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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Mohren- und Mullsalamander.
Länge und 5 Linien im Durchmesser erweiterten Eierganges ganz aus, liegt mit an den Leib gebogenem,
oft zweimal gekrümmten Schwanze, bewegt sich frei und lebhaft, wendet sich oft ganz um und wird
bald mit dem Kopfe, bald mit dem Schwanze voran geboren. Die Kiemen, welche übrigens
denen des gefleckten Salamanders gleichen, sind ungleich größer und erreichen beinah die Hälfte der
Länge des ganzen Körpers, indem der hintere Stamm mit der Spitze bis an den Hinterschenkel reicht;
allein diese Kiemen verschwinden schon vor der Geburt und zeigen sich an den Geborenen in der
Gestalt kleiner Stümpfchen oder Knötchen, sodaß man also, wenn man den Quappenzustand sehen
will, den Keim im Leibe der Mutter selbst untersuchen muß. Zu diesem Behufe tödtet man die
Mutter in Weingeist, welcher auf die Jungen so wenig einwirkt, daß sie außer dem Leibe der Mutter
noch fortleben, sogar mehrere Wochen noch am Leben bleiben. Diese wunderbare Lebensfähigkeit
beweist, daß diesen Jungen das Wasser entbehrlich ist, und in der That setzt die Mutter ihre Keime
selbst in der Gefangenschaft, wenn man ihr reichlich Wasser darbietet, auf das Trockene. Der
Mohrensalamander lehrt uns also eine absonderliche Fortpflanzung kennen, welche in der ganzen
Ordnung nicht wieder bemerkt wird.

Die Entwicklung der Eier währt ebensolange wie beim Feuersalamander, aber die Dauer der
Trächtigkeit von der Befruchtung an bis zur Geburt ungleich länger, weil die Jungen so lange im Leibe
der Mutter verbleiben, bis sie ihre Verwandlung vollendet und eine bedeutende Größe erreicht haben.

Selten findet man vor dem Monat August trächtige Weibchen mit weit entwickelten Jungen;
die Befruchtung geschieht aber, der Höhe des Aufenthaltes entsprechend, oft auch sehr spät, und ist es
also nicht blos der Mangel an Wasser, sondern auch das Klima des Wohnortes, welches diese
abweichende Fortpflanzung erklärlich macht.

Gewöhnlich sind die Jungen eines Weibchens in den Eiergängen beide von gleicher Größe und
Stärke, werden auch oft in derselben Stunde geboren; doch geschieht es ausnahmsweise, daß sie
sich ungleich entwickeln und das eine erst nach Verlauf von mehreren Tagen oder selbst Wochen nach
dem anderen zur Welt kommt. Diese Verschiedenheit scheint daher zu rühren, daß das zuerst
befruchtete Ei abstarb und nun ein anderes statt seiner sich entwickelte. Nicht selten findet man in
einem und demselben Eiergange zwei, auch drei in verschiedenen Graden ausgebildete Eier, während
alle übrigen bereits mehr oder minder verdrückt, verunstaltet oder schon zusammengeflossen sind.
Hieraus ergibt sich, daß alle Eier einer Brut gleichzeitig in den Eiergängen oder Eierstöcken befruchtet
werden, obschon immer nur je zwei sich entwickeln. Sehr räthselhaft bleibt die Art der Befruchtung
selbst, da man beim Mohrensalamander ebensowenig als beim Feuersalamander äußere männliche
Geschlechtstheile entdeckt; dennoch muß Befruchtung im Jnnern vorgehen, der Samen also ein-
dringen, ohne daß das Wasser vermittelt. Uebrigens hat man beobachtet, daß der männliche Mohren-
salamander den weiblichen nach Art des sich paarenden Frosches umfaßt, und zwar gerade vor den
Vorderbeinen des letzteren, welcher seine Vorderbeine über die des Männchens schlägt. So umschlungen
schleppen sich beide gemeinschaftlich vom Lande aus, wo die Umarmung stattfindet, ins Wasser,
verweilen hier oft stundenlang, theils ruhend, theils schwimmend, bis sie ihrem Triebe genügt haben.

Jn allem übrigen kommt der Mohrensalamander mit seinen Verwandten vollständig überein.

Unter den zahlreichen nordamerikanischen Erdmolchen verdient namentlich eine Art allgemeine
Aufmerksamkeit, weil sie sich durch ihre Lebensweise von anderen unterscheidet. Der Mullsala-
mander
nämlich lebt wie ein Maulwurf unter der Erde, nicht etwa in zufällig aufgefundenen
Röhren, sondern in Gängen, welche er sich selbst, und zwar mit einer Schnelligkeit ausgräbt, daß er
gewissermaßen vor sehenden Augen verschwindet. Gleichwohl kann er leicht verfolgt werden, weil er
nur sehr oberflächliche Gänge gräbt und der Verlauf derselben durch die sich bemerklich machenden
Erhöhungen und Vertiefungen immer mit Sicherheit erkannt wird. Jn allen anderen Stücken
scheint sich die Lebensweise dieses Thieres von seinen Verwandten nicht zu unterscheiden; wenigstens
erwähnen genaue Beobachter hierüber nicht das Geringste.

Brehm, Thierleben. V. 27

Mohren- und Mullſalamander.
Länge und 5 Linien im Durchmeſſer erweiterten Eierganges ganz aus, liegt mit an den Leib gebogenem,
oft zweimal gekrümmten Schwanze, bewegt ſich frei und lebhaft, wendet ſich oft ganz um und wird
bald mit dem Kopfe, bald mit dem Schwanze voran geboren. Die Kiemen, welche übrigens
denen des gefleckten Salamanders gleichen, ſind ungleich größer und erreichen beinah die Hälfte der
Länge des ganzen Körpers, indem der hintere Stamm mit der Spitze bis an den Hinterſchenkel reicht;
allein dieſe Kiemen verſchwinden ſchon vor der Geburt und zeigen ſich an den Geborenen in der
Geſtalt kleiner Stümpfchen oder Knötchen, ſodaß man alſo, wenn man den Quappenzuſtand ſehen
will, den Keim im Leibe der Mutter ſelbſt unterſuchen muß. Zu dieſem Behufe tödtet man die
Mutter in Weingeiſt, welcher auf die Jungen ſo wenig einwirkt, daß ſie außer dem Leibe der Mutter
noch fortleben, ſogar mehrere Wochen noch am Leben bleiben. Dieſe wunderbare Lebensfähigkeit
beweiſt, daß dieſen Jungen das Waſſer entbehrlich iſt, und in der That ſetzt die Mutter ihre Keime
ſelbſt in der Gefangenſchaft, wenn man ihr reichlich Waſſer darbietet, auf das Trockene. Der
Mohrenſalamander lehrt uns alſo eine abſonderliche Fortpflanzung kennen, welche in der ganzen
Ordnung nicht wieder bemerkt wird.

Die Entwicklung der Eier währt ebenſolange wie beim Feuerſalamander, aber die Dauer der
Trächtigkeit von der Befruchtung an bis zur Geburt ungleich länger, weil die Jungen ſo lange im Leibe
der Mutter verbleiben, bis ſie ihre Verwandlung vollendet und eine bedeutende Größe erreicht haben.

Selten findet man vor dem Monat Auguſt trächtige Weibchen mit weit entwickelten Jungen;
die Befruchtung geſchieht aber, der Höhe des Aufenthaltes entſprechend, oft auch ſehr ſpät, und iſt es
alſo nicht blos der Mangel an Waſſer, ſondern auch das Klima des Wohnortes, welches dieſe
abweichende Fortpflanzung erklärlich macht.

Gewöhnlich ſind die Jungen eines Weibchens in den Eiergängen beide von gleicher Größe und
Stärke, werden auch oft in derſelben Stunde geboren; doch geſchieht es ausnahmsweiſe, daß ſie
ſich ungleich entwickeln und das eine erſt nach Verlauf von mehreren Tagen oder ſelbſt Wochen nach
dem anderen zur Welt kommt. Dieſe Verſchiedenheit ſcheint daher zu rühren, daß das zuerſt
befruchtete Ei abſtarb und nun ein anderes ſtatt ſeiner ſich entwickelte. Nicht ſelten findet man in
einem und demſelben Eiergange zwei, auch drei in verſchiedenen Graden ausgebildete Eier, während
alle übrigen bereits mehr oder minder verdrückt, verunſtaltet oder ſchon zuſammengefloſſen ſind.
Hieraus ergibt ſich, daß alle Eier einer Brut gleichzeitig in den Eiergängen oder Eierſtöcken befruchtet
werden, obſchon immer nur je zwei ſich entwickeln. Sehr räthſelhaft bleibt die Art der Befruchtung
ſelbſt, da man beim Mohrenſalamander ebenſowenig als beim Feuerſalamander äußere männliche
Geſchlechtstheile entdeckt; dennoch muß Befruchtung im Jnnern vorgehen, der Samen alſo ein-
dringen, ohne daß das Waſſer vermittelt. Uebrigens hat man beobachtet, daß der männliche Mohren-
ſalamander den weiblichen nach Art des ſich paarenden Froſches umfaßt, und zwar gerade vor den
Vorderbeinen des letzteren, welcher ſeine Vorderbeine über die des Männchens ſchlägt. So umſchlungen
ſchleppen ſich beide gemeinſchaftlich vom Lande aus, wo die Umarmung ſtattfindet, ins Waſſer,
verweilen hier oft ſtundenlang, theils ruhend, theils ſchwimmend, bis ſie ihrem Triebe genügt haben.

Jn allem übrigen kommt der Mohrenſalamander mit ſeinen Verwandten vollſtändig überein.

Unter den zahlreichen nordamerikaniſchen Erdmolchen verdient namentlich eine Art allgemeine
Aufmerkſamkeit, weil ſie ſich durch ihre Lebensweiſe von anderen unterſcheidet. Der Mullſala-
mander
nämlich lebt wie ein Maulwurf unter der Erde, nicht etwa in zufällig aufgefundenen
Röhren, ſondern in Gängen, welche er ſich ſelbſt, und zwar mit einer Schnelligkeit ausgräbt, daß er
gewiſſermaßen vor ſehenden Augen verſchwindet. Gleichwohl kann er leicht verfolgt werden, weil er
nur ſehr oberflächliche Gänge gräbt und der Verlauf derſelben durch die ſich bemerklich machenden
Erhöhungen und Vertiefungen immer mit Sicherheit erkannt wird. Jn allen anderen Stücken
ſcheint ſich die Lebensweiſe dieſes Thieres von ſeinen Verwandten nicht zu unterſcheiden; wenigſtens
erwähnen genaue Beobachter hierüber nicht das Geringſte.

Brehm, Thierleben. V. 27
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[417/0445] Mohren- und Mullſalamander. Länge und 5 Linien im Durchmeſſer erweiterten Eierganges ganz aus, liegt mit an den Leib gebogenem, oft zweimal gekrümmten Schwanze, bewegt ſich frei und lebhaft, wendet ſich oft ganz um und wird bald mit dem Kopfe, bald mit dem Schwanze voran geboren. Die Kiemen, welche übrigens denen des gefleckten Salamanders gleichen, ſind ungleich größer und erreichen beinah die Hälfte der Länge des ganzen Körpers, indem der hintere Stamm mit der Spitze bis an den Hinterſchenkel reicht; allein dieſe Kiemen verſchwinden ſchon vor der Geburt und zeigen ſich an den Geborenen in der Geſtalt kleiner Stümpfchen oder Knötchen, ſodaß man alſo, wenn man den Quappenzuſtand ſehen will, den Keim im Leibe der Mutter ſelbſt unterſuchen muß. Zu dieſem Behufe tödtet man die Mutter in Weingeiſt, welcher auf die Jungen ſo wenig einwirkt, daß ſie außer dem Leibe der Mutter noch fortleben, ſogar mehrere Wochen noch am Leben bleiben. Dieſe wunderbare Lebensfähigkeit beweiſt, daß dieſen Jungen das Waſſer entbehrlich iſt, und in der That ſetzt die Mutter ihre Keime ſelbſt in der Gefangenſchaft, wenn man ihr reichlich Waſſer darbietet, auf das Trockene. Der Mohrenſalamander lehrt uns alſo eine abſonderliche Fortpflanzung kennen, welche in der ganzen Ordnung nicht wieder bemerkt wird. Die Entwicklung der Eier währt ebenſolange wie beim Feuerſalamander, aber die Dauer der Trächtigkeit von der Befruchtung an bis zur Geburt ungleich länger, weil die Jungen ſo lange im Leibe der Mutter verbleiben, bis ſie ihre Verwandlung vollendet und eine bedeutende Größe erreicht haben. Selten findet man vor dem Monat Auguſt trächtige Weibchen mit weit entwickelten Jungen; die Befruchtung geſchieht aber, der Höhe des Aufenthaltes entſprechend, oft auch ſehr ſpät, und iſt es alſo nicht blos der Mangel an Waſſer, ſondern auch das Klima des Wohnortes, welches dieſe abweichende Fortpflanzung erklärlich macht. Gewöhnlich ſind die Jungen eines Weibchens in den Eiergängen beide von gleicher Größe und Stärke, werden auch oft in derſelben Stunde geboren; doch geſchieht es ausnahmsweiſe, daß ſie ſich ungleich entwickeln und das eine erſt nach Verlauf von mehreren Tagen oder ſelbſt Wochen nach dem anderen zur Welt kommt. Dieſe Verſchiedenheit ſcheint daher zu rühren, daß das zuerſt befruchtete Ei abſtarb und nun ein anderes ſtatt ſeiner ſich entwickelte. Nicht ſelten findet man in einem und demſelben Eiergange zwei, auch drei in verſchiedenen Graden ausgebildete Eier, während alle übrigen bereits mehr oder minder verdrückt, verunſtaltet oder ſchon zuſammengefloſſen ſind. Hieraus ergibt ſich, daß alle Eier einer Brut gleichzeitig in den Eiergängen oder Eierſtöcken befruchtet werden, obſchon immer nur je zwei ſich entwickeln. Sehr räthſelhaft bleibt die Art der Befruchtung ſelbſt, da man beim Mohrenſalamander ebenſowenig als beim Feuerſalamander äußere männliche Geſchlechtstheile entdeckt; dennoch muß Befruchtung im Jnnern vorgehen, der Samen alſo ein- dringen, ohne daß das Waſſer vermittelt. Uebrigens hat man beobachtet, daß der männliche Mohren- ſalamander den weiblichen nach Art des ſich paarenden Froſches umfaßt, und zwar gerade vor den Vorderbeinen des letzteren, welcher ſeine Vorderbeine über die des Männchens ſchlägt. So umſchlungen ſchleppen ſich beide gemeinſchaftlich vom Lande aus, wo die Umarmung ſtattfindet, ins Waſſer, verweilen hier oft ſtundenlang, theils ruhend, theils ſchwimmend, bis ſie ihrem Triebe genügt haben. Jn allem übrigen kommt der Mohrenſalamander mit ſeinen Verwandten vollſtändig überein. Unter den zahlreichen nordamerikaniſchen Erdmolchen verdient namentlich eine Art allgemeine Aufmerkſamkeit, weil ſie ſich durch ihre Lebensweiſe von anderen unterſcheidet. Der Mullſala- mander nämlich lebt wie ein Maulwurf unter der Erde, nicht etwa in zufällig aufgefundenen Röhren, ſondern in Gängen, welche er ſich ſelbſt, und zwar mit einer Schnelligkeit ausgräbt, daß er gewiſſermaßen vor ſehenden Augen verſchwindet. Gleichwohl kann er leicht verfolgt werden, weil er nur ſehr oberflächliche Gänge gräbt und der Verlauf derſelben durch die ſich bemerklich machenden Erhöhungen und Vertiefungen immer mit Sicherheit erkannt wird. Jn allen anderen Stücken ſcheint ſich die Lebensweiſe dieſes Thieres von ſeinen Verwandten nicht zu unterſcheiden; wenigſtens erwähnen genaue Beobachter hierüber nicht das Geringſte. Brehm, Thierleben. V. 27

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/445>, abgerufen am 22.12.2024.