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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Lebensweise der Haftzeher.
sodaß die Regenbogenhaut zu beiden Seiten nur noch als ein feiner Rand sichtbar bleibt, oben und
unten aber sogut als vollständig verschwindet."

Um andere Kriechthiere oder Wirbelthiere überhaupt bekümmert sich der Geko nur insofern, als
er in jedem stärkeren Geschöpfe einen Feind vermuthet. Jn Südeuropa hält es ziemlich schwer,
Haftzeher zu beobachten, wahrscheinlich deshalb, weil sie hier fast überall unnützer Weise verfolgt und
geschreckt werden; in Afrika hingegen bekunden sie oft eine wirkliche Menschenfreundlichkeit, d. h. ein
zuthunliches und vertrauenseliges Wesen, welches sehr für sie einnimmt. Aber ebenso, wie
sie es merken, wenn ihnen nachgestellt wird, ebenso lassen sie sich auch an andere Thiere und
selbst an den Menschen gewöhnen und bis zu einem gewissen Grade zähmen. "Jn dem Zimmer, in
welchem die Frauen meiner Familie ihre Abende zubrachten", erzählt Tennent, "hatte sich eines
dieser zahmen und unterhaltenden, kleinen Geschöpfe hinter den Bilderrahmen eingerichtet. Sobald die
Lichter angezündet wurden, erschien der Geko an der Mauer, um die gewohnten Nahrungsbrocken in
Empfang zu nehmen; wenn er aber vernachlässigt wurde, verfehlte er nie, durch ein scharfes, helles
"Tschik, tschik, tschik" die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.... Jn einem Offizierszimmer der
Festung von Kolombo hatte man einen anderen Geko gewöhnt, täglich an die Abendtafel zu kommen.
Er erschien pünktlichst, jederzeit, wenn der Nachtisch aufgetragen wurde. Die Familie verließ ihre
Wohnung auf einige Monate, und ihre Abwesenheit wurde benutzt, das ganze Haus in Ordnung zu
bringen. Man bewarf die Wände, weißte die Decken, trug das Dach ab u. s. w. und Jedermann
nahm natürlich an, daß der kleine Jnwohner durch diese gewaltige Veränderung vertrieben worden
wäre; Dem aber war nicht so. Bei Rückkunft seiner alten Freunde erschien er mit gewohnter
Pünktlichkeit beim ersten Aufdecken des Tischtuches und bettelte wie vormals um Futter."

Solche Beobachtungen, welche Jeder anstellen könnte, sollten, so möchte man meinen, überall für
die harmlosen Thiere einnehmen, -- statt dessen verfolgt und tödtet man sie nutzloser Weise. "An dem
Geko", sagt Lucian Bonaparte mit vollstem Rechte, "sieht man ein deutliches Beispiel von der
Undankbarkeit der Welt. Dieses Thierchen hat kein anderes Bestreben, als die Orte, wo es mit uns
lebt, von Spinnen, Mücken und anderen lästigen Kerbthieren zu reinigen: und für diese Wohlthat
bekommt es keinen anderen Lohn als Verleumdung und Verfolgung!"

Leider hält es sehr schwer, Gekos in enger Gefangenschaft zu halten, noch schwerer, sie, zumal
bei uns zu Lande, zu überwintern. Sie sind äußerst hinfällig. Schon ihr Fang hat seine Schwierig-
keit. Bei Tage gelingt es verhältnißmäßig leicht, sich ihrer zu bemächtigen, vorausgesetzt, daß sie
in einer nahbaren Höhe sitzen; des Nachts hingegen ist an ein Einfangen der behenden Geschöpfe gar
nicht zu denken. Dazu kommt, daß bei einer nur einigermaßen ungeschickten Berührung der Schwanz
abbricht wie Glas. Dies ist nun allerdings kein großer Verlust; denn schon nach wenigen Tagen
sproßt ein neuer hervor, und nach Verlauf von Monatsfrist hat derselbe, wenn auch nicht seine
inneren Wirbel, sodoch ungesähr sein früheres Ansehen wieder erhalten, und der Geko lebt nach wie
zuvor: für den ersten Augenblick aber ist es doch recht unangenehm, das Thier so verstümmelt zu
sehen, und später erschwert es die Behandlung desselben in unglaublicher Weise. Selbst bei der
größten Vorsicht erneuert sich das Mißgeschick; ja, man kann sagen, daß man einen Geko unverletzt
kaum von einem Käfig in den anderen bringen kann. Das Leben im engeren Raume scheint dem
Thiere überdies Sorge und Unruhe zu bereiten: es bleibt immer ängstlich und scheu, und ehe es
gezähmt ist, kommt dann der böse Winter herau, welcher ihm regelmäßig verderblich wird. Dies ist
die Ursache, weshalb man so selten einen Haftzeher im Besitz von Liebhabern zu sehen bekommt.
Später, wenn man auch Kriechthieren und Lurchen größere Aufmerksamkeit zuwenden wird, dürfte
Dies sich ändern; denn in einem wohl eingerichteten Thierhause, in welchem man jahraus, jahrein
eine gleiche Wärme erhalten kann, wird und muß man im Stande sein, auch Gekos zu überwintern.

"Mein Gefangener", schreibt mir mein Bruder, "frißt Fliegen, welche er mit einem jähen
Sprunge erhascht, nachdem er sie längere Zeit beobachtet hat. Mehlwürmer scheinen ihm nicht zu
behagen; bis jetzt wenigstens hat er sie hartnäckig verschmäht. Als beachtenswerth theile ich Dir

Lebensweiſe der Haftzeher.
ſodaß die Regenbogenhaut zu beiden Seiten nur noch als ein feiner Rand ſichtbar bleibt, oben und
unten aber ſogut als vollſtändig verſchwindet.“

Um andere Kriechthiere oder Wirbelthiere überhaupt bekümmert ſich der Geko nur inſofern, als
er in jedem ſtärkeren Geſchöpfe einen Feind vermuthet. Jn Südeuropa hält es ziemlich ſchwer,
Haftzeher zu beobachten, wahrſcheinlich deshalb, weil ſie hier faſt überall unnützer Weiſe verfolgt und
geſchreckt werden; in Afrika hingegen bekunden ſie oft eine wirkliche Menſchenfreundlichkeit, d. h. ein
zuthunliches und vertrauenſeliges Weſen, welches ſehr für ſie einnimmt. Aber ebenſo, wie
ſie es merken, wenn ihnen nachgeſtellt wird, ebenſo laſſen ſie ſich auch an andere Thiere und
ſelbſt an den Menſchen gewöhnen und bis zu einem gewiſſen Grade zähmen. „Jn dem Zimmer, in
welchem die Frauen meiner Familie ihre Abende zubrachten“, erzählt Tennent, „hatte ſich eines
dieſer zahmen und unterhaltenden, kleinen Geſchöpfe hinter den Bilderrahmen eingerichtet. Sobald die
Lichter angezündet wurden, erſchien der Geko an der Mauer, um die gewohnten Nahrungsbrocken in
Empfang zu nehmen; wenn er aber vernachläſſigt wurde, verfehlte er nie, durch ein ſcharfes, helles
„Tſchik, tſchik, tſchik“ die Aufmerkſamkeit auf ſich zu lenken.... Jn einem Offizierszimmer der
Feſtung von Kolombo hatte man einen anderen Geko gewöhnt, täglich an die Abendtafel zu kommen.
Er erſchien pünktlichſt, jederzeit, wenn der Nachtiſch aufgetragen wurde. Die Familie verließ ihre
Wohnung auf einige Monate, und ihre Abweſenheit wurde benutzt, das ganze Haus in Ordnung zu
bringen. Man bewarf die Wände, weißte die Decken, trug das Dach ab u. ſ. w. und Jedermann
nahm natürlich an, daß der kleine Jnwohner durch dieſe gewaltige Veränderung vertrieben worden
wäre; Dem aber war nicht ſo. Bei Rückkunft ſeiner alten Freunde erſchien er mit gewohnter
Pünktlichkeit beim erſten Aufdecken des Tiſchtuches und bettelte wie vormals um Futter.“

Solche Beobachtungen, welche Jeder anſtellen könnte, ſollten, ſo möchte man meinen, überall für
die harmloſen Thiere einnehmen, — ſtatt deſſen verfolgt und tödtet man ſie nutzloſer Weiſe. „An dem
Geko“, ſagt Lucian Bonaparte mit vollſtem Rechte, „ſieht man ein deutliches Beiſpiel von der
Undankbarkeit der Welt. Dieſes Thierchen hat kein anderes Beſtreben, als die Orte, wo es mit uns
lebt, von Spinnen, Mücken und anderen läſtigen Kerbthieren zu reinigen: und für dieſe Wohlthat
bekommt es keinen anderen Lohn als Verleumdung und Verfolgung!“

Leider hält es ſehr ſchwer, Gekos in enger Gefangenſchaft zu halten, noch ſchwerer, ſie, zumal
bei uns zu Lande, zu überwintern. Sie ſind äußerſt hinfällig. Schon ihr Fang hat ſeine Schwierig-
keit. Bei Tage gelingt es verhältnißmäßig leicht, ſich ihrer zu bemächtigen, vorausgeſetzt, daß ſie
in einer nahbaren Höhe ſitzen; des Nachts hingegen iſt an ein Einfangen der behenden Geſchöpfe gar
nicht zu denken. Dazu kommt, daß bei einer nur einigermaßen ungeſchickten Berührung der Schwanz
abbricht wie Glas. Dies iſt nun allerdings kein großer Verluſt; denn ſchon nach wenigen Tagen
ſproßt ein neuer hervor, und nach Verlauf von Monatsfriſt hat derſelbe, wenn auch nicht ſeine
inneren Wirbel, ſodoch ungeſähr ſein früheres Anſehen wieder erhalten, und der Geko lebt nach wie
zuvor: für den erſten Augenblick aber iſt es doch recht unangenehm, das Thier ſo verſtümmelt zu
ſehen, und ſpäter erſchwert es die Behandlung deſſelben in unglaublicher Weiſe. Selbſt bei der
größten Vorſicht erneuert ſich das Mißgeſchick; ja, man kann ſagen, daß man einen Geko unverletzt
kaum von einem Käfig in den anderen bringen kann. Das Leben im engeren Raume ſcheint dem
Thiere überdies Sorge und Unruhe zu bereiten: es bleibt immer ängſtlich und ſcheu, und ehe es
gezähmt iſt, kommt dann der böſe Winter herau, welcher ihm regelmäßig verderblich wird. Dies iſt
die Urſache, weshalb man ſo ſelten einen Haftzeher im Beſitz von Liebhabern zu ſehen bekommt.
Später, wenn man auch Kriechthieren und Lurchen größere Aufmerkſamkeit zuwenden wird, dürfte
Dies ſich ändern; denn in einem wohl eingerichteten Thierhauſe, in welchem man jahraus, jahrein
eine gleiche Wärme erhalten kann, wird und muß man im Stande ſein, auch Gekos zu überwintern.

„Mein Gefangener“, ſchreibt mir mein Bruder, „frißt Fliegen, welche er mit einem jähen
Sprunge erhaſcht, nachdem er ſie längere Zeit beobachtet hat. Mehlwürmer ſcheinen ihm nicht zu
behagen; bis jetzt wenigſtens hat er ſie hartnäckig verſchmäht. Als beachtenswerth theile ich Dir

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[153/0173] Lebensweiſe der Haftzeher. ſodaß die Regenbogenhaut zu beiden Seiten nur noch als ein feiner Rand ſichtbar bleibt, oben und unten aber ſogut als vollſtändig verſchwindet.“ Um andere Kriechthiere oder Wirbelthiere überhaupt bekümmert ſich der Geko nur inſofern, als er in jedem ſtärkeren Geſchöpfe einen Feind vermuthet. Jn Südeuropa hält es ziemlich ſchwer, Haftzeher zu beobachten, wahrſcheinlich deshalb, weil ſie hier faſt überall unnützer Weiſe verfolgt und geſchreckt werden; in Afrika hingegen bekunden ſie oft eine wirkliche Menſchenfreundlichkeit, d. h. ein zuthunliches und vertrauenſeliges Weſen, welches ſehr für ſie einnimmt. Aber ebenſo, wie ſie es merken, wenn ihnen nachgeſtellt wird, ebenſo laſſen ſie ſich auch an andere Thiere und ſelbſt an den Menſchen gewöhnen und bis zu einem gewiſſen Grade zähmen. „Jn dem Zimmer, in welchem die Frauen meiner Familie ihre Abende zubrachten“, erzählt Tennent, „hatte ſich eines dieſer zahmen und unterhaltenden, kleinen Geſchöpfe hinter den Bilderrahmen eingerichtet. Sobald die Lichter angezündet wurden, erſchien der Geko an der Mauer, um die gewohnten Nahrungsbrocken in Empfang zu nehmen; wenn er aber vernachläſſigt wurde, verfehlte er nie, durch ein ſcharfes, helles „Tſchik, tſchik, tſchik“ die Aufmerkſamkeit auf ſich zu lenken.... Jn einem Offizierszimmer der Feſtung von Kolombo hatte man einen anderen Geko gewöhnt, täglich an die Abendtafel zu kommen. Er erſchien pünktlichſt, jederzeit, wenn der Nachtiſch aufgetragen wurde. Die Familie verließ ihre Wohnung auf einige Monate, und ihre Abweſenheit wurde benutzt, das ganze Haus in Ordnung zu bringen. Man bewarf die Wände, weißte die Decken, trug das Dach ab u. ſ. w. und Jedermann nahm natürlich an, daß der kleine Jnwohner durch dieſe gewaltige Veränderung vertrieben worden wäre; Dem aber war nicht ſo. Bei Rückkunft ſeiner alten Freunde erſchien er mit gewohnter Pünktlichkeit beim erſten Aufdecken des Tiſchtuches und bettelte wie vormals um Futter.“ Solche Beobachtungen, welche Jeder anſtellen könnte, ſollten, ſo möchte man meinen, überall für die harmloſen Thiere einnehmen, — ſtatt deſſen verfolgt und tödtet man ſie nutzloſer Weiſe. „An dem Geko“, ſagt Lucian Bonaparte mit vollſtem Rechte, „ſieht man ein deutliches Beiſpiel von der Undankbarkeit der Welt. Dieſes Thierchen hat kein anderes Beſtreben, als die Orte, wo es mit uns lebt, von Spinnen, Mücken und anderen läſtigen Kerbthieren zu reinigen: und für dieſe Wohlthat bekommt es keinen anderen Lohn als Verleumdung und Verfolgung!“ Leider hält es ſehr ſchwer, Gekos in enger Gefangenſchaft zu halten, noch ſchwerer, ſie, zumal bei uns zu Lande, zu überwintern. Sie ſind äußerſt hinfällig. Schon ihr Fang hat ſeine Schwierig- keit. Bei Tage gelingt es verhältnißmäßig leicht, ſich ihrer zu bemächtigen, vorausgeſetzt, daß ſie in einer nahbaren Höhe ſitzen; des Nachts hingegen iſt an ein Einfangen der behenden Geſchöpfe gar nicht zu denken. Dazu kommt, daß bei einer nur einigermaßen ungeſchickten Berührung der Schwanz abbricht wie Glas. Dies iſt nun allerdings kein großer Verluſt; denn ſchon nach wenigen Tagen ſproßt ein neuer hervor, und nach Verlauf von Monatsfriſt hat derſelbe, wenn auch nicht ſeine inneren Wirbel, ſodoch ungeſähr ſein früheres Anſehen wieder erhalten, und der Geko lebt nach wie zuvor: für den erſten Augenblick aber iſt es doch recht unangenehm, das Thier ſo verſtümmelt zu ſehen, und ſpäter erſchwert es die Behandlung deſſelben in unglaublicher Weiſe. Selbſt bei der größten Vorſicht erneuert ſich das Mißgeſchick; ja, man kann ſagen, daß man einen Geko unverletzt kaum von einem Käfig in den anderen bringen kann. Das Leben im engeren Raume ſcheint dem Thiere überdies Sorge und Unruhe zu bereiten: es bleibt immer ängſtlich und ſcheu, und ehe es gezähmt iſt, kommt dann der böſe Winter herau, welcher ihm regelmäßig verderblich wird. Dies iſt die Urſache, weshalb man ſo ſelten einen Haftzeher im Beſitz von Liebhabern zu ſehen bekommt. Später, wenn man auch Kriechthieren und Lurchen größere Aufmerkſamkeit zuwenden wird, dürfte Dies ſich ändern; denn in einem wohl eingerichteten Thierhauſe, in welchem man jahraus, jahrein eine gleiche Wärme erhalten kann, wird und muß man im Stande ſein, auch Gekos zu überwintern. „Mein Gefangener“, ſchreibt mir mein Bruder, „frißt Fliegen, welche er mit einem jähen Sprunge erhaſcht, nachdem er ſie längere Zeit beobachtet hat. Mehlwürmer ſcheinen ihm nicht zu behagen; bis jetzt wenigſtens hat er ſie hartnäckig verſchmäht. Als beachtenswerth theile ich Dir

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/173>, abgerufen am 22.12.2024.