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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Meeraal. Muräne.
liegen läßt, welche seine Aufenthaltsorte und Schlupfwinkel kennen gelernt haben, und es sich die
Mühe nicht verdrießen lassen, sie regelmäßig abzusuchen.



Bei den alten Römern stand das Fleisch eines zu unserer Familie zählenden Fisches, der
Muräne, in sehr hohem Ansehen. Jhr zu Liebe dämmten sie Teiche und Meere ein und besetzten
diese reichlich, um stets den nöthigen Bedarf für ihre Schwelgereien bei der Hand zu haben. Nach einer
Angabe von Plinius war es Hirius, welcher zuerst einen solchen Teich anlegte und so stark
bevölkerte, daß er bei Cäsar's Triumphzug seinen Freunden sechstausend Stück auf die Tafel bringen
konnte. "Von Crasso dem Römer wirt geschrieben, daß er in einen Weyer habe ein sehr schönen grossen
Muraal gehabt, welchen er sehr geliebt, jhn mit güldinen Kleinoten gezieret, welcher Muraal die
stimm deß Crassi erkennt, jm nach an das gestad zu schwimmen, speiß auß seiner hand zunehmen
gepflegt habe: welcher Fisch als er gestorben, sol der Crassus vmb jhm getrauert, jhn bestattet vnd
beweinet haben." Wenn eine Geschichte, welche außerdem erzählt, sich wirklich zugetragen, verleitete
die Muräne andere Römer zu den größten Scheußlichkeiten. Vidius Pollio nämlich soll in
Erfahrung gebracht haben, daß die beste Mast der Muräne Menschenfleisch sei, und diesem Wahne
mehrere seiner Sklaven geopfert, d. h. deren Vergehen durch Ertränken in seinen Muränenteichen
bestraft haben! Jedenfalls gehörte dieser Fisch zu denen, welche die Alten am Genauesten kannten
oder wenigstens zu kennen wähnten; denn gar sonderbare Dinge wurden erzählt von seinem Wesen
und Gebahren. Abgesehen von dem Berichte der "wunderbaren vermischung mit den jrdischen
Schlangen oder Natern, welche nicht allein von den Heyden, sondern auch von etlichen berümbten
Theologen vnd Außlegern der heiligen Schrifft als ein warhafftige art, auß der sag deß gemeinen
mans geschrieben worden", berichtete man noch viel von Feindschaften und Kämpfen der Muränen,
nach Geßner, welcher allen Stoff redlich zusammengetragen, zunächst noch Folgendes: "Die
Muraal halten sich in die löcher der steinen vnd Felsen, so voller kleiner Muschelfischen sind, dann
sie sind fleischfressig, haben ein sondern lust ob dem grossen Kuttelfisch zu jhrer nahrung, freuven sich
der süssen vnd gesaltznen Wassern, wiewol sie in keine Flüß herauff kommen sollen, mögen lange
Zeit ausser dem Wasser geleben nach art der älen, dann sie haben kleine oder wenig Fischohren. Sie
leychen zu aller zeit durch das gantz Jahr, haben kein gewiß zeit, nach art der mehrer theil Fischen,
leychen in grosser menge kleine röglin oder eyer, welche in kurtzer zeit in gute grösse erwachsen.
Durch den Winter halten sie sich verborgen in den Löchern, werden selten zur selben zeit gefangen.
Zu mercken ist daß diese Fisch jhr leben in dem schwantz haben sollen, welchen so man jhn schlegt, so
sterben sie leichtlich zur stund, so man jhnen aber den kopff schlegt, sterben sie hart, nicht ohne arbeit.
So diese Fisch essig versuchen, werden sie mächtig grimm vnd wütend, dann sie kempffen, streiten,
verletzen vnd beschirmen sich mit jhren Zänen, welche sie haben zweyfachter Ordnung. Dem Meeraal
ist er gehaß, frißt jm seinen schwantz ab. Ein tödtlichen haß haben zusammen der Muraal, groß
Kuttelfisch, vnd Meerstöffel, Locusia genannt. Dann ob gleichwol der große Kuttelfisch sich ver-
wandern kann in die farb der steinen an welchen er klebt, hilfft es jhn doch nichts, dann der Muraal
ist deß wol bewust, vnd so er jn in der höhe hervmb schweiffen ersiht, so scheußt er auff jhn, ergreifft
jhn mit seinem Biß, zwingt und treibt jhn zu kempffen, so lang biß er jn müd, seine Arm abgebissen,
gefressen, vnd den andern leib in stücke zerzerrt hat. Dargegen reitzt der Meerstöffel, so da ist auß
der art der Meerkrebsen, den Muraal zu kampff, mit sondern Listen, indem daß er in die löcher der
Felsen, in welchen der Muraal wohnet, seine hörner streckt, von welchem der Muraal ergrimmet,
jhnen deß kampffs besteht, vnd wiewol der Muraal mit grosser vngestüm jhn anfelt mit seinem Biß,
mag er doch jhn nicht schädigen, auß vrsach daß er mit einer harten schalen voller scharpffer spitzen
bedeckt ist. Der Krebs aber erfasset den Muraal in seine scheren, läst nit nach so lang der Muraal
sich vmb jn her vmb die spitz windet, also sich selbst verwundt vnd stirbt etc."

Meeraal. Muräne.
liegen läßt, welche ſeine Aufenthaltsorte und Schlupfwinkel kennen gelernt haben, und es ſich die
Mühe nicht verdrießen laſſen, ſie regelmäßig abzuſuchen.



Bei den alten Römern ſtand das Fleiſch eines zu unſerer Familie zählenden Fiſches, der
Muräne, in ſehr hohem Anſehen. Jhr zu Liebe dämmten ſie Teiche und Meere ein und beſetzten
dieſe reichlich, um ſtets den nöthigen Bedarf für ihre Schwelgereien bei der Hand zu haben. Nach einer
Angabe von Plinius war es Hirius, welcher zuerſt einen ſolchen Teich anlegte und ſo ſtark
bevölkerte, daß er bei Cäſar’s Triumphzug ſeinen Freunden ſechstauſend Stück auf die Tafel bringen
konnte. „Von Craſſo dem Römer wirt geſchrieben, daß er in einen Weyer habe ein ſehr ſchönen groſſen
Muraal gehabt, welchen er ſehr geliebt, jhn mit güldinen Kleinoten gezieret, welcher Muraal die
ſtimm deß Craſſi erkennt, jm nach an das geſtad zu ſchwimmen, ſpeiß auß ſeiner hand zunehmen
gepflegt habe: welcher Fiſch als er geſtorben, ſol der Craſſus vmb jhm getrauert, jhn beſtattet vnd
beweinet haben.“ Wenn eine Geſchichte, welche außerdem erzählt, ſich wirklich zugetragen, verleitete
die Muräne andere Römer zu den größten Scheußlichkeiten. Vidius Pollio nämlich ſoll in
Erfahrung gebracht haben, daß die beſte Maſt der Muräne Menſchenfleiſch ſei, und dieſem Wahne
mehrere ſeiner Sklaven geopfert, d. h. deren Vergehen durch Ertränken in ſeinen Muränenteichen
beſtraft haben! Jedenfalls gehörte dieſer Fiſch zu denen, welche die Alten am Genaueſten kannten
oder wenigſtens zu kennen wähnten; denn gar ſonderbare Dinge wurden erzählt von ſeinem Weſen
und Gebahren. Abgeſehen von dem Berichte der „wunderbaren vermiſchung mit den jrdiſchen
Schlangen oder Natern, welche nicht allein von den Heyden, ſondern auch von etlichen berümbten
Theologen vnd Außlegern der heiligen Schrifft als ein warhafftige art, auß der ſag deß gemeinen
mans geſchrieben worden“, berichtete man noch viel von Feindſchaften und Kämpfen der Muränen,
nach Geßner, welcher allen Stoff redlich zuſammengetragen, zunächſt noch Folgendes: „Die
Muraal halten ſich in die löcher der ſteinen vnd Felſen, ſo voller kleiner Muſchelfiſchen ſind, dann
ſie ſind fleiſchfreſſig, haben ein ſondern luſt ob dem groſſen Kuttelfiſch zu jhrer nahrung, freuven ſich
der ſüſſen vnd geſaltznen Waſſern, wiewol ſie in keine Flüß herauff kommen ſollen, mögen lange
Zeit auſſer dem Waſſer geleben nach art der älen, dann ſie haben kleine oder wenig Fiſchohren. Sie
leychen zu aller zeit durch das gantz Jahr, haben kein gewiß zeit, nach art der mehrer theil Fiſchen,
leychen in groſſer menge kleine röglin oder eyer, welche in kurtzer zeit in gute gröſſe erwachſen.
Durch den Winter halten ſie ſich verborgen in den Löchern, werden ſelten zur ſelben zeit gefangen.
Zu mercken iſt daß dieſe Fiſch jhr leben in dem ſchwantz haben ſollen, welchen ſo man jhn ſchlegt, ſo
ſterben ſie leichtlich zur ſtund, ſo man jhnen aber den kopff ſchlegt, ſterben ſie hart, nicht ohne arbeit.
So dieſe Fiſch eſſig verſuchen, werden ſie mächtig grimm vnd wütend, dann ſie kempffen, ſtreiten,
verletzen vnd beſchirmen ſich mit jhren Zänen, welche ſie haben zweyfachter Ordnung. Dem Meeraal
iſt er gehaß, frißt jm ſeinen ſchwantz ab. Ein tödtlichen haß haben zuſammen der Muraal, groß
Kuttelfiſch, vnd Meerſtöffel, Locuſia genannt. Dann ob gleichwol der große Kuttelfiſch ſich ver-
wandern kann in die farb der ſteinen an welchen er klebt, hilfft es jhn doch nichts, dann der Muraal
iſt deß wol bewuſt, vnd ſo er jn in der höhe hervmb ſchweiffen erſiht, ſo ſcheußt er auff jhn, ergreifft
jhn mit ſeinem Biß, zwingt und treibt jhn zu kempffen, ſo lang biß er jn müd, ſeine Arm abgebiſſen,
gefreſſen, vnd den andern leib in ſtücke zerzerrt hat. Dargegen reitzt der Meerſtöffel, ſo da iſt auß
der art der Meerkrebſen, den Muraal zu kampff, mit ſondern Liſten, indem daß er in die löcher der
Felſen, in welchen der Muraal wohnet, ſeine hörner ſtreckt, von welchem der Muraal ergrimmet,
jhnen deß kampffs beſteht, vnd wiewol der Muraal mit groſſer vngeſtüm jhn anfelt mit ſeinem Biß,
mag er doch jhn nicht ſchädigen, auß vrſach daß er mit einer harten ſchalen voller ſcharpffer ſpitzen
bedeckt iſt. Der Krebs aber erfaſſet den Muraal in ſeine ſcheren, läſt nit nach ſo lang der Muraal
ſich vmb jn her vmb die ſpitz windet, alſo ſich ſelbſt verwundt vnd ſtirbt ꝛc.“

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[747/0789] Meeraal. Muräne. liegen läßt, welche ſeine Aufenthaltsorte und Schlupfwinkel kennen gelernt haben, und es ſich die Mühe nicht verdrießen laſſen, ſie regelmäßig abzuſuchen. Bei den alten Römern ſtand das Fleiſch eines zu unſerer Familie zählenden Fiſches, der Muräne, in ſehr hohem Anſehen. Jhr zu Liebe dämmten ſie Teiche und Meere ein und beſetzten dieſe reichlich, um ſtets den nöthigen Bedarf für ihre Schwelgereien bei der Hand zu haben. Nach einer Angabe von Plinius war es Hirius, welcher zuerſt einen ſolchen Teich anlegte und ſo ſtark bevölkerte, daß er bei Cäſar’s Triumphzug ſeinen Freunden ſechstauſend Stück auf die Tafel bringen konnte. „Von Craſſo dem Römer wirt geſchrieben, daß er in einen Weyer habe ein ſehr ſchönen groſſen Muraal gehabt, welchen er ſehr geliebt, jhn mit güldinen Kleinoten gezieret, welcher Muraal die ſtimm deß Craſſi erkennt, jm nach an das geſtad zu ſchwimmen, ſpeiß auß ſeiner hand zunehmen gepflegt habe: welcher Fiſch als er geſtorben, ſol der Craſſus vmb jhm getrauert, jhn beſtattet vnd beweinet haben.“ Wenn eine Geſchichte, welche außerdem erzählt, ſich wirklich zugetragen, verleitete die Muräne andere Römer zu den größten Scheußlichkeiten. Vidius Pollio nämlich ſoll in Erfahrung gebracht haben, daß die beſte Maſt der Muräne Menſchenfleiſch ſei, und dieſem Wahne mehrere ſeiner Sklaven geopfert, d. h. deren Vergehen durch Ertränken in ſeinen Muränenteichen beſtraft haben! Jedenfalls gehörte dieſer Fiſch zu denen, welche die Alten am Genaueſten kannten oder wenigſtens zu kennen wähnten; denn gar ſonderbare Dinge wurden erzählt von ſeinem Weſen und Gebahren. Abgeſehen von dem Berichte der „wunderbaren vermiſchung mit den jrdiſchen Schlangen oder Natern, welche nicht allein von den Heyden, ſondern auch von etlichen berümbten Theologen vnd Außlegern der heiligen Schrifft als ein warhafftige art, auß der ſag deß gemeinen mans geſchrieben worden“, berichtete man noch viel von Feindſchaften und Kämpfen der Muränen, nach Geßner, welcher allen Stoff redlich zuſammengetragen, zunächſt noch Folgendes: „Die Muraal halten ſich in die löcher der ſteinen vnd Felſen, ſo voller kleiner Muſchelfiſchen ſind, dann ſie ſind fleiſchfreſſig, haben ein ſondern luſt ob dem groſſen Kuttelfiſch zu jhrer nahrung, freuven ſich der ſüſſen vnd geſaltznen Waſſern, wiewol ſie in keine Flüß herauff kommen ſollen, mögen lange Zeit auſſer dem Waſſer geleben nach art der älen, dann ſie haben kleine oder wenig Fiſchohren. Sie leychen zu aller zeit durch das gantz Jahr, haben kein gewiß zeit, nach art der mehrer theil Fiſchen, leychen in groſſer menge kleine röglin oder eyer, welche in kurtzer zeit in gute gröſſe erwachſen. Durch den Winter halten ſie ſich verborgen in den Löchern, werden ſelten zur ſelben zeit gefangen. Zu mercken iſt daß dieſe Fiſch jhr leben in dem ſchwantz haben ſollen, welchen ſo man jhn ſchlegt, ſo ſterben ſie leichtlich zur ſtund, ſo man jhnen aber den kopff ſchlegt, ſterben ſie hart, nicht ohne arbeit. So dieſe Fiſch eſſig verſuchen, werden ſie mächtig grimm vnd wütend, dann ſie kempffen, ſtreiten, verletzen vnd beſchirmen ſich mit jhren Zänen, welche ſie haben zweyfachter Ordnung. Dem Meeraal iſt er gehaß, frißt jm ſeinen ſchwantz ab. Ein tödtlichen haß haben zuſammen der Muraal, groß Kuttelfiſch, vnd Meerſtöffel, Locuſia genannt. Dann ob gleichwol der große Kuttelfiſch ſich ver- wandern kann in die farb der ſteinen an welchen er klebt, hilfft es jhn doch nichts, dann der Muraal iſt deß wol bewuſt, vnd ſo er jn in der höhe hervmb ſchweiffen erſiht, ſo ſcheußt er auff jhn, ergreifft jhn mit ſeinem Biß, zwingt und treibt jhn zu kempffen, ſo lang biß er jn müd, ſeine Arm abgebiſſen, gefreſſen, vnd den andern leib in ſtücke zerzerrt hat. Dargegen reitzt der Meerſtöffel, ſo da iſt auß der art der Meerkrebſen, den Muraal zu kampff, mit ſondern Liſten, indem daß er in die löcher der Felſen, in welchen der Muraal wohnet, ſeine hörner ſtreckt, von welchem der Muraal ergrimmet, jhnen deß kampffs beſteht, vnd wiewol der Muraal mit groſſer vngeſtüm jhn anfelt mit ſeinem Biß, mag er doch jhn nicht ſchädigen, auß vrſach daß er mit einer harten ſchalen voller ſcharpffer ſpitzen bedeckt iſt. Der Krebs aber erfaſſet den Muraal in ſeine ſcheren, läſt nit nach ſo lang der Muraal ſich vmb jn her vmb die ſpitz windet, alſo ſich ſelbſt verwundt vnd ſtirbt ꝛc.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/789>, abgerufen am 22.12.2024.