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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Blaufelchen.
kleine Lachsfische mit seitlich etwas zusammengedrücktem Leibe, kleinem, engen, zahnlosen oder mit
sehr feinen, vergänglichen Zähnen bewehrtem Maule, mittelgroßen, leicht abfallenden Schuppen,
kleiner Fettflosse und einer dicht vor den Bauchflossen beginnenden hohen Rückenflosse, welche in
namhafter Anzahl an Arten und Einzelstücken die Gewässer der nördlichen Halbkugel bewohnen, sich
in Gestalt und Lebensweise außerordentlich ähneln und noch heutigentages, trotz der sorgsamsten
Untersuchungen keineswegs mit genügender Sicherheit je nach Art oder Spielart unterschieden werden
konnten. Unser Vaterland beherbergt mindestens sechs Arten dieser Gruppe; in den Seen Groß-
britanniens, Skandinaviens und Südrußlands scheinen andere Arten vorzukommen; wenigstens
werden sie von den Kundigen noch immer als solche angesehen. Das verborgene Leben dieser Fische,
welche nur zu gewissen Zeiten aus den tiefen Gründen, in denen sie sich umhertreiben, aufsteigen,
um ihren Laich abzusetzen, die Schwierigkeit, unerwachsene Junge zu erlangen, und die Aehnlichkeit
der als wirklich verschieden erkannten Arten erklärt die vorsichtige Zurückhaltung, welcher sich gegen-
wärtig unsere Forscher befleißigen, wenn sie von den Renken sprechen. Jch lege dem Nachfolgenden
Siebold's großartige Untersuchungen zu Grunde und beschränke mich auf die Aufzählung der von
ihm als artlich verschieden angesehenen Glieder der Sippe.

Der Blaufelchen, auch Bläuling, Seelen, Gangfisch, Stüben, Halbfelch, Häg-
ling, Albule
und Rheinanken (Coregonus Wartmanni) ist gestreckter gebaut als alle übrigen
Renken, der Kopf verhältnißmäßig klein und niedrig, die dünne Schnauze an der Spitze senkrecht
abgestutzt, der Mund klein, bis auf die mit feinen Hechelzähnen besetzte Zunge zahnlos, die
Rückenflosse höher als lang, das Kleid aus großen, zarten, leicht abfallenden Schuppen zusammen-
gesetzt. Oberkopf und Rücken zeigen auf hellblauem Grunde silbernen Glanz, die Seiten des Kopfes
und des Bauches nur den letzteren; die Seitenlinien sind schwärzlich punktirt, die Flossen gelblichweiß
mit breitem, schwarzen Saume. Jn der Rückenflosse sinden sich 4 und 10 bis 11, in der Brustflosse
1 und 14 bis 15, in der Bauchflosse 2 und 10 bis 11, in der Afterflosse 4 und 11 bis 12, in der
Schwanzflosse 19 Strahlen. An Länge kann der Blaufelchen bis 28 Zoll, an Gewicht bis 3 oder
4 Pfund erreichen. Zu bemerken ist, daß die Gestalt ebenso verschiedentlich abändert als die Färbung.

Der Blaufelchen bewohnt die meisten größeren schweizerischen, bairischen und österreichischen,
auf der Nordseite der Alpen und Voralpen gelegenen Seen, fehlt aber in einigen derselben, so z. B.
im Königs- und Schliersee; es kommen aber auch in den schwedischen und britischen Seen Renken
vor, von denen es noch fraglich ist, ob sie mit dem Blaufelchen als gleichartig angesehen werden
dürfen, d. h. eine ständig gewordene Spielart darstellen oder sich, wie die nordischen Kundigen
annehmen, artlich unterscheiden.

Für gewöhnlich halten sich die Blaufelchen, wie die meisten ihrer Verwandten überhaupt, in den
tiefsten Gründen der Seen auf, nicht selten in Tiefen von hundert Klaftern unter der Oberfläche,
ausnahmsweise nur in Wasserschichten zwischen zwanzig bis fünfzig Klaftern Tiefe. Bei Gewittern
und warmem Regen sollen sie bis auf zwölf und noch weniger Klaftern der Oberfläche sich nähern,
bei Eintritt kühlerer Witterung sofort wieder in die Tiefe versenken. Jn die Flüsse treten sie niemals
ein, wandern also auch nicht von einem See zum anderen. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus
sehr kleinen Wasserthieren, welche in der Tiefe der Binnenseen leben, und von denen viele erst durch
Untersuchung des Mageninhaltes den Forschern bekannt geworden sind. Außerdem fressen unsere
Fische von dem auf dem Grunde der Seen befindlichen Schleime, welcher aus den niedersten Gebilden
der Pflanzen- und Thierwelt in deren ersten Entwicklungszuständen gebildet wird. Zu den
größeren Thieren, welche man in dem Magen der Renken gefunden hat, gehören kleine Krebse,
Wasserschnecken, Würmer und Kerbthierlarven.

Während der Laichzeit gebahren sich die Blaufelchen ganz in ähnlicher Weise wie die Heringe.
Der Fortpflanzungstrieb beschäftigt sie derartig, daß sie ihre bisher gewohnte Lebensweise völlig
umändern. Wie andere Lachse auch, fressen sie, laut Siebold, vor und während der Laichzeit
wochenlang nicht das Geringste. Magen und Eingeweide schrumpfen dem zu Folge außerordentlich

Blaufelchen.
kleine Lachsfiſche mit ſeitlich etwas zuſammengedrücktem Leibe, kleinem, engen, zahnloſen oder mit
ſehr feinen, vergänglichen Zähnen bewehrtem Maule, mittelgroßen, leicht abfallenden Schuppen,
kleiner Fettfloſſe und einer dicht vor den Bauchfloſſen beginnenden hohen Rückenfloſſe, welche in
namhafter Anzahl an Arten und Einzelſtücken die Gewäſſer der nördlichen Halbkugel bewohnen, ſich
in Geſtalt und Lebensweiſe außerordentlich ähneln und noch heutigentages, trotz der ſorgſamſten
Unterſuchungen keineswegs mit genügender Sicherheit je nach Art oder Spielart unterſchieden werden
konnten. Unſer Vaterland beherbergt mindeſtens ſechs Arten dieſer Gruppe; in den Seen Groß-
britanniens, Skandinaviens und Südrußlands ſcheinen andere Arten vorzukommen; wenigſtens
werden ſie von den Kundigen noch immer als ſolche angeſehen. Das verborgene Leben dieſer Fiſche,
welche nur zu gewiſſen Zeiten aus den tiefen Gründen, in denen ſie ſich umhertreiben, aufſteigen,
um ihren Laich abzuſetzen, die Schwierigkeit, unerwachſene Junge zu erlangen, und die Aehnlichkeit
der als wirklich verſchieden erkannten Arten erklärt die vorſichtige Zurückhaltung, welcher ſich gegen-
wärtig unſere Forſcher befleißigen, wenn ſie von den Renken ſprechen. Jch lege dem Nachfolgenden
Siebold’s großartige Unterſuchungen zu Grunde und beſchränke mich auf die Aufzählung der von
ihm als artlich verſchieden angeſehenen Glieder der Sippe.

Der Blaufelchen, auch Bläuling, Seelen, Gangfiſch, Stüben, Halbfelch, Häg-
ling, Albule
und Rheinanken (Coregonus Wartmanni) iſt geſtreckter gebaut als alle übrigen
Renken, der Kopf verhältnißmäßig klein und niedrig, die dünne Schnauze an der Spitze ſenkrecht
abgeſtutzt, der Mund klein, bis auf die mit feinen Hechelzähnen beſetzte Zunge zahnlos, die
Rückenfloſſe höher als lang, das Kleid aus großen, zarten, leicht abfallenden Schuppen zuſammen-
geſetzt. Oberkopf und Rücken zeigen auf hellblauem Grunde ſilbernen Glanz, die Seiten des Kopfes
und des Bauches nur den letzteren; die Seitenlinien ſind ſchwärzlich punktirt, die Floſſen gelblichweiß
mit breitem, ſchwarzen Saume. Jn der Rückenfloſſe ſinden ſich 4 und 10 bis 11, in der Bruſtfloſſe
1 und 14 bis 15, in der Bauchfloſſe 2 und 10 bis 11, in der Afterfloſſe 4 und 11 bis 12, in der
Schwanzfloſſe 19 Strahlen. An Länge kann der Blaufelchen bis 28 Zoll, an Gewicht bis 3 oder
4 Pfund erreichen. Zu bemerken iſt, daß die Geſtalt ebenſo verſchiedentlich abändert als die Färbung.

Der Blaufelchen bewohnt die meiſten größeren ſchweizeriſchen, bairiſchen und öſterreichiſchen,
auf der Nordſeite der Alpen und Voralpen gelegenen Seen, fehlt aber in einigen derſelben, ſo z. B.
im Königs- und Schlierſee; es kommen aber auch in den ſchwediſchen und britiſchen Seen Renken
vor, von denen es noch fraglich iſt, ob ſie mit dem Blaufelchen als gleichartig angeſehen werden
dürfen, d. h. eine ſtändig gewordene Spielart darſtellen oder ſich, wie die nordiſchen Kundigen
annehmen, artlich unterſcheiden.

Für gewöhnlich halten ſich die Blaufelchen, wie die meiſten ihrer Verwandten überhaupt, in den
tiefſten Gründen der Seen auf, nicht ſelten in Tiefen von hundert Klaftern unter der Oberfläche,
ausnahmsweiſe nur in Waſſerſchichten zwiſchen zwanzig bis fünfzig Klaftern Tiefe. Bei Gewittern
und warmem Regen ſollen ſie bis auf zwölf und noch weniger Klaftern der Oberfläche ſich nähern,
bei Eintritt kühlerer Witterung ſofort wieder in die Tiefe verſenken. Jn die Flüſſe treten ſie niemals
ein, wandern alſo auch nicht von einem See zum anderen. Die Nahrung beſteht hauptſächlich aus
ſehr kleinen Waſſerthieren, welche in der Tiefe der Binnenſeen leben, und von denen viele erſt durch
Unterſuchung des Mageninhaltes den Forſchern bekannt geworden ſind. Außerdem freſſen unſere
Fiſche von dem auf dem Grunde der Seen befindlichen Schleime, welcher aus den niederſten Gebilden
der Pflanzen- und Thierwelt in deren erſten Entwicklungszuſtänden gebildet wird. Zu den
größeren Thieren, welche man in dem Magen der Renken gefunden hat, gehören kleine Krebſe,
Waſſerſchnecken, Würmer und Kerbthierlarven.

Während der Laichzeit gebahren ſich die Blaufelchen ganz in ähnlicher Weiſe wie die Heringe.
Der Fortpflanzungstrieb beſchäftigt ſie derartig, daß ſie ihre bisher gewohnte Lebensweiſe völlig
umändern. Wie andere Lachſe auch, freſſen ſie, laut Siebold, vor und während der Laichzeit
wochenlang nicht das Geringſte. Magen und Eingeweide ſchrumpfen dem zu Folge außerordentlich

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[685/0723] Blaufelchen. kleine Lachsfiſche mit ſeitlich etwas zuſammengedrücktem Leibe, kleinem, engen, zahnloſen oder mit ſehr feinen, vergänglichen Zähnen bewehrtem Maule, mittelgroßen, leicht abfallenden Schuppen, kleiner Fettfloſſe und einer dicht vor den Bauchfloſſen beginnenden hohen Rückenfloſſe, welche in namhafter Anzahl an Arten und Einzelſtücken die Gewäſſer der nördlichen Halbkugel bewohnen, ſich in Geſtalt und Lebensweiſe außerordentlich ähneln und noch heutigentages, trotz der ſorgſamſten Unterſuchungen keineswegs mit genügender Sicherheit je nach Art oder Spielart unterſchieden werden konnten. Unſer Vaterland beherbergt mindeſtens ſechs Arten dieſer Gruppe; in den Seen Groß- britanniens, Skandinaviens und Südrußlands ſcheinen andere Arten vorzukommen; wenigſtens werden ſie von den Kundigen noch immer als ſolche angeſehen. Das verborgene Leben dieſer Fiſche, welche nur zu gewiſſen Zeiten aus den tiefen Gründen, in denen ſie ſich umhertreiben, aufſteigen, um ihren Laich abzuſetzen, die Schwierigkeit, unerwachſene Junge zu erlangen, und die Aehnlichkeit der als wirklich verſchieden erkannten Arten erklärt die vorſichtige Zurückhaltung, welcher ſich gegen- wärtig unſere Forſcher befleißigen, wenn ſie von den Renken ſprechen. Jch lege dem Nachfolgenden Siebold’s großartige Unterſuchungen zu Grunde und beſchränke mich auf die Aufzählung der von ihm als artlich verſchieden angeſehenen Glieder der Sippe. Der Blaufelchen, auch Bläuling, Seelen, Gangfiſch, Stüben, Halbfelch, Häg- ling, Albule und Rheinanken (Coregonus Wartmanni) iſt geſtreckter gebaut als alle übrigen Renken, der Kopf verhältnißmäßig klein und niedrig, die dünne Schnauze an der Spitze ſenkrecht abgeſtutzt, der Mund klein, bis auf die mit feinen Hechelzähnen beſetzte Zunge zahnlos, die Rückenfloſſe höher als lang, das Kleid aus großen, zarten, leicht abfallenden Schuppen zuſammen- geſetzt. Oberkopf und Rücken zeigen auf hellblauem Grunde ſilbernen Glanz, die Seiten des Kopfes und des Bauches nur den letzteren; die Seitenlinien ſind ſchwärzlich punktirt, die Floſſen gelblichweiß mit breitem, ſchwarzen Saume. Jn der Rückenfloſſe ſinden ſich 4 und 10 bis 11, in der Bruſtfloſſe 1 und 14 bis 15, in der Bauchfloſſe 2 und 10 bis 11, in der Afterfloſſe 4 und 11 bis 12, in der Schwanzfloſſe 19 Strahlen. An Länge kann der Blaufelchen bis 28 Zoll, an Gewicht bis 3 oder 4 Pfund erreichen. Zu bemerken iſt, daß die Geſtalt ebenſo verſchiedentlich abändert als die Färbung. Der Blaufelchen bewohnt die meiſten größeren ſchweizeriſchen, bairiſchen und öſterreichiſchen, auf der Nordſeite der Alpen und Voralpen gelegenen Seen, fehlt aber in einigen derſelben, ſo z. B. im Königs- und Schlierſee; es kommen aber auch in den ſchwediſchen und britiſchen Seen Renken vor, von denen es noch fraglich iſt, ob ſie mit dem Blaufelchen als gleichartig angeſehen werden dürfen, d. h. eine ſtändig gewordene Spielart darſtellen oder ſich, wie die nordiſchen Kundigen annehmen, artlich unterſcheiden. Für gewöhnlich halten ſich die Blaufelchen, wie die meiſten ihrer Verwandten überhaupt, in den tiefſten Gründen der Seen auf, nicht ſelten in Tiefen von hundert Klaftern unter der Oberfläche, ausnahmsweiſe nur in Waſſerſchichten zwiſchen zwanzig bis fünfzig Klaftern Tiefe. Bei Gewittern und warmem Regen ſollen ſie bis auf zwölf und noch weniger Klaftern der Oberfläche ſich nähern, bei Eintritt kühlerer Witterung ſofort wieder in die Tiefe verſenken. Jn die Flüſſe treten ſie niemals ein, wandern alſo auch nicht von einem See zum anderen. Die Nahrung beſteht hauptſächlich aus ſehr kleinen Waſſerthieren, welche in der Tiefe der Binnenſeen leben, und von denen viele erſt durch Unterſuchung des Mageninhaltes den Forſchern bekannt geworden ſind. Außerdem freſſen unſere Fiſche von dem auf dem Grunde der Seen befindlichen Schleime, welcher aus den niederſten Gebilden der Pflanzen- und Thierwelt in deren erſten Entwicklungszuſtänden gebildet wird. Zu den größeren Thieren, welche man in dem Magen der Renken gefunden hat, gehören kleine Krebſe, Waſſerſchnecken, Würmer und Kerbthierlarven. Während der Laichzeit gebahren ſich die Blaufelchen ganz in ähnlicher Weiſe wie die Heringe. Der Fortpflanzungstrieb beſchäftigt ſie derartig, daß ſie ihre bisher gewohnte Lebensweiſe völlig umändern. Wie andere Lachſe auch, freſſen ſie, laut Siebold, vor und während der Laichzeit wochenlang nicht das Geringſte. Magen und Eingeweide ſchrumpfen dem zu Folge außerordentlich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/723>, abgerufen am 22.12.2024.