Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Riesennattern. Wassernattern.
Die Panthernatter verbreitet sich über Ostbrasilien und Guyana. Der Prinz von Wied hat sie bei Rio de Janeiro auf den mit Gebüsch bewachsenen Höhen hinter St. Christovan gesehen und später nördlich in Parahyba und bis zum Espirito Santo gefunden, hier nicht selten. Zum Aufenthalte scheint sie vorzüglich Sümpfe und sumpfige, mit Gebüsch bewachsene Triften zu wählen. Sie ist mäßig schnell und erreicht in der Gewandtheit bei weitem nicht andere Arten. Man kann ihr deshalb ohne Mühe ziemlich nah kommen, und sie verräth dann auch kaum ein Zeichen von Unruhe. Kröten und Frösche bilden ihre Nahrung, möglicherweise stellt sie auch Fischen nach, scheint also im wesentlichen die Lebensweise unserer Ringelnatter zu führen.
Zu derselben Sippe zählt man die bekannte Schwarznatter Nordamerikas (Coryphodon constrictor), ein ebenso großes Thier von bläulichschwarzer Färbung, welche auf der Unterseite in Lichtaschgrau und an der Brust in Weißgrau übergeht. Einzelne Stücke ändern insofern ab, als sie oben unregelmäßig dunkler gefleckt sind.
Unter den nordamerikanischen Schlangen ist die Schwarznatter eine der verbreitetsten und häufigsten. Auch sie bevorzugt wasserreiche Gegenden und nimmt ihren Aufenthalt an den Ufern von Flüssen, Teichen oder Seen, insbesondere da, wo Gebüsch mehr oder weniger im Wasser selbst steht; wie unsere Ringelnatter unternimmt jedoch auch sie zuweilen Wanderungen über trockenes Land und wird bei dieser Gelegenheit auf den verschiedenartigsten Oertlichkeiten beobachtet. Wenn man den Berichterstattern in jeder Beziehung glauben darf, übertrifft sie alle ihre Verwandten an Bewegungsfähigkeit und Schnelle. Sie schlängolt sich mit gleicher Gewandtheit über trockenes und steiniges Land, klettert geschickt und deshalb gern im Gezweige der Sträucher und Bäume umher und schwimmt und taucht vorzüglich. Jhre Nahrung besteht aus Fischen, Lurchen, Schlangen, Vögeln und kleinen Säugethieren; namentlich soll sie jungen Klapperschlangen und ebenso Mäusen und Ratten mit Erfolg nachstellen, aber auch viele Nester nützlicher Vögel ausplündern. Hier und da gilt sie als eine der wirksamsten Feinde ihrer gefürchteten Verwandten. Geyer, dessen Beobachtungen über die Klapperschlange wir später kennen lernen werden, hält Letzteres, obgleich er es nicht gesehen, für sehr glaubhaft, weil erwachsene Klapperschlangen die Schwarznatter grimmigst verfolgen. Eine derartige Verfolgung endet immer mit der Flucht der Natter, welche sich durch Klettern auf einen Strauch oder niederen Baum hilft. Beide Schlangen jagen sich in einem Kreise, wenden sich hierauf schnell, schießen an einander vorüber, wiederholen in einer gewissen Entfernung ihr Kreisen und setzen es fort, bis bei der Klapperschlange der höchste Grad von Wuth eingetreten ist, und sie wie blind umhertobt, worauf dann die listige Natter die sichere Höhe besteigt und ihrer rasenden Feindin das Feld überläßt. Jn Folge der unserer Schwarznatter zugeschriebenen Ver- minderung junger Klapperschlangen hält man sie ziemlich allgemein für ein nützliches Thier; gleich- wohl wird sie nicht überall gern gesehen, hier und da sogar gefürchtet, Ersteres wegen ihrer Raubsucht, welche sich auch auf das Hofgeflügel erstreckt, Letzteres wegen einer sonderbaren Angriffs- lust, welche sie zuweilen bethätigt, richtiger vielleicht, bethätigen soll. Schon der alte Kalm erzählt, daß sie während der Paarungszeit wie ein Pfeil aus dem Gebüsche hervorkommt, auf den Menschen zufährt und ihn mit solcher Hurtigkeit verfolgt, daß er kaum entkommen kann. Erreicht sie Einen, so wickelt sie sich um die Füße und macht, daß man umfällt. Das Beste hierbei ist, daß ihr Biß nicht mehr schadet, als wenn man sich mit einem Messer geschnitten hätte. Da sie beim Laufen über abgefallene Blätter ein ähnliches Geräusch hervorbringt wie die rasselnde Klapperschlange, wird sie manchmal mit dieser verwechselt und entsetzt den Menschen, an welchem sie ihren Muthwillen aus- übt, aufs Aeußerste. Die neueren Berichterstatter treten dieser höchst unwahrscheinlichen Angabe auffallender Weise nicht entgegen, und sie spukt deshalb in allen Naturgeschichten umher, ohne auch nur bezweifelt zu werden, wie es doch meiner Ansicht nach unbedingt geschehen muß. Soviel mag richtig sein, daß die Schwarznatter, wenn sie rauben will, mit ziemlicher Eile auf ihr Opfer zustürzt; sie mag auch den ihr beigelegten Namen "Renner" verdienen, d. h. sich durch ungewöhnliche Schnellig-
Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Rieſennattern. Waſſernattern.
Die Panthernatter verbreitet ſich über Oſtbraſilien und Guyana. Der Prinz von Wied hat ſie bei Rio de Janeiro auf den mit Gebüſch bewachſenen Höhen hinter St. Chriſtovan geſehen und ſpäter nördlich in Parahyba und bis zum Eſpirito Santo gefunden, hier nicht ſelten. Zum Aufenthalte ſcheint ſie vorzüglich Sümpfe und ſumpfige, mit Gebüſch bewachſene Triften zu wählen. Sie iſt mäßig ſchnell und erreicht in der Gewandtheit bei weitem nicht andere Arten. Man kann ihr deshalb ohne Mühe ziemlich nah kommen, und ſie verräth dann auch kaum ein Zeichen von Unruhe. Kröten und Fröſche bilden ihre Nahrung, möglicherweiſe ſtellt ſie auch Fiſchen nach, ſcheint alſo im weſentlichen die Lebensweiſe unſerer Ringelnatter zu führen.
Zu derſelben Sippe zählt man die bekannte Schwarznatter Nordamerikas (Coryphodon constrictor), ein ebenſo großes Thier von bläulichſchwarzer Färbung, welche auf der Unterſeite in Lichtaſchgrau und an der Bruſt in Weißgrau übergeht. Einzelne Stücke ändern inſofern ab, als ſie oben unregelmäßig dunkler gefleckt ſind.
Unter den nordamerikaniſchen Schlangen iſt die Schwarznatter eine der verbreitetſten und häufigſten. Auch ſie bevorzugt waſſerreiche Gegenden und nimmt ihren Aufenthalt an den Ufern von Flüſſen, Teichen oder Seen, insbeſondere da, wo Gebüſch mehr oder weniger im Waſſer ſelbſt ſteht; wie unſere Ringelnatter unternimmt jedoch auch ſie zuweilen Wanderungen über trockenes Land und wird bei dieſer Gelegenheit auf den verſchiedenartigſten Oertlichkeiten beobachtet. Wenn man den Berichterſtattern in jeder Beziehung glauben darf, übertrifft ſie alle ihre Verwandten an Bewegungsfähigkeit und Schnelle. Sie ſchlängolt ſich mit gleicher Gewandtheit über trockenes und ſteiniges Land, klettert geſchickt und deshalb gern im Gezweige der Sträucher und Bäume umher und ſchwimmt und taucht vorzüglich. Jhre Nahrung beſteht aus Fiſchen, Lurchen, Schlangen, Vögeln und kleinen Säugethieren; namentlich ſoll ſie jungen Klapperſchlangen und ebenſo Mäuſen und Ratten mit Erfolg nachſtellen, aber auch viele Neſter nützlicher Vögel ausplündern. Hier und da gilt ſie als eine der wirkſamſten Feinde ihrer gefürchteten Verwandten. Geyer, deſſen Beobachtungen über die Klapperſchlange wir ſpäter kennen lernen werden, hält Letzteres, obgleich er es nicht geſehen, für ſehr glaubhaft, weil erwachſene Klapperſchlangen die Schwarznatter grimmigſt verfolgen. Eine derartige Verfolgung endet immer mit der Flucht der Natter, welche ſich durch Klettern auf einen Strauch oder niederen Baum hilft. Beide Schlangen jagen ſich in einem Kreiſe, wenden ſich hierauf ſchnell, ſchießen an einander vorüber, wiederholen in einer gewiſſen Entfernung ihr Kreiſen und ſetzen es fort, bis bei der Klapperſchlange der höchſte Grad von Wuth eingetreten iſt, und ſie wie blind umhertobt, worauf dann die liſtige Natter die ſichere Höhe beſteigt und ihrer raſenden Feindin das Feld überläßt. Jn Folge der unſerer Schwarznatter zugeſchriebenen Ver- minderung junger Klapperſchlangen hält man ſie ziemlich allgemein für ein nützliches Thier; gleich- wohl wird ſie nicht überall gern geſehen, hier und da ſogar gefürchtet, Erſteres wegen ihrer Raubſucht, welche ſich auch auf das Hofgeflügel erſtreckt, Letzteres wegen einer ſonderbaren Angriffs- luſt, welche ſie zuweilen bethätigt, richtiger vielleicht, bethätigen ſoll. Schon der alte Kalm erzählt, daß ſie während der Paarungszeit wie ein Pfeil aus dem Gebüſche hervorkommt, auf den Menſchen zufährt und ihn mit ſolcher Hurtigkeit verfolgt, daß er kaum entkommen kann. Erreicht ſie Einen, ſo wickelt ſie ſich um die Füße und macht, daß man umfällt. Das Beſte hierbei iſt, daß ihr Biß nicht mehr ſchadet, als wenn man ſich mit einem Meſſer geſchnitten hätte. Da ſie beim Laufen über abgefallene Blätter ein ähnliches Geräuſch hervorbringt wie die raſſelnde Klapperſchlange, wird ſie manchmal mit dieſer verwechſelt und entſetzt den Menſchen, an welchem ſie ihren Muthwillen aus- übt, aufs Aeußerſte. Die neueren Berichterſtatter treten dieſer höchſt unwahrſcheinlichen Angabe auffallender Weiſe nicht entgegen, und ſie ſpukt deshalb in allen Naturgeſchichten umher, ohne auch nur bezweifelt zu werden, wie es doch meiner Anſicht nach unbedingt geſchehen muß. Soviel mag richtig ſein, daß die Schwarznatter, wenn ſie rauben will, mit ziemlicher Eile auf ihr Opfer zuſtürzt; ſie mag auch den ihr beigelegten Namen „Renner“ verdienen, d. h. ſich durch ungewöhnliche Schnellig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0238"n="216"/><fwplace="top"type="header">Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Rieſennattern. Waſſernattern.</fw><lb/><p>Die Panthernatter verbreitet ſich über Oſtbraſilien und Guyana. Der <hirendition="#g">Prinz von Wied</hi><lb/>
hat ſie bei Rio de Janeiro auf den mit Gebüſch bewachſenen Höhen hinter St. Chriſtovan geſehen<lb/>
und ſpäter nördlich in Parahyba und bis zum Eſpirito Santo gefunden, hier nicht ſelten. Zum<lb/>
Aufenthalte ſcheint ſie vorzüglich Sümpfe und ſumpfige, mit Gebüſch bewachſene Triften zu wählen.<lb/>
Sie iſt mäßig ſchnell und erreicht in der Gewandtheit bei weitem nicht andere Arten. Man kann ihr<lb/>
deshalb ohne Mühe ziemlich nah kommen, und ſie verräth dann auch kaum ein Zeichen von Unruhe.<lb/>
Kröten und Fröſche bilden ihre Nahrung, möglicherweiſe ſtellt ſie auch Fiſchen nach, ſcheint alſo im<lb/>
weſentlichen die Lebensweiſe unſerer Ringelnatter zu führen.</p><lb/><p>Zu derſelben Sippe zählt man die bekannte <hirendition="#g">Schwarznatter</hi> Nordamerikas <hirendition="#aq">(Coryphodon<lb/>
constrictor),</hi> ein ebenſo großes Thier von bläulichſchwarzer Färbung, welche auf der Unterſeite in<lb/>
Lichtaſchgrau und an der Bruſt in Weißgrau übergeht. Einzelne Stücke ändern inſofern ab, als ſie<lb/>
oben unregelmäßig dunkler gefleckt ſind.</p><lb/><p>Unter den nordamerikaniſchen Schlangen iſt die Schwarznatter eine der verbreitetſten und<lb/>
häufigſten. Auch ſie bevorzugt waſſerreiche Gegenden und nimmt ihren Aufenthalt an den Ufern<lb/>
von Flüſſen, Teichen oder Seen, insbeſondere da, wo Gebüſch mehr oder weniger im Waſſer ſelbſt<lb/>ſteht; wie unſere Ringelnatter unternimmt jedoch auch ſie zuweilen Wanderungen über trockenes Land<lb/>
und wird bei dieſer Gelegenheit auf den verſchiedenartigſten Oertlichkeiten beobachtet. Wenn man<lb/>
den Berichterſtattern in jeder Beziehung glauben darf, übertrifft ſie alle ihre Verwandten an<lb/>
Bewegungsfähigkeit und Schnelle. Sie ſchlängolt ſich mit gleicher Gewandtheit über trockenes und<lb/>ſteiniges Land, klettert geſchickt und deshalb gern im Gezweige der Sträucher und Bäume umher und<lb/>ſchwimmt und taucht vorzüglich. Jhre Nahrung beſteht aus Fiſchen, Lurchen, Schlangen, Vögeln<lb/>
und kleinen Säugethieren; namentlich ſoll ſie jungen Klapperſchlangen und ebenſo Mäuſen und<lb/>
Ratten mit Erfolg nachſtellen, aber auch viele Neſter nützlicher Vögel ausplündern. Hier und da<lb/>
gilt ſie als eine der wirkſamſten Feinde ihrer gefürchteten Verwandten. <hirendition="#g">Geyer,</hi> deſſen Beobachtungen<lb/>
über die Klapperſchlange wir ſpäter kennen lernen werden, hält Letzteres, obgleich er es nicht geſehen,<lb/>
für ſehr glaubhaft, weil erwachſene Klapperſchlangen die Schwarznatter grimmigſt verfolgen. Eine<lb/>
derartige Verfolgung endet immer mit der Flucht der Natter, welche ſich durch Klettern auf einen<lb/>
Strauch oder niederen Baum hilft. Beide Schlangen jagen ſich in einem Kreiſe, wenden ſich<lb/>
hierauf ſchnell, ſchießen an einander vorüber, wiederholen in einer gewiſſen Entfernung ihr Kreiſen<lb/>
und ſetzen es fort, bis bei der Klapperſchlange der höchſte Grad von Wuth eingetreten iſt,<lb/>
und ſie wie blind umhertobt, worauf dann die liſtige Natter die ſichere Höhe beſteigt und ihrer<lb/>
raſenden Feindin das Feld überläßt. Jn Folge der unſerer Schwarznatter zugeſchriebenen Ver-<lb/>
minderung junger Klapperſchlangen hält man ſie ziemlich allgemein für ein nützliches Thier; gleich-<lb/>
wohl wird ſie nicht überall gern geſehen, hier und da ſogar gefürchtet, Erſteres wegen ihrer<lb/>
Raubſucht, welche ſich auch auf das Hofgeflügel erſtreckt, Letzteres wegen einer ſonderbaren Angriffs-<lb/>
luſt, welche ſie zuweilen bethätigt, richtiger vielleicht, bethätigen ſoll. Schon der alte <hirendition="#g">Kalm</hi> erzählt,<lb/>
daß ſie während der Paarungszeit wie ein Pfeil aus dem Gebüſche hervorkommt, auf den Menſchen<lb/>
zufährt und ihn mit ſolcher Hurtigkeit verfolgt, daß er kaum entkommen kann. Erreicht ſie Einen,<lb/>ſo wickelt ſie ſich um die Füße und macht, daß man umfällt. Das Beſte hierbei iſt, daß ihr<lb/>
Biß nicht mehr ſchadet, als wenn man ſich mit einem Meſſer geſchnitten hätte. Da ſie beim Laufen<lb/>
über abgefallene Blätter ein ähnliches Geräuſch hervorbringt wie die raſſelnde Klapperſchlange, wird<lb/>ſie manchmal mit dieſer verwechſelt und entſetzt den Menſchen, an welchem ſie ihren Muthwillen aus-<lb/>
übt, aufs Aeußerſte. Die neueren Berichterſtatter treten dieſer höchſt unwahrſcheinlichen Angabe<lb/>
auffallender Weiſe nicht entgegen, und ſie ſpukt deshalb in allen Naturgeſchichten umher, ohne auch<lb/>
nur bezweifelt zu werden, wie es doch meiner Anſicht nach unbedingt geſchehen muß. Soviel mag<lb/>
richtig ſein, daß die Schwarznatter, wenn ſie rauben will, mit ziemlicher Eile auf ihr Opfer zuſtürzt;<lb/>ſie mag auch den ihr beigelegten Namen „Renner“ verdienen, d. h. ſich durch ungewöhnliche Schnellig-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[216/0238]
Die Schlangen. Stummelfüßler. Nattern. Rieſennattern. Waſſernattern.
Die Panthernatter verbreitet ſich über Oſtbraſilien und Guyana. Der Prinz von Wied
hat ſie bei Rio de Janeiro auf den mit Gebüſch bewachſenen Höhen hinter St. Chriſtovan geſehen
und ſpäter nördlich in Parahyba und bis zum Eſpirito Santo gefunden, hier nicht ſelten. Zum
Aufenthalte ſcheint ſie vorzüglich Sümpfe und ſumpfige, mit Gebüſch bewachſene Triften zu wählen.
Sie iſt mäßig ſchnell und erreicht in der Gewandtheit bei weitem nicht andere Arten. Man kann ihr
deshalb ohne Mühe ziemlich nah kommen, und ſie verräth dann auch kaum ein Zeichen von Unruhe.
Kröten und Fröſche bilden ihre Nahrung, möglicherweiſe ſtellt ſie auch Fiſchen nach, ſcheint alſo im
weſentlichen die Lebensweiſe unſerer Ringelnatter zu führen.
Zu derſelben Sippe zählt man die bekannte Schwarznatter Nordamerikas (Coryphodon
constrictor), ein ebenſo großes Thier von bläulichſchwarzer Färbung, welche auf der Unterſeite in
Lichtaſchgrau und an der Bruſt in Weißgrau übergeht. Einzelne Stücke ändern inſofern ab, als ſie
oben unregelmäßig dunkler gefleckt ſind.
Unter den nordamerikaniſchen Schlangen iſt die Schwarznatter eine der verbreitetſten und
häufigſten. Auch ſie bevorzugt waſſerreiche Gegenden und nimmt ihren Aufenthalt an den Ufern
von Flüſſen, Teichen oder Seen, insbeſondere da, wo Gebüſch mehr oder weniger im Waſſer ſelbſt
ſteht; wie unſere Ringelnatter unternimmt jedoch auch ſie zuweilen Wanderungen über trockenes Land
und wird bei dieſer Gelegenheit auf den verſchiedenartigſten Oertlichkeiten beobachtet. Wenn man
den Berichterſtattern in jeder Beziehung glauben darf, übertrifft ſie alle ihre Verwandten an
Bewegungsfähigkeit und Schnelle. Sie ſchlängolt ſich mit gleicher Gewandtheit über trockenes und
ſteiniges Land, klettert geſchickt und deshalb gern im Gezweige der Sträucher und Bäume umher und
ſchwimmt und taucht vorzüglich. Jhre Nahrung beſteht aus Fiſchen, Lurchen, Schlangen, Vögeln
und kleinen Säugethieren; namentlich ſoll ſie jungen Klapperſchlangen und ebenſo Mäuſen und
Ratten mit Erfolg nachſtellen, aber auch viele Neſter nützlicher Vögel ausplündern. Hier und da
gilt ſie als eine der wirkſamſten Feinde ihrer gefürchteten Verwandten. Geyer, deſſen Beobachtungen
über die Klapperſchlange wir ſpäter kennen lernen werden, hält Letzteres, obgleich er es nicht geſehen,
für ſehr glaubhaft, weil erwachſene Klapperſchlangen die Schwarznatter grimmigſt verfolgen. Eine
derartige Verfolgung endet immer mit der Flucht der Natter, welche ſich durch Klettern auf einen
Strauch oder niederen Baum hilft. Beide Schlangen jagen ſich in einem Kreiſe, wenden ſich
hierauf ſchnell, ſchießen an einander vorüber, wiederholen in einer gewiſſen Entfernung ihr Kreiſen
und ſetzen es fort, bis bei der Klapperſchlange der höchſte Grad von Wuth eingetreten iſt,
und ſie wie blind umhertobt, worauf dann die liſtige Natter die ſichere Höhe beſteigt und ihrer
raſenden Feindin das Feld überläßt. Jn Folge der unſerer Schwarznatter zugeſchriebenen Ver-
minderung junger Klapperſchlangen hält man ſie ziemlich allgemein für ein nützliches Thier; gleich-
wohl wird ſie nicht überall gern geſehen, hier und da ſogar gefürchtet, Erſteres wegen ihrer
Raubſucht, welche ſich auch auf das Hofgeflügel erſtreckt, Letzteres wegen einer ſonderbaren Angriffs-
luſt, welche ſie zuweilen bethätigt, richtiger vielleicht, bethätigen ſoll. Schon der alte Kalm erzählt,
daß ſie während der Paarungszeit wie ein Pfeil aus dem Gebüſche hervorkommt, auf den Menſchen
zufährt und ihn mit ſolcher Hurtigkeit verfolgt, daß er kaum entkommen kann. Erreicht ſie Einen,
ſo wickelt ſie ſich um die Füße und macht, daß man umfällt. Das Beſte hierbei iſt, daß ihr
Biß nicht mehr ſchadet, als wenn man ſich mit einem Meſſer geſchnitten hätte. Da ſie beim Laufen
über abgefallene Blätter ein ähnliches Geräuſch hervorbringt wie die raſſelnde Klapperſchlange, wird
ſie manchmal mit dieſer verwechſelt und entſetzt den Menſchen, an welchem ſie ihren Muthwillen aus-
übt, aufs Aeußerſte. Die neueren Berichterſtatter treten dieſer höchſt unwahrſcheinlichen Angabe
auffallender Weiſe nicht entgegen, und ſie ſpukt deshalb in allen Naturgeſchichten umher, ohne auch
nur bezweifelt zu werden, wie es doch meiner Anſicht nach unbedingt geſchehen muß. Soviel mag
richtig ſein, daß die Schwarznatter, wenn ſie rauben will, mit ziemlicher Eile auf ihr Opfer zuſtürzt;
ſie mag auch den ihr beigelegten Namen „Renner“ verdienen, d. h. ſich durch ungewöhnliche Schnellig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/238>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.