber und Lieb-
haberinnen. Wenn man es recht anfängt, kann man sich leicht jede erwünschte Anzahl verschaffen,
im entgegengesetzten Falle sich tagelang abmühen, ehe man eine einzige erhält; denn der Fang dieser

Smaragd- und Zauneidechſe.
Männchen die Nebenbuhler aus dem Felde geſchlagen, ſo nähert es ſich, nach Glückſelig’s
Beobachtungen, dem Weibchen in hoch aufgerichteter Stellung mit an der Wurzel bogenförmig
gekrümmtem Schwanze, umgeht daſſelbe und wird zu weiterem Vorgehen ermuthigt, wenn das
Weibchen ſich ſchlängelnd und zappelnd bewegt und damit ſeine Willfährigkeit bekundet. Es ergreift
hierauf mit dem Kiefer das Weibchen oberhalb der Hinterfüße und drückt ſo den Leib deſſelben ziemlich
ſtark zuſammen, hebt und dreht es halb gegen ſich um, ſtülpt durch den Druck und die Verdrehung
des Körpers die Kloake heraus, ſetzt einen Fuß über den Rücken weg und drückt ſeine Geſchlechtstheile
feſt gegen die des Weibchens. Beide bleiben etwa drei Minuten unbeweglich verbunden, das
Männchen öffnet dann die Kiefer und läßt das Weibchen frei, welches letztere ſich ſchnell entfernt.
Die Begattung wird mehrmals im Laufe des Tages vollzogen; an ein Eheleben aber iſt nicht zu
denken, da ſich ein Männchen mit mehreren Weibchen und ein Weibchen mit mehreren Männchen
begattet. Etwa vier Wochen nach der erſten Begattung legt das Weibchen, nach Tſchudi’s
Behauptung gewöhnlich des Nachts (?), ſeine ſechs bis acht Eier, bohnengroße, länglichrunde Gebilde
von ſchmuzigweißer Färbung, welche je nach des Ortes Gelegenheit untergebracht werden, da man
ſie nicht blos an ſonnenreichen Orten im Sande oder zwiſchen Steinen, ſondern auch im Moſe,
mitten in den Haufen der großen ſchwarzen Ameiſen, welche ſie nicht berühren, und an ähnlichen
Orten findet. Bedingung zu ihrem Gedeihen iſt feuchte Umgebung; an der Luft trocknen ſie ſehr
bald ein. Man ſagt, daß ſie die Fähigkeit haben, Nachts ſchwach zu leuchten. Die Jungen ſchlüpfen
im Auguſt oder September aus, ſind vom erſten Tage ihres Lebens an ebenſo bewegungsfähig als
die Alten, häuten ſich noch im erſten Herbſte und ſuchen ſich hierauf einen Schlupfwinkel, um Winter-
ſchlaf zu halten.

Die älteren Thiere hänten ſich im Laufe des Sommers mehrmals zu unbeſtimmter Zeit, je
ſtärker und größer ſie ſind, um ſo öfterer. Vorher löſt ſich die alte Haut theilweiſe ab und wird
durch Reiben an Steinen, Wurzeln, Grashalmen und dergl. vollends entfernt. Bei ſchwächeren
Thieren beanſprucht die Häutung oft acht Tage; bei geſunden und ſtarken iſt ſie gewöhnlich ſchon in
zwei Tagen beendet.

Unſere harmloſen Eidechſen haben ſehr viele Feinde. Alle die oben genannten Raubthiere
bedrohen ſie fortwährend: daher denn auch ihre Vorſicht und Scheu. Wahrhaft ſinnloſe Furcht
ſcheinen ihnen die Schlangen einzuflößen: beim Anblick derſelben fliehen ſie ſo eilig als möglich, und
wenn ſie es nicht können, bleiben ſie unbeweglich mit geſchloſſenen Augen auf einer und derſelben
Stelle ſitzen, ſcheinbar ſtarr vor Entſetzen. Uebrigens haben ſie auch alle Urſache, ſich vor ihren
Klaſſenverwandten zu fürchten; da einzelne Schlangenarten ſich faſt ausſchließlich von Eidechſen
ernähren und dieſe dem Giftzahne der Viper und Verwandten faſt ebenſo ſchnell als ein warmblütiges
Thier erliegen. Die Lebenszähigkeit der Echſen iſt überhaupt bei weitem nicht ſo groß als die anderer
Kriechthiere. Der abgehauene Kopf ſtirbt in wenigen Augenblicken ab, und die lebhafte Bewegung
des Leibes nach der Enthauptung, ſowie die der einzelnen, abgeſchnittenen Stücke des Leibes ſcheint
ſich nicht auf die Selbſtändigkeit des Nervenſyſtems und deſſen Unabhängigkeit vom Gehirn, vielmehr
auf eine eigenthümliche Beſchaffenheit der Nerven ſelbſt zu gründen. Die ſchwächſten thieriſchen
Gifte tödten bald und ſicher die ſtärkſten Eidechſen; ſchon die milchige Flüſſigkeit der Schleimdrüſen
einer Kröte genügt, ſie umzubringen. Mineraliſchen und pflanzlichen Giften trotzen ſie länger: eine
Katze ſtirbt an einer zwanzigfach geringeren Gabe von Blauſäure und in viel kürzerer Zeit als ſie.
Unter den pflanzlichen Giften ſcheint Nikotin am ſchnellſten verderblich zu werden: eine ihnen in das
Maul geſtopfte Prieſe Schnupftabak oder einige Tropfen Tabaksſaft tödten ſie ſehr ſchnell. Auch
den Wirkungen ungünſtiger Witterung erliegen ſie eher als die übrigen Kriechthiere: ſie beweiſen,
daß ſie die höchſtſtehenden Glieder dieſer Klaſſe ſind.

Gefangene Eidechſen gewähren Vergnügen und haben deshalb auch viele Liebhaber und Lieb-
haberinnen. Wenn man es recht anfängt, kann man ſich leicht jede erwünſchte Anzahl verſchaffen,
im entgegengeſetzten Falle ſich tagelang abmühen, ehe man eine einzige erhält; denn der Fang dieſer

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[111/0127] Smaragd- und Zauneidechſe. Männchen die Nebenbuhler aus dem Felde geſchlagen, ſo nähert es ſich, nach Glückſelig’s Beobachtungen, dem Weibchen in hoch aufgerichteter Stellung mit an der Wurzel bogenförmig gekrümmtem Schwanze, umgeht daſſelbe und wird zu weiterem Vorgehen ermuthigt, wenn das Weibchen ſich ſchlängelnd und zappelnd bewegt und damit ſeine Willfährigkeit bekundet. Es ergreift hierauf mit dem Kiefer das Weibchen oberhalb der Hinterfüße und drückt ſo den Leib deſſelben ziemlich ſtark zuſammen, hebt und dreht es halb gegen ſich um, ſtülpt durch den Druck und die Verdrehung des Körpers die Kloake heraus, ſetzt einen Fuß über den Rücken weg und drückt ſeine Geſchlechtstheile feſt gegen die des Weibchens. Beide bleiben etwa drei Minuten unbeweglich verbunden, das Männchen öffnet dann die Kiefer und läßt das Weibchen frei, welches letztere ſich ſchnell entfernt. Die Begattung wird mehrmals im Laufe des Tages vollzogen; an ein Eheleben aber iſt nicht zu denken, da ſich ein Männchen mit mehreren Weibchen und ein Weibchen mit mehreren Männchen begattet. Etwa vier Wochen nach der erſten Begattung legt das Weibchen, nach Tſchudi’s Behauptung gewöhnlich des Nachts (?), ſeine ſechs bis acht Eier, bohnengroße, länglichrunde Gebilde von ſchmuzigweißer Färbung, welche je nach des Ortes Gelegenheit untergebracht werden, da man ſie nicht blos an ſonnenreichen Orten im Sande oder zwiſchen Steinen, ſondern auch im Moſe, mitten in den Haufen der großen ſchwarzen Ameiſen, welche ſie nicht berühren, und an ähnlichen Orten findet. Bedingung zu ihrem Gedeihen iſt feuchte Umgebung; an der Luft trocknen ſie ſehr bald ein. Man ſagt, daß ſie die Fähigkeit haben, Nachts ſchwach zu leuchten. Die Jungen ſchlüpfen im Auguſt oder September aus, ſind vom erſten Tage ihres Lebens an ebenſo bewegungsfähig als die Alten, häuten ſich noch im erſten Herbſte und ſuchen ſich hierauf einen Schlupfwinkel, um Winter- ſchlaf zu halten. Die älteren Thiere hänten ſich im Laufe des Sommers mehrmals zu unbeſtimmter Zeit, je ſtärker und größer ſie ſind, um ſo öfterer. Vorher löſt ſich die alte Haut theilweiſe ab und wird durch Reiben an Steinen, Wurzeln, Grashalmen und dergl. vollends entfernt. Bei ſchwächeren Thieren beanſprucht die Häutung oft acht Tage; bei geſunden und ſtarken iſt ſie gewöhnlich ſchon in zwei Tagen beendet. Unſere harmloſen Eidechſen haben ſehr viele Feinde. Alle die oben genannten Raubthiere bedrohen ſie fortwährend: daher denn auch ihre Vorſicht und Scheu. Wahrhaft ſinnloſe Furcht ſcheinen ihnen die Schlangen einzuflößen: beim Anblick derſelben fliehen ſie ſo eilig als möglich, und wenn ſie es nicht können, bleiben ſie unbeweglich mit geſchloſſenen Augen auf einer und derſelben Stelle ſitzen, ſcheinbar ſtarr vor Entſetzen. Uebrigens haben ſie auch alle Urſache, ſich vor ihren Klaſſenverwandten zu fürchten; da einzelne Schlangenarten ſich faſt ausſchließlich von Eidechſen ernähren und dieſe dem Giftzahne der Viper und Verwandten faſt ebenſo ſchnell als ein warmblütiges Thier erliegen. Die Lebenszähigkeit der Echſen iſt überhaupt bei weitem nicht ſo groß als die anderer Kriechthiere. Der abgehauene Kopf ſtirbt in wenigen Augenblicken ab, und die lebhafte Bewegung des Leibes nach der Enthauptung, ſowie die der einzelnen, abgeſchnittenen Stücke des Leibes ſcheint ſich nicht auf die Selbſtändigkeit des Nervenſyſtems und deſſen Unabhängigkeit vom Gehirn, vielmehr auf eine eigenthümliche Beſchaffenheit der Nerven ſelbſt zu gründen. Die ſchwächſten thieriſchen Gifte tödten bald und ſicher die ſtärkſten Eidechſen; ſchon die milchige Flüſſigkeit der Schleimdrüſen einer Kröte genügt, ſie umzubringen. Mineraliſchen und pflanzlichen Giften trotzen ſie länger: eine Katze ſtirbt an einer zwanzigfach geringeren Gabe von Blauſäure und in viel kürzerer Zeit als ſie. Unter den pflanzlichen Giften ſcheint Nikotin am ſchnellſten verderblich zu werden: eine ihnen in das Maul geſtopfte Prieſe Schnupftabak oder einige Tropfen Tabaksſaft tödten ſie ſehr ſchnell. Auch den Wirkungen ungünſtiger Witterung erliegen ſie eher als die übrigen Kriechthiere: ſie beweiſen, daß ſie die höchſtſtehenden Glieder dieſer Klaſſe ſind. Gefangene Eidechſen gewähren Vergnügen und haben deshalb auch viele Liebhaber und Lieb- haberinnen. Wenn man es recht anfängt, kann man ſich leicht jede erwünſchte Anzahl verſchaffen, im entgegengeſetzten Falle ſich tagelang abmühen, ehe man eine einzige erhält; denn der Fang dieſer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/127>, abgerufen am 22.12.2024.