werden als von anderen, so von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als scharf bezeichnet werden kann, steht dahin.
Aus dem Gebahren der Haifische geht mit unbestreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geistigen Fähigkeiten ausgebildeter sind als bei allen übrigen Fischen, so oft auch ihre ungestüme Raubsucht und Unbedachtsamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widersprechen scheint. Auf Ersteres deutet die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche sie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher sie bestimmte Plätze besuchen, das Gedächtniß, welches sie bei solchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewissem Sinne auch ihr schon erwähntes Verhältniß zum Lootsenfisch, dessen Dienste sie sich zu Nutzen machen, die Hartnäckigkeit, mit welcher sie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für sie abfällt, die Liebe, welche sie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindesten bethätigen sollen), und Anderes mehr. Aber freilich, ihr unersättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier stellt jene Eigenschaften oft tief in Schatten und läßt sie geradezu sinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorstehenden zur Genüge hervorgegangen, als eine der hauptsächlichsten Eigenschaften aller Fische bezeichnet werden; unter dem gefräßigen Heere aber sind sie unbedingt die gefräßigsten. "Sind zu ihrer grösse", sagt der alte Geßner sehr richtig vom Menschenhai, "gantz schneller bewegniß, räubig vnd arglistig, für all ander Fisch geil, frefelig, hochprächtig, stoltz vnd vnverschampt, also daß sie auch zu zeiten den Fischern die Fisch auß den reussen vnd garnen fressen." Wenn von ihrer Unersättlichkeit gesprochen wird, muß Dies buchstäblich verstanden werden. Es quält sie wirklich ein niemals zu stillender Heißhunger. Alle Nahrungsmittel, welche sie verschlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb sind sie genöthigt, den fortwährend rasch sich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie fressen alles Genießbare, ja sogar Alles, was genießbar scheint; denn man hat schon die verschieden- artigsten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackson erlegt wurde, enthielt einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleisch, ein Stück Sackleinen und einen Schiffskratzer. Andere Haie sah man die verschiedenartigsten Dinge verschlingen, welche man ihnen vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsstücke ebenso wohl als Speck oder Stockfisch u. dgl., pflanzliche Stoffe mit gleicher Gier wie thierische, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht sie mit dem Strauß und meint, man müsse annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich sei, da sie die Zinnkannen, welche sie verschlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti versichert, daß man in den Tonaren Thiere dieser Art fange, welche drei- bis viertausend Pfund wiegen und setzt hinzu, daß allerdings auch ein sehr großer Körper erforderlich sei, um acht bis zehn Tunfische auf einmal zu verschlucken, wie diese Haie es im Stande sind. Die Besitzer der Tonaren werden durch sie ununter- brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfische unter den Tunen entsetzlich hausen und, wenn sie gefangen werden, durch den Gewinn, welchen sie abwerfen, den Fischern die ausgestandene Angst doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen sie sich den Wanst mit dem verschiedenartigsten Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett untersucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fischen der verschiedensten Art, Kalmars und anderen Tintenfischen vollgestopft, zur Verwunderung unseres Forschers, welcher anfänglich nicht begreifen konnte, wie es dem Riesen möglich, derartige behende Beute in solchen Massen zu fangen und erst später zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt, sich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, sondern auch mit aufgesperrtem Maule durch die Wellen zieht und Alles verschlingt, was sich bei dieser Gelegenheit fängt.
Das einstige Glück des Propheten Jonas wird den sündhaften Menschenkindern unserer Tage äußerst selten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall soll verbürgt, ein Matrose nämlich, welcher von einem Haifisch verschlungen worden war, wieder ausgespieen worden sein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode verwundet hatte. Außer dieser Erzählung wissen unsere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und ist es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-
Die Quermäuler. Menſchenhaie.
werden als von anderen, ſo von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als ſcharf bezeichnet werden kann, ſteht dahin.
Aus dem Gebahren der Haifiſche geht mit unbeſtreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geiſtigen Fähigkeiten ausgebildeter ſind als bei allen übrigen Fiſchen, ſo oft auch ihre ungeſtüme Raubſucht und Unbedachtſamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widerſprechen ſcheint. Auf Erſteres deutet die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche ſie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher ſie beſtimmte Plätze beſuchen, das Gedächtniß, welches ſie bei ſolchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewiſſem Sinne auch ihr ſchon erwähntes Verhältniß zum Lootſenfiſch, deſſen Dienſte ſie ſich zu Nutzen machen, die Hartnäckigkeit, mit welcher ſie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für ſie abfällt, die Liebe, welche ſie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindeſten bethätigen ſollen), und Anderes mehr. Aber freilich, ihr unerſättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier ſtellt jene Eigenſchaften oft tief in Schatten und läßt ſie geradezu ſinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorſtehenden zur Genüge hervorgegangen, als eine der hauptſächlichſten Eigenſchaften aller Fiſche bezeichnet werden; unter dem gefräßigen Heere aber ſind ſie unbedingt die gefräßigſten. „Sind zu ihrer gröſſe“, ſagt der alte Geßner ſehr richtig vom Menſchenhai, „gantz ſchneller bewegniß, räubig vnd argliſtig, für all ander Fiſch geil, frefelig, hochprächtig, ſtoltz vnd vnverſchampt, alſo daß ſie auch zu zeiten den Fiſchern die Fiſch auß den reuſſen vnd garnen freſſen.“ Wenn von ihrer Unerſättlichkeit geſprochen wird, muß Dies buchſtäblich verſtanden werden. Es quält ſie wirklich ein niemals zu ſtillender Heißhunger. Alle Nahrungsmittel, welche ſie verſchlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb ſind ſie genöthigt, den fortwährend raſch ſich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie freſſen alles Genießbare, ja ſogar Alles, was genießbar ſcheint; denn man hat ſchon die verſchieden- artigſten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackſon erlegt wurde, enthielt einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleiſch, ein Stück Sackleinen und einen Schiffskratzer. Andere Haie ſah man die verſchiedenartigſten Dinge verſchlingen, welche man ihnen vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsſtücke ebenſo wohl als Speck oder Stockfiſch u. dgl., pflanzliche Stoffe mit gleicher Gier wie thieriſche, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht ſie mit dem Strauß und meint, man müſſe annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich ſei, da ſie die Zinnkannen, welche ſie verſchlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti verſichert, daß man in den Tonaren Thiere dieſer Art fange, welche drei- bis viertauſend Pfund wiegen und ſetzt hinzu, daß allerdings auch ein ſehr großer Körper erforderlich ſei, um acht bis zehn Tunfiſche auf einmal zu verſchlucken, wie dieſe Haie es im Stande ſind. Die Beſitzer der Tonaren werden durch ſie ununter- brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfiſche unter den Tunen entſetzlich hauſen und, wenn ſie gefangen werden, durch den Gewinn, welchen ſie abwerfen, den Fiſchern die ausgeſtandene Angſt doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen ſie ſich den Wanſt mit dem verſchiedenartigſten Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett unterſucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fiſchen der verſchiedenſten Art, Kalmars und anderen Tintenfiſchen vollgeſtopft, zur Verwunderung unſeres Forſchers, welcher anfänglich nicht begreifen konnte, wie es dem Rieſen möglich, derartige behende Beute in ſolchen Maſſen zu fangen und erſt ſpäter zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt, ſich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, ſondern auch mit aufgeſperrtem Maule durch die Wellen zieht und Alles verſchlingt, was ſich bei dieſer Gelegenheit fängt.
Das einſtige Glück des Propheten Jonas wird den ſündhaften Menſchenkindern unſerer Tage äußerſt ſelten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall ſoll verbürgt, ein Matroſe nämlich, welcher von einem Haifiſch verſchlungen worden war, wieder ausgeſpieen worden ſein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode verwundet hatte. Außer dieſer Erzählung wiſſen unſere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und iſt es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-
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Die Quermäuler. Menſchenhaie.
werden als von anderen, ſo von Negern mehr als von Weißen. Ob auch ihr Gehör als ſcharf
bezeichnet werden kann, ſteht dahin.
Aus dem Gebahren der Haifiſche geht mit unbeſtreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geiſtigen
Fähigkeiten ausgebildeter ſind als bei allen übrigen Fiſchen, ſo oft auch ihre ungeſtüme Raubſucht
und Unbedachtſamkeit beim Anblick einer Beute Dem zu widerſprechen ſcheint. Auf Erſteres deutet
die Planmäßigkeit ihrer Jagden, welche ſie ausführen, die Regelmäßigkeit, mit welcher ſie beſtimmte
Plätze beſuchen, das Gedächtniß, welches ſie bei ſolchen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewiſſem Sinne
auch ihr ſchon erwähntes Verhältniß zum Lootſenfiſch, deſſen Dienſte ſie ſich zu Nutzen machen, die
Hartnäckigkeit, mit welcher ſie Schiffe begleiten, von denen immer Etwas für ſie abfällt, die Liebe,
welche ſie gegen ihre Jungen bethätigen, (zum Mindeſten bethätigen ſollen), und Anderes mehr. Aber
freilich, ihr unerſättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier ſtellt jene Eigenſchaften oft tief in
Schatten und läßt ſie geradezu ſinnlos handeln. Gefräßigkeit darf, wie aus dem Vorſtehenden zur
Genüge hervorgegangen, als eine der hauptſächlichſten Eigenſchaften aller Fiſche bezeichnet werden;
unter dem gefräßigen Heere aber ſind ſie unbedingt die gefräßigſten. „Sind zu ihrer gröſſe“, ſagt der
alte Geßner ſehr richtig vom Menſchenhai, „gantz ſchneller bewegniß, räubig vnd argliſtig, für all
ander Fiſch geil, frefelig, hochprächtig, ſtoltz vnd vnverſchampt, alſo daß ſie auch zu zeiten den Fiſchern
die Fiſch auß den reuſſen vnd garnen freſſen.“ Wenn von ihrer Unerſättlichkeit geſprochen wird,
muß Dies buchſtäblich verſtanden werden. Es quält ſie wirklich ein niemals zu ſtillender Heißhunger.
Alle Nahrungsmittel, welche ſie verſchlingen, gehen nur halbverdaut wieder weg, und deßhalb ſind
ſie genöthigt, den fortwährend raſch ſich entleerenden Magen immer von Neuem zu füllen. Sie
freſſen alles Genießbare, ja ſogar Alles, was genießbar ſcheint; denn man hat ſchon die verſchieden-
artigſten Dinge gefunden. Der Magen eines der Weißhaie, welcher bei Jackſon erlegt wurde, enthielt
einen halben Schinken, einige Schafbeine, das Hintertheil eines Schweines, das Haupt und die
Vorderbeine eines Bulldoggen, eine Menge von Pferdefleiſch, ein Stück Sackleinen und einen
Schiffskratzer. Andere Haie ſah man die verſchiedenartigſten Dinge verſchlingen, welche man ihnen
vom Schiffe aus zuwarf, Kleidungsſtücke ebenſo wohl als Speck oder Stockfiſch u. dgl., pflanzliche
Stoffe mit gleicher Gier wie thieriſche, wirklich nährfähige. Bennett vergleicht ſie mit dem Strauß
und meint, man müſſe annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit Nichts unmöglich ſei, da ſie die
Zinnkannen, welche ſie verſchlucken, doch wieder los werden müßten; Cetti verſichert, daß man in
den Tonaren Thiere dieſer Art fange, welche drei- bis viertauſend Pfund wiegen und ſetzt hinzu, daß
allerdings auch ein ſehr großer Körper erforderlich ſei, um acht bis zehn Tunfiſche auf einmal zu
verſchlucken, wie dieſe Haie es im Stande ſind. Die Beſitzer der Tonaren werden durch ſie ununter-
brochen in Furcht gehalten, weil die Raubfiſche unter den Tunen entſetzlich hauſen und, wenn ſie
gefangen werden, durch den Gewinn, welchen ſie abwerfen, den Fiſchern die ausgeſtandene Angſt
doch nur mäßig vergüten. Auf hohem Meere füllen ſie ſich den Wanſt mit dem verſchiedenartigſten
Seegethier, welches ihnen vorkommt. Einer, welcher auf hoher See harpunirt und von Bennett
unterſucht wurde, hatte den Magen zum Platzen mit kleinen Fiſchen der verſchiedenſten Art, Kalmars
und anderen Tintenfiſchen vollgeſtopft, zur Verwunderung unſeres Forſchers, welcher anfänglich nicht
begreifen konnte, wie es dem Rieſen möglich, derartige behende Beute in ſolchen Maſſen zu fangen
und erſt ſpäter zu dem Schluß geführt wurde, daß der Hai keineswegs, wie man gewöhnlich annimmt,
ſich auf die Seite wälzt, um eine Beute aufzunehmen, ſondern auch mit aufgeſperrtem Maule durch
die Wellen zieht und Alles verſchlingt, was ſich bei dieſer Gelegenheit fängt.
Das einſtige Glück des Propheten Jonas wird den ſündhaften Menſchenkindern unſerer Tage
äußerſt ſelten und niemals in gleichem Umfange zu theil. Ein ähnlicher Fall ſoll verbürgt, ein
Matroſe nämlich, welcher von einem Haifiſch verſchlungen worden war, wieder ausgeſpieen worden
ſein, als der Führer des Schiffes den Räuber mit einer glücklich treffenden Kanonenkugel zum Tode
verwundet hatte. Außer dieſer Erzählung wiſſen unſere Bücher nichts Aehnliches zu verzeichnen, und
iſt es neuerdings niemals wieder vorgekommen, daß ein Mann drei Tage lang im Magen eines Hai-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/822>, abgerufen am 22.12.2024.
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