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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Streifennatter. Caninana.
in meine Rocktasche gespieen, und es kostete mir wahrlich keine geringe Anstrengung, diese Tasche von
der lauteren und unlauteren Bescheerung durch Waschen zu säubern, zumal ich nunmehr die jetzt sehr
lebhafte Natter beständig unter dem Fuße halten mußte.

"Jedenfalls bekundete das gedachte Thier, welches sich gegenwärtig noch lebend im Besitze des
Dr. Steindachner am Wiener Museum befindet und mit Behagen Mäuse und Eier frißt, eine List
und Raubfertigkeit, welche vollste Beachtung verdient, umsomehr als sie gleichzeitig die oft ange-
zweifelte Behauptung, daß Schlangen auch Eier plündern, in der unwiderleglichsten Weise bestätigte."



Unter dem Namen Fleckennattern (Spilotes) begründet Wagler eine Schlangensippe, für
welche die nachstehenden Merkmale gelten: Der Leib ist schlank, seitlich stark zusammengedrückt,
daher auf dem Rücken kielartig erhoben, der Kopf verlängert, länglicheiförmig, an der Schnauze
abgerundet, hinten deutlich vom Halse abgesetzt, der Schwanz mäßig lang, aber schlank und zugespitzt,
das Auge groß, das Nasenloch rundlich und seitlich der Schnauzenspitze gestellt. Große Schilder
decken den Kopf, verhältnißmäßig kleine, schmale rhombische Schuppen, welche in der Leibesmitte hie
und da schwach gekielt sind, den Leib.

Als Vertreter dieser Sippe wollen wir die Caninana der Brasilianer (Spilotes poeci-
lostoma)
ins Auge fassen, da wir, Dank den Beobachtungen des Prinzen von Wied und Schom-
burgk's
, über sie einigermaßen unterrichtet sind. Sie ist eine ziemlich große Schlange von 6 bis
8 Fuß Länge und graugelber Grundfärbung, welche mit bläulichgrauen oder schwärzlichen Winkel-
streifen, deren Ecken nach vorn sich richten, gezeichnet wird. Ein langer dunkler Streifen verläuft
vom Auge an der Halsseite hinab; die Randschilder der Kiefer sind dunkler eingefaßt; die Unterseite
ist auf leberbraunem Grunde schwarz gefleckt. Bei einer Abart, in welcher der Prinz das Männchen
vermuthet, sehen die Kehle, die Einfassung der Kieser und die Unterseite gilblich aus.

Die Caninana ist eine der gemeinsten und größten Nattern Brasiliens und Guyanas, bewohnt
hauptfächlich die Wälder, Gebüsche, wüsten Haiden, Triften, Sümpfe und unter Wasser stehende
Manglegebüsche und treibt sich hier bald auf dem Boden, bald im Wasser, bald im Gezweige der
Bäume umher. Jhre Nahrung besteht in Mäusen, Vögeln und deren Eiern, namentlich aber auch in
Kriechthieren und Lurchen: so fand sie der Prinz oft in träger Ruhe und unförmlich ausgedehnt,
wenn sie eine der brasilianischen Kröten verschluckt hatte. Auf dem Boden bewegt sie sich nicht
besonders schnell, läßt auch sich ihr nähernde Menschen oft ganz nah an sich herankommen, hebt dann
als Zeichen der Unruhe nur den Kopf ein wenig in die Höhe und bläst die Kehle auf; auf den Baum-
zweigen hingegen bewegt sie sich mit großer Gewandtheit. Sie ist vollkommen unschädlich und
harmlos, wie auch die meisten Bewohner ihrer Heimat wissen; dennoch halten sie Einzelne ebenfalls
für giftig oder verwechseln sie mit wirklichen Giftschlangen.

Ueber das Gefangenleben berichtet Schomburgk. "Jch hatte", erzählt er, "eine sechs Fuß
lange Caninana mehrere Monate lebend in einem Käfige und Gelegenheit, sie genauer zu beobachten.
Das Auffallendste war mir ihr häufiges Verlangen nach Wasser zum Trinken, worauf ich erst durch
ihre geschwächte Lebensthätigkeit aufmerksam gemacht wurde. Nachdem ich sie einige Tage im Besitz
gehabt, bemerkte ich nämlich eine entschiedene Abnahme ihrer Lebendigkeit: sie fraß nicht mehr und lag den
ganzen Tag zusammengerollt in einer Ecke des Käfigs. Um sie zu erfrischen, schüttete ich eines
Tages etwas Wasser über sie, und augenblicklich trank sie die auf dem Boden des Käfigs sich sammelnde
Flüssigkeit gierig auf. Von dieser Zeit erhielt sie, wie jedes andere meiner Thiere, ihr Trinkwasser
und leerte dasselbe auch täglich. Jhre Nahrung bestand in lebenden Vögeln und Mäusen, welche sie,
sobald sie in den Käfig gesteckt wurden, sogleich und jedesmal beim Kopf ergriff und verschlang.

Streifennatter. Caninana.
in meine Rocktaſche geſpieen, und es koſtete mir wahrlich keine geringe Anſtrengung, dieſe Taſche von
der lauteren und unlauteren Beſcheerung durch Waſchen zu ſäubern, zumal ich nunmehr die jetzt ſehr
lebhafte Natter beſtändig unter dem Fuße halten mußte.

„Jedenfalls bekundete das gedachte Thier, welches ſich gegenwärtig noch lebend im Beſitze des
Dr. Steindachner am Wiener Muſeum befindet und mit Behagen Mäuſe und Eier frißt, eine Liſt
und Raubfertigkeit, welche vollſte Beachtung verdient, umſomehr als ſie gleichzeitig die oft ange-
zweifelte Behauptung, daß Schlangen auch Eier plündern, in der unwiderleglichſten Weiſe beſtätigte.“



Unter dem Namen Fleckennattern (Spilotes) begründet Wagler eine Schlangenſippe, für
welche die nachſtehenden Merkmale gelten: Der Leib iſt ſchlank, ſeitlich ſtark zuſammengedrückt,
daher auf dem Rücken kielartig erhoben, der Kopf verlängert, länglicheiförmig, an der Schnauze
abgerundet, hinten deutlich vom Halſe abgeſetzt, der Schwanz mäßig lang, aber ſchlank und zugeſpitzt,
das Auge groß, das Naſenloch rundlich und ſeitlich der Schnauzenſpitze geſtellt. Große Schilder
decken den Kopf, verhältnißmäßig kleine, ſchmale rhombiſche Schuppen, welche in der Leibesmitte hie
und da ſchwach gekielt ſind, den Leib.

Als Vertreter dieſer Sippe wollen wir die Caninana der Braſilianer (Spilotes poeci-
lostoma)
ins Auge faſſen, da wir, Dank den Beobachtungen des Prinzen von Wied und Schom-
burgk’s
, über ſie einigermaßen unterrichtet ſind. Sie iſt eine ziemlich große Schlange von 6 bis
8 Fuß Länge und graugelber Grundfärbung, welche mit bläulichgrauen oder ſchwärzlichen Winkel-
ſtreifen, deren Ecken nach vorn ſich richten, gezeichnet wird. Ein langer dunkler Streifen verläuft
vom Auge an der Halsſeite hinab; die Randſchilder der Kiefer ſind dunkler eingefaßt; die Unterſeite
iſt auf leberbraunem Grunde ſchwarz gefleckt. Bei einer Abart, in welcher der Prinz das Männchen
vermuthet, ſehen die Kehle, die Einfaſſung der Kieſer und die Unterſeite gilblich aus.

Die Caninana iſt eine der gemeinſten und größten Nattern Braſiliens und Guyanas, bewohnt
hauptfächlich die Wälder, Gebüſche, wüſten Haiden, Triften, Sümpfe und unter Waſſer ſtehende
Manglegebüſche und treibt ſich hier bald auf dem Boden, bald im Waſſer, bald im Gezweige der
Bäume umher. Jhre Nahrung beſteht in Mäuſen, Vögeln und deren Eiern, namentlich aber auch in
Kriechthieren und Lurchen: ſo fand ſie der Prinz oft in träger Ruhe und unförmlich ausgedehnt,
wenn ſie eine der braſilianiſchen Kröten verſchluckt hatte. Auf dem Boden bewegt ſie ſich nicht
beſonders ſchnell, läßt auch ſich ihr nähernde Menſchen oft ganz nah an ſich herankommen, hebt dann
als Zeichen der Unruhe nur den Kopf ein wenig in die Höhe und bläſt die Kehle auf; auf den Baum-
zweigen hingegen bewegt ſie ſich mit großer Gewandtheit. Sie iſt vollkommen unſchädlich und
harmlos, wie auch die meiſten Bewohner ihrer Heimat wiſſen; dennoch halten ſie Einzelne ebenfalls
für giftig oder verwechſeln ſie mit wirklichen Giftſchlangen.

Ueber das Gefangenleben berichtet Schomburgk. „Jch hatte“, erzählt er, „eine ſechs Fuß
lange Caninana mehrere Monate lebend in einem Käfige und Gelegenheit, ſie genauer zu beobachten.
Das Auffallendſte war mir ihr häufiges Verlangen nach Waſſer zum Trinken, worauf ich erſt durch
ihre geſchwächte Lebensthätigkeit aufmerkſam gemacht wurde. Nachdem ich ſie einige Tage im Beſitz
gehabt, bemerkte ich nämlich eine entſchiedene Abnahme ihrer Lebendigkeit: ſie fraß nicht mehr und lag den
ganzen Tag zuſammengerollt in einer Ecke des Käfigs. Um ſie zu erfriſchen, ſchüttete ich eines
Tages etwas Waſſer über ſie, und augenblicklich trank ſie die auf dem Boden des Käfigs ſich ſammelnde
Flüſſigkeit gierig auf. Von dieſer Zeit erhielt ſie, wie jedes andere meiner Thiere, ihr Trinkwaſſer
und leerte daſſelbe auch täglich. Jhre Nahrung beſtand in lebenden Vögeln und Mäuſen, welche ſie,
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[235/0257] Streifennatter. Caninana. in meine Rocktaſche geſpieen, und es koſtete mir wahrlich keine geringe Anſtrengung, dieſe Taſche von der lauteren und unlauteren Beſcheerung durch Waſchen zu ſäubern, zumal ich nunmehr die jetzt ſehr lebhafte Natter beſtändig unter dem Fuße halten mußte. „Jedenfalls bekundete das gedachte Thier, welches ſich gegenwärtig noch lebend im Beſitze des Dr. Steindachner am Wiener Muſeum befindet und mit Behagen Mäuſe und Eier frißt, eine Liſt und Raubfertigkeit, welche vollſte Beachtung verdient, umſomehr als ſie gleichzeitig die oft ange- zweifelte Behauptung, daß Schlangen auch Eier plündern, in der unwiderleglichſten Weiſe beſtätigte.“ Unter dem Namen Fleckennattern (Spilotes) begründet Wagler eine Schlangenſippe, für welche die nachſtehenden Merkmale gelten: Der Leib iſt ſchlank, ſeitlich ſtark zuſammengedrückt, daher auf dem Rücken kielartig erhoben, der Kopf verlängert, länglicheiförmig, an der Schnauze abgerundet, hinten deutlich vom Halſe abgeſetzt, der Schwanz mäßig lang, aber ſchlank und zugeſpitzt, das Auge groß, das Naſenloch rundlich und ſeitlich der Schnauzenſpitze geſtellt. Große Schilder decken den Kopf, verhältnißmäßig kleine, ſchmale rhombiſche Schuppen, welche in der Leibesmitte hie und da ſchwach gekielt ſind, den Leib. Als Vertreter dieſer Sippe wollen wir die Caninana der Braſilianer (Spilotes poeci- lostoma) ins Auge faſſen, da wir, Dank den Beobachtungen des Prinzen von Wied und Schom- burgk’s, über ſie einigermaßen unterrichtet ſind. Sie iſt eine ziemlich große Schlange von 6 bis 8 Fuß Länge und graugelber Grundfärbung, welche mit bläulichgrauen oder ſchwärzlichen Winkel- ſtreifen, deren Ecken nach vorn ſich richten, gezeichnet wird. Ein langer dunkler Streifen verläuft vom Auge an der Halsſeite hinab; die Randſchilder der Kiefer ſind dunkler eingefaßt; die Unterſeite iſt auf leberbraunem Grunde ſchwarz gefleckt. Bei einer Abart, in welcher der Prinz das Männchen vermuthet, ſehen die Kehle, die Einfaſſung der Kieſer und die Unterſeite gilblich aus. Die Caninana iſt eine der gemeinſten und größten Nattern Braſiliens und Guyanas, bewohnt hauptfächlich die Wälder, Gebüſche, wüſten Haiden, Triften, Sümpfe und unter Waſſer ſtehende Manglegebüſche und treibt ſich hier bald auf dem Boden, bald im Waſſer, bald im Gezweige der Bäume umher. Jhre Nahrung beſteht in Mäuſen, Vögeln und deren Eiern, namentlich aber auch in Kriechthieren und Lurchen: ſo fand ſie der Prinz oft in träger Ruhe und unförmlich ausgedehnt, wenn ſie eine der braſilianiſchen Kröten verſchluckt hatte. Auf dem Boden bewegt ſie ſich nicht beſonders ſchnell, läßt auch ſich ihr nähernde Menſchen oft ganz nah an ſich herankommen, hebt dann als Zeichen der Unruhe nur den Kopf ein wenig in die Höhe und bläſt die Kehle auf; auf den Baum- zweigen hingegen bewegt ſie ſich mit großer Gewandtheit. Sie iſt vollkommen unſchädlich und harmlos, wie auch die meiſten Bewohner ihrer Heimat wiſſen; dennoch halten ſie Einzelne ebenfalls für giftig oder verwechſeln ſie mit wirklichen Giftſchlangen. Ueber das Gefangenleben berichtet Schomburgk. „Jch hatte“, erzählt er, „eine ſechs Fuß lange Caninana mehrere Monate lebend in einem Käfige und Gelegenheit, ſie genauer zu beobachten. Das Auffallendſte war mir ihr häufiges Verlangen nach Waſſer zum Trinken, worauf ich erſt durch ihre geſchwächte Lebensthätigkeit aufmerkſam gemacht wurde. Nachdem ich ſie einige Tage im Beſitz gehabt, bemerkte ich nämlich eine entſchiedene Abnahme ihrer Lebendigkeit: ſie fraß nicht mehr und lag den ganzen Tag zuſammengerollt in einer Ecke des Käfigs. Um ſie zu erfriſchen, ſchüttete ich eines Tages etwas Waſſer über ſie, und augenblicklich trank ſie die auf dem Boden des Käfigs ſich ſammelnde Flüſſigkeit gierig auf. Von dieſer Zeit erhielt ſie, wie jedes andere meiner Thiere, ihr Trinkwaſſer und leerte daſſelbe auch täglich. Jhre Nahrung beſtand in lebenden Vögeln und Mäuſen, welche ſie, ſobald ſie in den Käfig geſteckt wurden, ſogleich und jedesmal beim Kopf ergriff und verſchlang.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/257>, abgerufen am 22.12.2024.