oder von dünnschneidenden, oft knorpelig überdeckten Kieferrändern begrenzt; die Schlundzähne unter- scheiden sich bezüglich ihrer Form, Anzahl und Stellung, und diese Verschiedenheiten sind so beständig und verläßlich, daß sie geeignet erscheinen, zur Kennzeichnung der einzelnen Arten benutzt zu werden. "Der Umstand, daß diese Zähne sich abnutzen und einem regelmäßigen Wechsel unterworfen sind," sagen Heckel und Kner, "beeinträchtigt ebensowenig als das im Ganzen seltene Vorkommen von Mißbildung ihre Brauchbarkeit zu diesem Zwecke; sie setzen daher vorzugsweise in den Stand, die Arten und Gattungen dieser Familie schärfer abzugrenzen, als Dies von der Mehrzahl anderer Familien gerühmt werden kann. Die Anzahl der Schlundknochen ist mit wenigen Ausnahmen eine geringe. Jn den meisten Fällen stehen jederseits deren vier bis zehn, nicht immer auf einer Seite soviel als auf der andern, sie ordnen sich auch bei den einen in einfache, bei anderen in doppelte, in dreifache Reihen. Hierzu kommt das Vorhandensein oder Fehlen der Bärteln, die Beschuppung etc."
Die Karpfen lieben stehende Gewässer mit weichem, schlammigen oder sandigen Grunde, welcher ihnen ihre bevorzugte Nahrung, Würmer, Kerbthierlarven und verwesende Pflanzenstoffe bietet. Jn ruhig fließenden Strömen finden sie sich ebenfalls in namhafter Anzahl an Arten und Einzelstücken; Gebirgswässer werden von ihnen mehr oder weniger gemieden. Sie leben größtentheils gesellig und vereinigen sich gern zu zahlreichen Schaaren, welche, wie es scheint, längere Zeit gemeinschaftlich mit einander schwimmen und jagen, auch während der rauhen Jahreszeit dicht neben einander in den Schlamm sich betten und hier gewissermaßen einen Winterschlaf abhalten. Jhr Nahrungserwerb bedingt, daß sie sich oft und lange unmittelbar über dem Grunde aufhalten. Sie ziehen nämlich den größten Theil ihrer Beute aus dem Schlamme selbst hervor, indem sie denselben förmlich durchsuchen, wenigstens oft ihre Köpfe in ihn einbohren und längere Zeit in solcher Stellung verweilen. Gegen die Laichzeit hin trennen sich die Schwärme in kleinere Haufen; die Rogener ziehen voran, und die Milchner folgen ihnen getreulich nach, gewöhnlich in größerer Anzahl, so ungefähr, daß zwei oder drei Männchen ein Weibchen begleiten. Ueberwiegt das eine Geschlecht bedeutend an Zahl, so kann es geschehen, daß verwandte Arten der Familie sich gesellen und gemeinschaftlich laichen; wenigstens nimmt man jetzt, und wohl mit Recht, an, daß mehrere von den in den Büchern der Gelehrten auf- geführten Karpfenarten nichts Anderes als Blendlinge sind. Die Geneigtheit der verschiedenen Karpfenarten, sich mit einander zu paaren, findet vielleicht in dem auch bei diesen Fischen sehr leb- haften Begattungstriebe ihre Erklärung. Schon seit alter Zeit gilt das Urbild der Familie, der Karpfen, mit Recht als ein Sinnbild der Fruchtbarkeit. Als solches war er der Venus geheiligt; auf diese Fruchtbarkeit bezieht sich der in die lateinische und von dieser in unsere Sprache übergegangene Name. Schon in dem Rogen eines drei Pfund schweren Weibchens hat man dreihundertsiebenund- dreißigtausend Eier gezählt, in ausgewachsenen Rogenern bis siebenhunderttausend. Ein so großer Reichthum will angebracht sein, daher denn die lebhafte Unruhe, das auch in anderer Hinsicht ver- änderte Wesen, die Rücksichtslosigkeit der Karpfen.
Sind nun diese Vermischungen verschiedener Arten Ursache zu abweichenden Formen geworden, so tritt noch ein zweiter Umstand hinzu. Mehrere Arten der Familie sind seit vielen Jahrhunderten als Zuchtfische vom Menschen beeinflußt worden, und so haben sich in Folge der den Karpfen gewisser- maßen unnatürlichen Verbreitung, der Beschaffenheit der Zuchtteiche und Seen, der verschiedenen Behandlung etc. Ausartungen gebildet, welche mit der Zeit Ständigkeit erlangten. Dementsprechend ist die Anzahl der Spielarten innerhalb der Familie der Karpfen größer als in jeder anderen.
Mit Ausnahme weniger, unseren Fischern und Hausfrauen wohlbekannten Arten der Gruppe, haben die Karpfen ein weiches, saftiges und höchst wohlschmeckendes Fleisch; sie lassen sich, dank ihrer Zählebigkeit ohne besondere Vorkehrungen weit versenden, leichter als alle übrigen Fische in verschiedenartigen Gewässern einbürgern, vermehren sich, wie bemerkt, sehr stark, zeigen sich anderen Fischen gegenüber verhältnißmäßig anspruchslos, begnügen sich mit billigen Nahrungsmitteln, wachsen rasch und lassen sich leicht mästen, vereinigen also alle Bedingungen, welche man an einen Zuchtfisch überhaupt stellen kann. Jn den von den Menschen überwachten Gewässern haben sie zwar viel von
Die Edelfiſche. Karpfen.
oder von dünnſchneidenden, oft knorpelig überdeckten Kieferrändern begrenzt; die Schlundzähne unter- ſcheiden ſich bezüglich ihrer Form, Anzahl und Stellung, und dieſe Verſchiedenheiten ſind ſo beſtändig und verläßlich, daß ſie geeignet erſcheinen, zur Kennzeichnung der einzelnen Arten benutzt zu werden. „Der Umſtand, daß dieſe Zähne ſich abnutzen und einem regelmäßigen Wechſel unterworfen ſind,“ ſagen Heckel und Kner, „beeinträchtigt ebenſowenig als das im Ganzen ſeltene Vorkommen von Mißbildung ihre Brauchbarkeit zu dieſem Zwecke; ſie ſetzen daher vorzugsweiſe in den Stand, die Arten und Gattungen dieſer Familie ſchärfer abzugrenzen, als Dies von der Mehrzahl anderer Familien gerühmt werden kann. Die Anzahl der Schlundknochen iſt mit wenigen Ausnahmen eine geringe. Jn den meiſten Fällen ſtehen jederſeits deren vier bis zehn, nicht immer auf einer Seite ſoviel als auf der andern, ſie ordnen ſich auch bei den einen in einfache, bei anderen in doppelte, in dreifache Reihen. Hierzu kommt das Vorhandenſein oder Fehlen der Bärteln, die Beſchuppung ꝛc.“
Die Karpfen lieben ſtehende Gewäſſer mit weichem, ſchlammigen oder ſandigen Grunde, welcher ihnen ihre bevorzugte Nahrung, Würmer, Kerbthierlarven und verweſende Pflanzenſtoffe bietet. Jn ruhig fließenden Strömen finden ſie ſich ebenfalls in namhafter Anzahl an Arten und Einzelſtücken; Gebirgswäſſer werden von ihnen mehr oder weniger gemieden. Sie leben größtentheils geſellig und vereinigen ſich gern zu zahlreichen Schaaren, welche, wie es ſcheint, längere Zeit gemeinſchaftlich mit einander ſchwimmen und jagen, auch während der rauhen Jahreszeit dicht neben einander in den Schlamm ſich betten und hier gewiſſermaßen einen Winterſchlaf abhalten. Jhr Nahrungserwerb bedingt, daß ſie ſich oft und lange unmittelbar über dem Grunde aufhalten. Sie ziehen nämlich den größten Theil ihrer Beute aus dem Schlamme ſelbſt hervor, indem ſie denſelben förmlich durchſuchen, wenigſtens oft ihre Köpfe in ihn einbohren und längere Zeit in ſolcher Stellung verweilen. Gegen die Laichzeit hin trennen ſich die Schwärme in kleinere Haufen; die Rogener ziehen voran, und die Milchner folgen ihnen getreulich nach, gewöhnlich in größerer Anzahl, ſo ungefähr, daß zwei oder drei Männchen ein Weibchen begleiten. Ueberwiegt das eine Geſchlecht bedeutend an Zahl, ſo kann es geſchehen, daß verwandte Arten der Familie ſich geſellen und gemeinſchaftlich laichen; wenigſtens nimmt man jetzt, und wohl mit Recht, an, daß mehrere von den in den Büchern der Gelehrten auf- geführten Karpfenarten nichts Anderes als Blendlinge ſind. Die Geneigtheit der verſchiedenen Karpfenarten, ſich mit einander zu paaren, findet vielleicht in dem auch bei dieſen Fiſchen ſehr leb- haften Begattungstriebe ihre Erklärung. Schon ſeit alter Zeit gilt das Urbild der Familie, der Karpfen, mit Recht als ein Sinnbild der Fruchtbarkeit. Als ſolches war er der Venus geheiligt; auf dieſe Fruchtbarkeit bezieht ſich der in die lateiniſche und von dieſer in unſere Sprache übergegangene Name. Schon in dem Rogen eines drei Pfund ſchweren Weibchens hat man dreihundertſiebenund- dreißigtauſend Eier gezählt, in ausgewachſenen Rogenern bis ſiebenhunderttauſend. Ein ſo großer Reichthum will angebracht ſein, daher denn die lebhafte Unruhe, das auch in anderer Hinſicht ver- änderte Weſen, die Rückſichtsloſigkeit der Karpfen.
Sind nun dieſe Vermiſchungen verſchiedener Arten Urſache zu abweichenden Formen geworden, ſo tritt noch ein zweiter Umſtand hinzu. Mehrere Arten der Familie ſind ſeit vielen Jahrhunderten als Zuchtfiſche vom Menſchen beeinflußt worden, und ſo haben ſich in Folge der den Karpfen gewiſſer- maßen unnatürlichen Verbreitung, der Beſchaffenheit der Zuchtteiche und Seen, der verſchiedenen Behandlung ꝛc. Ausartungen gebildet, welche mit der Zeit Ständigkeit erlangten. Dementſprechend iſt die Anzahl der Spielarten innerhalb der Familie der Karpfen größer als in jeder anderen.
Mit Ausnahme weniger, unſeren Fiſchern und Hausfrauen wohlbekannten Arten der Gruppe, haben die Karpfen ein weiches, ſaftiges und höchſt wohlſchmeckendes Fleiſch; ſie laſſen ſich, dank ihrer Zählebigkeit ohne beſondere Vorkehrungen weit verſenden, leichter als alle übrigen Fiſche in verſchiedenartigen Gewäſſern einbürgern, vermehren ſich, wie bemerkt, ſehr ſtark, zeigen ſich anderen Fiſchen gegenüber verhältnißmäßig anſpruchslos, begnügen ſich mit billigen Nahrungsmitteln, wachſen raſch und laſſen ſich leicht mäſten, vereinigen alſo alle Bedingungen, welche man an einen Zuchtfiſch überhaupt ſtellen kann. Jn den von den Menſchen überwachten Gewäſſern haben ſie zwar viel von
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[644/0682]
Die Edelfiſche. Karpfen.
oder von dünnſchneidenden, oft knorpelig überdeckten Kieferrändern begrenzt; die Schlundzähne unter-
ſcheiden ſich bezüglich ihrer Form, Anzahl und Stellung, und dieſe Verſchiedenheiten ſind ſo beſtändig
und verläßlich, daß ſie geeignet erſcheinen, zur Kennzeichnung der einzelnen Arten benutzt zu werden.
„Der Umſtand, daß dieſe Zähne ſich abnutzen und einem regelmäßigen Wechſel unterworfen ſind,“
ſagen Heckel und Kner, „beeinträchtigt ebenſowenig als das im Ganzen ſeltene Vorkommen von
Mißbildung ihre Brauchbarkeit zu dieſem Zwecke; ſie ſetzen daher vorzugsweiſe in den Stand, die
Arten und Gattungen dieſer Familie ſchärfer abzugrenzen, als Dies von der Mehrzahl anderer
Familien gerühmt werden kann. Die Anzahl der Schlundknochen iſt mit wenigen Ausnahmen eine
geringe. Jn den meiſten Fällen ſtehen jederſeits deren vier bis zehn, nicht immer auf einer Seite
ſoviel als auf der andern, ſie ordnen ſich auch bei den einen in einfache, bei anderen in doppelte, in
dreifache Reihen. Hierzu kommt das Vorhandenſein oder Fehlen der Bärteln, die Beſchuppung ꝛc.“
Die Karpfen lieben ſtehende Gewäſſer mit weichem, ſchlammigen oder ſandigen Grunde, welcher
ihnen ihre bevorzugte Nahrung, Würmer, Kerbthierlarven und verweſende Pflanzenſtoffe bietet. Jn
ruhig fließenden Strömen finden ſie ſich ebenfalls in namhafter Anzahl an Arten und Einzelſtücken;
Gebirgswäſſer werden von ihnen mehr oder weniger gemieden. Sie leben größtentheils geſellig und
vereinigen ſich gern zu zahlreichen Schaaren, welche, wie es ſcheint, längere Zeit gemeinſchaftlich mit
einander ſchwimmen und jagen, auch während der rauhen Jahreszeit dicht neben einander in den
Schlamm ſich betten und hier gewiſſermaßen einen Winterſchlaf abhalten. Jhr Nahrungserwerb
bedingt, daß ſie ſich oft und lange unmittelbar über dem Grunde aufhalten. Sie ziehen nämlich den
größten Theil ihrer Beute aus dem Schlamme ſelbſt hervor, indem ſie denſelben förmlich durchſuchen,
wenigſtens oft ihre Köpfe in ihn einbohren und längere Zeit in ſolcher Stellung verweilen. Gegen
die Laichzeit hin trennen ſich die Schwärme in kleinere Haufen; die Rogener ziehen voran, und die
Milchner folgen ihnen getreulich nach, gewöhnlich in größerer Anzahl, ſo ungefähr, daß zwei oder
drei Männchen ein Weibchen begleiten. Ueberwiegt das eine Geſchlecht bedeutend an Zahl, ſo kann
es geſchehen, daß verwandte Arten der Familie ſich geſellen und gemeinſchaftlich laichen; wenigſtens
nimmt man jetzt, und wohl mit Recht, an, daß mehrere von den in den Büchern der Gelehrten auf-
geführten Karpfenarten nichts Anderes als Blendlinge ſind. Die Geneigtheit der verſchiedenen
Karpfenarten, ſich mit einander zu paaren, findet vielleicht in dem auch bei dieſen Fiſchen ſehr leb-
haften Begattungstriebe ihre Erklärung. Schon ſeit alter Zeit gilt das Urbild der Familie, der
Karpfen, mit Recht als ein Sinnbild der Fruchtbarkeit. Als ſolches war er der Venus geheiligt;
auf dieſe Fruchtbarkeit bezieht ſich der in die lateiniſche und von dieſer in unſere Sprache übergegangene
Name. Schon in dem Rogen eines drei Pfund ſchweren Weibchens hat man dreihundertſiebenund-
dreißigtauſend Eier gezählt, in ausgewachſenen Rogenern bis ſiebenhunderttauſend. Ein ſo großer
Reichthum will angebracht ſein, daher denn die lebhafte Unruhe, das auch in anderer Hinſicht ver-
änderte Weſen, die Rückſichtsloſigkeit der Karpfen.
Sind nun dieſe Vermiſchungen verſchiedener Arten Urſache zu abweichenden Formen geworden, ſo
tritt noch ein zweiter Umſtand hinzu. Mehrere Arten der Familie ſind ſeit vielen Jahrhunderten als
Zuchtfiſche vom Menſchen beeinflußt worden, und ſo haben ſich in Folge der den Karpfen gewiſſer-
maßen unnatürlichen Verbreitung, der Beſchaffenheit der Zuchtteiche und Seen, der verſchiedenen
Behandlung ꝛc. Ausartungen gebildet, welche mit der Zeit Ständigkeit erlangten. Dementſprechend
iſt die Anzahl der Spielarten innerhalb der Familie der Karpfen größer als in jeder anderen.
Mit Ausnahme weniger, unſeren Fiſchern und Hausfrauen wohlbekannten Arten der Gruppe,
haben die Karpfen ein weiches, ſaftiges und höchſt wohlſchmeckendes Fleiſch; ſie laſſen ſich, dank ihrer
Zählebigkeit ohne beſondere Vorkehrungen weit verſenden, leichter als alle übrigen Fiſche in
verſchiedenartigen Gewäſſern einbürgern, vermehren ſich, wie bemerkt, ſehr ſtark, zeigen ſich anderen
Fiſchen gegenüber verhältnißmäßig anſpruchslos, begnügen ſich mit billigen Nahrungsmitteln, wachſen
raſch und laſſen ſich leicht mäſten, vereinigen alſo alle Bedingungen, welche man an einen Zuchtfiſch
überhaupt ſtellen kann. Jn den von den Menſchen überwachten Gewäſſern haben ſie zwar viel von
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/682>, abgerufen am 22.12.2024.
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