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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Lachse. Renken.

Für den menschlichen Haushalt haben die Lachse eine sehr große Bedeutung. Jhr köstliches
Fleisch wird von dem keines anderen Fisches überboten; es zeichnet sich aus durch schöne Färbung,
ist grätenlos, schmackhaft und leicht verdaulich, so daß es selbst Kranke genießen können. Jn unserem
fischarmen Vaterlande gehört es leider zu den selten gebotenen Leckerbissen, wenigstens in allen
Gegenden, welche nicht unmittelbar an Flüssen oder Bergströmen und Gebirgsseen liegen; schon in
Skandinavien und Rußland dagegen ist Dies anders. Hier bildet es ein wesentliches Nahrungsmittel
der Bevölkerung, obgleich es selbst hier noch immer nicht die Bedeutung erlangt, wie in Sibirien
und Nordwestamerika. Für die in den Küstenländern am stillen Weltmeere und am Eismeere
lebenden Menschen bilden die Lachse die hauptsächlichste Nahrung; sie und mit ihnen ihre nützlichsten
Hausthiere würden nicht bestehen können ohne diese Fische. Jhre wichtigste Arbeit gilt deren
Fange; um die Lachse dreht sich, so zu sagen, das ganze Leben dieser Leute. Während des Sommers
fängt, trocknet, räuchert, pökelt, speichert man den Reichthum des Meeres auf, welcher jetzt durch
die Flüsse geboten wird, wendet man alle Mittel an, um sich den für den Winter unumgänglich
nothwendigen Bedarf an Nahrung zu erwerben.

Die Klage über Verarmung unserer Gewässer bezieht sich hauptsächlich auf das von Jahr zu
Jahr fühlbarer werdende Abnehmen der Mitglieder dieser Familie. Aus vergangenen Jahrhunderten
liegen Berichte vor, welche übereinstimmend angeben, daß man früher den Reichthum der Gewässer
nicht auszunutzen vermochte; aber diese Berichte schon gedenken weiter zurückliegender Zeiten, in
denen der Reichthum noch größer gewesen sein soll. Bereits vor Jahrhunderten wurden Gesetze
erlassen zum Schutze dieser wichtigen Fische, welche leichter als alle übrigen aus den Gewässern,
wenigstens aus bestimmten Flüssen verbannt werden können. Die Gesetze haben sich wenig bewährt,
weil man im Laufe der Zeit die Flüsse mehr und mehr einengte und die Gewässer den Gewerken
nutzbar machte, damit aber das Aufsteigen der fortpflanzungsbegierigen Lachse verhinderte, weil die
Abflüsse aus Fabriken Bäche und Flüsse vergifteten, und weil man verabsäumte, der natürlichen
Vermehrung nachzuhelfen. Solche leichtfertige Gleichgiltigkeit gegen ein so wichtiges Nahrungs-
mittel hat sich bitter gerächt, und gegenwärtig sieht man sich überall gezwungen, Maßregeln gegen
das Weitergreifen des Uebels zu treffen. Seitdem man die künstliche Fischzucht kennen und aus-
zuüben gelernt hat, ist es wenigstens hier und da etwas besser geworden. Jn den lange Zeit
verarmten Flüssen Schottlands macht sich der Segen des "menschlichen Eingriffes in die Gerechtsame
des Schöpfers" schon jetzt in erfreulicher Weise bemerklich; in unserem Vaterlande fängt man
wenigstens an, die Gefahrlosigkeit solcher Eingriffe einzusehen und der Vorsehung etwas unter die
Arme zu greifen. Bemerkenswerth ist, daß man in dem strengkatholischen Baiern das Meiste für
die künstliche Fischzucht gethan hat. Kuffer, städtischer Fischmeister zu München, betreibt sie im
Auftrage der Regierung und zu eigenem Rutzen seit acht Jahren und befruchtet, einem neuerlich
veröffentlichten Berichte des Geheimen Regierungsrathes Oppermann zu Folge, durchschnittlich
jährlich von jeder in Baiern vorkommenden Lachsart gegen dreihunderttausend Eier zum Ausbrüten
in den eigenen Gewässern und ebenso viel zur Versendung nach der Schweiz, Oesterreich, Frankreich,
Jtalien, Rußland, Dänemark und Preußen. Nur in Frankreich und Jtalien haben die Regierungen
sich der hochwichtigen Angelegenheit unmittelbar angenommen; die Abnehmer in den außerdem
genannten Ländern sind große Grundbesitzer, welche ihre Gewässer wieder bevölkern wollen.
Bestellungen gehen ein bis zur Höhe von drei Millionen jährlich, können aber nur zum geringsten
Theile befriedigt werden. Durchschnittlich sind jährlich neunzigtausend junge Lachse erbrütet, binnen
acht Jahren also siebenhundertzwanzigtausend Stück ausgesetzt worden. Man hat wenigstens einen
Anfang gemacht, und dieser ist immerhin als ein Zeichen des Fortschrittes und der allgemeinen
Anerkennung der Naturwissenschaft mit Freuden zu begrüßen.

Unsere deutschen Forscher stellen die Lachse mit kleinem, unbewaffneten, oder mit sehr feinen Zähnen
besetzten Maule und mittelgroßen, fast kreisrunden Schuppen obenan und beginnen die Aufzählung
derselben mit den Renken (Coregonus). Wir verstehen unter dieser Bezeichnung mittelgroße oder

Die Edelfiſche. Lachſe. Renken.

Für den menſchlichen Haushalt haben die Lachſe eine ſehr große Bedeutung. Jhr köſtliches
Fleiſch wird von dem keines anderen Fiſches überboten; es zeichnet ſich aus durch ſchöne Färbung,
iſt grätenlos, ſchmackhaft und leicht verdaulich, ſo daß es ſelbſt Kranke genießen können. Jn unſerem
fiſcharmen Vaterlande gehört es leider zu den ſelten gebotenen Leckerbiſſen, wenigſtens in allen
Gegenden, welche nicht unmittelbar an Flüſſen oder Bergſtrömen und Gebirgsſeen liegen; ſchon in
Skandinavien und Rußland dagegen iſt Dies anders. Hier bildet es ein weſentliches Nahrungsmittel
der Bevölkerung, obgleich es ſelbſt hier noch immer nicht die Bedeutung erlangt, wie in Sibirien
und Nordweſtamerika. Für die in den Küſtenländern am ſtillen Weltmeere und am Eismeere
lebenden Menſchen bilden die Lachſe die hauptſächlichſte Nahrung; ſie und mit ihnen ihre nützlichſten
Hausthiere würden nicht beſtehen können ohne dieſe Fiſche. Jhre wichtigſte Arbeit gilt deren
Fange; um die Lachſe dreht ſich, ſo zu ſagen, das ganze Leben dieſer Leute. Während des Sommers
fängt, trocknet, räuchert, pökelt, ſpeichert man den Reichthum des Meeres auf, welcher jetzt durch
die Flüſſe geboten wird, wendet man alle Mittel an, um ſich den für den Winter unumgänglich
nothwendigen Bedarf an Nahrung zu erwerben.

Die Klage über Verarmung unſerer Gewäſſer bezieht ſich hauptſächlich auf das von Jahr zu
Jahr fühlbarer werdende Abnehmen der Mitglieder dieſer Familie. Aus vergangenen Jahrhunderten
liegen Berichte vor, welche übereinſtimmend angeben, daß man früher den Reichthum der Gewäſſer
nicht auszunutzen vermochte; aber dieſe Berichte ſchon gedenken weiter zurückliegender Zeiten, in
denen der Reichthum noch größer geweſen ſein ſoll. Bereits vor Jahrhunderten wurden Geſetze
erlaſſen zum Schutze dieſer wichtigen Fiſche, welche leichter als alle übrigen aus den Gewäſſern,
wenigſtens aus beſtimmten Flüſſen verbannt werden können. Die Geſetze haben ſich wenig bewährt,
weil man im Laufe der Zeit die Flüſſe mehr und mehr einengte und die Gewäſſer den Gewerken
nutzbar machte, damit aber das Aufſteigen der fortpflanzungsbegierigen Lachſe verhinderte, weil die
Abflüſſe aus Fabriken Bäche und Flüſſe vergifteten, und weil man verabſäumte, der natürlichen
Vermehrung nachzuhelfen. Solche leichtfertige Gleichgiltigkeit gegen ein ſo wichtiges Nahrungs-
mittel hat ſich bitter gerächt, und gegenwärtig ſieht man ſich überall gezwungen, Maßregeln gegen
das Weitergreifen des Uebels zu treffen. Seitdem man die künſtliche Fiſchzucht kennen und aus-
zuüben gelernt hat, iſt es wenigſtens hier und da etwas beſſer geworden. Jn den lange Zeit
verarmten Flüſſen Schottlands macht ſich der Segen des „menſchlichen Eingriffes in die Gerechtſame
des Schöpfers“ ſchon jetzt in erfreulicher Weiſe bemerklich; in unſerem Vaterlande fängt man
wenigſtens an, die Gefahrloſigkeit ſolcher Eingriffe einzuſehen und der Vorſehung etwas unter die
Arme zu greifen. Bemerkenswerth iſt, daß man in dem ſtrengkatholiſchen Baiern das Meiſte für
die künſtliche Fiſchzucht gethan hat. Kuffer, ſtädtiſcher Fiſchmeiſter zu München, betreibt ſie im
Auftrage der Regierung und zu eigenem Rutzen ſeit acht Jahren und befruchtet, einem neuerlich
veröffentlichten Berichte des Geheimen Regierungsrathes Oppermann zu Folge, durchſchnittlich
jährlich von jeder in Baiern vorkommenden Lachsart gegen dreihunderttauſend Eier zum Ausbrüten
in den eigenen Gewäſſern und ebenſo viel zur Verſendung nach der Schweiz, Oeſterreich, Frankreich,
Jtalien, Rußland, Dänemark und Preußen. Nur in Frankreich und Jtalien haben die Regierungen
ſich der hochwichtigen Angelegenheit unmittelbar angenommen; die Abnehmer in den außerdem
genannten Ländern ſind große Grundbeſitzer, welche ihre Gewäſſer wieder bevölkern wollen.
Beſtellungen gehen ein bis zur Höhe von drei Millionen jährlich, können aber nur zum geringſten
Theile befriedigt werden. Durchſchnittlich ſind jährlich neunzigtauſend junge Lachſe erbrütet, binnen
acht Jahren alſo ſiebenhundertzwanzigtauſend Stück ausgeſetzt worden. Man hat wenigſtens einen
Anfang gemacht, und dieſer iſt immerhin als ein Zeichen des Fortſchrittes und der allgemeinen
Anerkennung der Naturwiſſenſchaft mit Freuden zu begrüßen.

Unſere deutſchen Forſcher ſtellen die Lachſe mit kleinem, unbewaffneten, oder mit ſehr feinen Zähnen
beſetzten Maule und mittelgroßen, faſt kreisrunden Schuppen obenan und beginnen die Aufzählung
derſelben mit den Renken (Coregonus). Wir verſtehen unter dieſer Bezeichnung mittelgroße oder

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[684/0722] Die Edelfiſche. Lachſe. Renken. Für den menſchlichen Haushalt haben die Lachſe eine ſehr große Bedeutung. Jhr köſtliches Fleiſch wird von dem keines anderen Fiſches überboten; es zeichnet ſich aus durch ſchöne Färbung, iſt grätenlos, ſchmackhaft und leicht verdaulich, ſo daß es ſelbſt Kranke genießen können. Jn unſerem fiſcharmen Vaterlande gehört es leider zu den ſelten gebotenen Leckerbiſſen, wenigſtens in allen Gegenden, welche nicht unmittelbar an Flüſſen oder Bergſtrömen und Gebirgsſeen liegen; ſchon in Skandinavien und Rußland dagegen iſt Dies anders. Hier bildet es ein weſentliches Nahrungsmittel der Bevölkerung, obgleich es ſelbſt hier noch immer nicht die Bedeutung erlangt, wie in Sibirien und Nordweſtamerika. Für die in den Küſtenländern am ſtillen Weltmeere und am Eismeere lebenden Menſchen bilden die Lachſe die hauptſächlichſte Nahrung; ſie und mit ihnen ihre nützlichſten Hausthiere würden nicht beſtehen können ohne dieſe Fiſche. Jhre wichtigſte Arbeit gilt deren Fange; um die Lachſe dreht ſich, ſo zu ſagen, das ganze Leben dieſer Leute. Während des Sommers fängt, trocknet, räuchert, pökelt, ſpeichert man den Reichthum des Meeres auf, welcher jetzt durch die Flüſſe geboten wird, wendet man alle Mittel an, um ſich den für den Winter unumgänglich nothwendigen Bedarf an Nahrung zu erwerben. Die Klage über Verarmung unſerer Gewäſſer bezieht ſich hauptſächlich auf das von Jahr zu Jahr fühlbarer werdende Abnehmen der Mitglieder dieſer Familie. Aus vergangenen Jahrhunderten liegen Berichte vor, welche übereinſtimmend angeben, daß man früher den Reichthum der Gewäſſer nicht auszunutzen vermochte; aber dieſe Berichte ſchon gedenken weiter zurückliegender Zeiten, in denen der Reichthum noch größer geweſen ſein ſoll. Bereits vor Jahrhunderten wurden Geſetze erlaſſen zum Schutze dieſer wichtigen Fiſche, welche leichter als alle übrigen aus den Gewäſſern, wenigſtens aus beſtimmten Flüſſen verbannt werden können. Die Geſetze haben ſich wenig bewährt, weil man im Laufe der Zeit die Flüſſe mehr und mehr einengte und die Gewäſſer den Gewerken nutzbar machte, damit aber das Aufſteigen der fortpflanzungsbegierigen Lachſe verhinderte, weil die Abflüſſe aus Fabriken Bäche und Flüſſe vergifteten, und weil man verabſäumte, der natürlichen Vermehrung nachzuhelfen. Solche leichtfertige Gleichgiltigkeit gegen ein ſo wichtiges Nahrungs- mittel hat ſich bitter gerächt, und gegenwärtig ſieht man ſich überall gezwungen, Maßregeln gegen das Weitergreifen des Uebels zu treffen. Seitdem man die künſtliche Fiſchzucht kennen und aus- zuüben gelernt hat, iſt es wenigſtens hier und da etwas beſſer geworden. Jn den lange Zeit verarmten Flüſſen Schottlands macht ſich der Segen des „menſchlichen Eingriffes in die Gerechtſame des Schöpfers“ ſchon jetzt in erfreulicher Weiſe bemerklich; in unſerem Vaterlande fängt man wenigſtens an, die Gefahrloſigkeit ſolcher Eingriffe einzuſehen und der Vorſehung etwas unter die Arme zu greifen. Bemerkenswerth iſt, daß man in dem ſtrengkatholiſchen Baiern das Meiſte für die künſtliche Fiſchzucht gethan hat. Kuffer, ſtädtiſcher Fiſchmeiſter zu München, betreibt ſie im Auftrage der Regierung und zu eigenem Rutzen ſeit acht Jahren und befruchtet, einem neuerlich veröffentlichten Berichte des Geheimen Regierungsrathes Oppermann zu Folge, durchſchnittlich jährlich von jeder in Baiern vorkommenden Lachsart gegen dreihunderttauſend Eier zum Ausbrüten in den eigenen Gewäſſern und ebenſo viel zur Verſendung nach der Schweiz, Oeſterreich, Frankreich, Jtalien, Rußland, Dänemark und Preußen. Nur in Frankreich und Jtalien haben die Regierungen ſich der hochwichtigen Angelegenheit unmittelbar angenommen; die Abnehmer in den außerdem genannten Ländern ſind große Grundbeſitzer, welche ihre Gewäſſer wieder bevölkern wollen. Beſtellungen gehen ein bis zur Höhe von drei Millionen jährlich, können aber nur zum geringſten Theile befriedigt werden. Durchſchnittlich ſind jährlich neunzigtauſend junge Lachſe erbrütet, binnen acht Jahren alſo ſiebenhundertzwanzigtauſend Stück ausgeſetzt worden. Man hat wenigſtens einen Anfang gemacht, und dieſer iſt immerhin als ein Zeichen des Fortſchrittes und der allgemeinen Anerkennung der Naturwiſſenſchaft mit Freuden zu begrüßen. Unſere deutſchen Forſcher ſtellen die Lachſe mit kleinem, unbewaffneten, oder mit ſehr feinen Zähnen beſetzten Maule und mittelgroßen, faſt kreisrunden Schuppen obenan und beginnen die Aufzählung derſelben mit den Renken (Coregonus). Wir verſtehen unter dieſer Bezeichnung mittelgroße oder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/722>, abgerufen am 22.12.2024.