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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Allgemeines.
fisches sich befunden, ohne verdaut zu werden. Auf die vielen Fälle, welche mit dem Abenteuer des
Propheten Jonas in geradem Widerspruche stehen, brauche ich nicht weiter einzugehen, weil fast
jeder Reisende, welcher längere Zeit zur See war, von solchen zu berichten weiß. Schon
Geßner erzählt, daß man in einzelnen Haifischen ganze Menschen gefunden haben soll, "zu
Marsilien auff eine zeit in einem ein gantzer gewapneter Mann"; die neueren Fischkundigen
könnten von hundert und mehr ähnlichen Geschichten berichten. Ein Mensch, welcher innerhalb des
heißen Gürtels, ja selbst im Mittelmeere vom Schiff aus in die See fällt, findet regelmäßig sein
Grab im Magen eines Haifisches, und wenn letztere einmal Menschen verschlungen haben, werden
sie unglaublich frech. Während meines Aufenthaltes in Alerandrien war es unmöglich, im Meere
zu baden, weil ein Haifisch kurz nach einander unmittelbar an den Häufern der Stadt Menschen weg-
geholt hatte. Jm südlichen rothen Meere strandete eines der Ungeheuer bei der Verfolgung eines
Badenden, welcher noch rechtzeitig des Feindes ansichtig geworden, so eilig als möglich auf das Land
sprang und von diesem bis dahin verfolgt wurde. Auch der Dr. Alexander wurde bei Singapore
als er knie tief im Wasser stand, um Muscheln zu suchen, von Haifischen überfallen und verlor dabei
den rechten Stiefel, das halbe rechte Hosenbein und ein Stück Haut vom Schienenbein, würde auch
unzweifelhaft selbst zum Opfer gefallen sein, hätte ein herbeigeeiltes Boot die Fische nicht in die
Flucht geschlagen. Bei längeren Seereisen gewähren die dem Schiffe folgenden, von ihren Lootsen
begleiteten Haie dem Beobachter eine angenehme Unterhaltung; wenn aber das gelbe Fieber auf dem
Schiffe haust und in kurzen Zwischenräumen eine Leiche nach der anderen ins Meer geworfen werden
muß, sind sie wohl geeignet, das Herz auch des Muthigen mit Schrecken zu erfüllen. Während der
Seeschlacht bei Abukir sah man die Haifische zwischen den Schiffen beider Flotten umherschwimmen
und auf die ihnen vom Bord zufallenden Kämpfer lauern; sie ließen sich also nicht einmal durch den
furchtbaren Kanonendonner zurückschrecken. Aeußerst selten läßt der Hai einen ergriffenen Menschen
wieder fahren; doch sind mehrere derartige Fälle bekannt geworden. Es wird noch heutigentages
behauptet, daß es an der Westküste Afrikas Neger geben soll, welche, mit einem scharfen Messer in
der Hand, den Hai im Meere angreifen und ihm den Bauch aufschlitzen, und Diron versichert,
selbst gesehen zu haben, daß die Sandwichinsulaner mit den Haien um die Eingeweide von Schweinen,
welche die Matrosen in das Wasser geworfen, gekämpft hätten.

Ueber die Fortpflanzung weiß man noch immer nichts Bestimmtes. Hinsichtlich der Begattung
stimmen die Berichte ziemlich überein. Eine solche soll nämlich wirklich geschehen, die Haifische sich dem
Ufer nähern, mehrere Männchen um die Weibchen sich streiten und beide Geschlechter während der
Begattung selbst nah der Oberfläche des Wassers dahinschwimmen. Die dreißig bis fünfzig Eier
entwickeln sich im Leibe der Mutter; die Jungen werden als reife, ernährungsfähige Wesen geboren,
sollen jedoch noch eine geraume Zeit von der Mutter geführt und geschützt werden, nöthigenfalls auch
im Maule oder Magen derselben eine Zuflucht finden. Daß man lebende Junge in dem Magen
großer Haifische gefunden hat, unterliegt keinem Zweifel; die außerordentliche Lebenszähigkeit der
Thiere läßt jedoch auch eine andere Deutung zu, als sie die alten Schriftsteller gegeben haben und die
Schiffer unserer Tage zu geben belieben.

Zur Vertilgung der Haie erweisen sich handliche Schußwaffen fast unwirksam. Wenn einer von
ihnen durch eine Büchsenkugel verwundet wird, entfernt er sich mit rasender Eile, und man bleibt im
Zweifel, ob ihm der Schuß tödtlich geworden oder nicht. Netze lassen sich nicht wohl zu seinem Fange
verwenden, weil er sie gewöhnlich entweder zerreißt oder mit seinem furchtbaren Gebiß zerschneidet
und sich so befreit; doch geschieht es, daß einer und der andere auf diese Weise gefangen wird. Am
Wirksamsten ist eine starke Angel, welche an einer Kette befestigt sein muß. Der Köder kann in einem
Fische oder in einem Speckstück, nöthigenfalls auch in einem Bündel Werg bestehen; denn das
Ungethüm schnappt eben nach Allem, was vom Schiffe aus ihm zugeworfen wird. Heuglin beschreibt
den Fang eines derartigen Fisches in sehr anschaulicher Weise. Als er im südlichen rothen Meere
reiste, erlegte er einen Tölpel, welchen ihm der gefällige Bootsmann zu bringen gedachte, deshalb ins

Allgemeines.
fiſches ſich befunden, ohne verdaut zu werden. Auf die vielen Fälle, welche mit dem Abenteuer des
Propheten Jonas in geradem Widerſpruche ſtehen, brauche ich nicht weiter einzugehen, weil faſt
jeder Reiſende, welcher längere Zeit zur See war, von ſolchen zu berichten weiß. Schon
Geßner erzählt, daß man in einzelnen Haifiſchen ganze Menſchen gefunden haben ſoll, „zu
Marſilien auff eine zeit in einem ein gantzer gewapneter Mann“; die neueren Fiſchkundigen
könnten von hundert und mehr ähnlichen Geſchichten berichten. Ein Menſch, welcher innerhalb des
heißen Gürtels, ja ſelbſt im Mittelmeere vom Schiff aus in die See fällt, findet regelmäßig ſein
Grab im Magen eines Haifiſches, und wenn letztere einmal Menſchen verſchlungen haben, werden
ſie unglaublich frech. Während meines Aufenthaltes in Alerandrien war es unmöglich, im Meere
zu baden, weil ein Haifiſch kurz nach einander unmittelbar an den Häufern der Stadt Menſchen weg-
geholt hatte. Jm ſüdlichen rothen Meere ſtrandete eines der Ungeheuer bei der Verfolgung eines
Badenden, welcher noch rechtzeitig des Feindes anſichtig geworden, ſo eilig als möglich auf das Land
ſprang und von dieſem bis dahin verfolgt wurde. Auch der Dr. Alexander wurde bei Singapore
als er knie tief im Waſſer ſtand, um Muſcheln zu ſuchen, von Haifiſchen überfallen und verlor dabei
den rechten Stiefel, das halbe rechte Hoſenbein und ein Stück Haut vom Schienenbein, würde auch
unzweifelhaft ſelbſt zum Opfer gefallen ſein, hätte ein herbeigeeiltes Boot die Fiſche nicht in die
Flucht geſchlagen. Bei längeren Seereiſen gewähren die dem Schiffe folgenden, von ihren Lootſen
begleiteten Haie dem Beobachter eine angenehme Unterhaltung; wenn aber das gelbe Fieber auf dem
Schiffe hauſt und in kurzen Zwiſchenräumen eine Leiche nach der anderen ins Meer geworfen werden
muß, ſind ſie wohl geeignet, das Herz auch des Muthigen mit Schrecken zu erfüllen. Während der
Seeſchlacht bei Abukir ſah man die Haifiſche zwiſchen den Schiffen beider Flotten umherſchwimmen
und auf die ihnen vom Bord zufallenden Kämpfer lauern; ſie ließen ſich alſo nicht einmal durch den
furchtbaren Kanonendonner zurückſchrecken. Aeußerſt ſelten läßt der Hai einen ergriffenen Menſchen
wieder fahren; doch ſind mehrere derartige Fälle bekannt geworden. Es wird noch heutigentages
behauptet, daß es an der Weſtküſte Afrikas Neger geben ſoll, welche, mit einem ſcharfen Meſſer in
der Hand, den Hai im Meere angreifen und ihm den Bauch aufſchlitzen, und Diron verſichert,
ſelbſt geſehen zu haben, daß die Sandwichinſulaner mit den Haien um die Eingeweide von Schweinen,
welche die Matroſen in das Waſſer geworfen, gekämpft hätten.

Ueber die Fortpflanzung weiß man noch immer nichts Beſtimmtes. Hinſichtlich der Begattung
ſtimmen die Berichte ziemlich überein. Eine ſolche ſoll nämlich wirklich geſchehen, die Haifiſche ſich dem
Ufer nähern, mehrere Männchen um die Weibchen ſich ſtreiten und beide Geſchlechter während der
Begattung ſelbſt nah der Oberfläche des Waſſers dahinſchwimmen. Die dreißig bis fünfzig Eier
entwickeln ſich im Leibe der Mutter; die Jungen werden als reife, ernährungsfähige Weſen geboren,
ſollen jedoch noch eine geraume Zeit von der Mutter geführt und geſchützt werden, nöthigenfalls auch
im Maule oder Magen derſelben eine Zuflucht finden. Daß man lebende Junge in dem Magen
großer Haifiſche gefunden hat, unterliegt keinem Zweifel; die außerordentliche Lebenszähigkeit der
Thiere läßt jedoch auch eine andere Deutung zu, als ſie die alten Schriftſteller gegeben haben und die
Schiffer unſerer Tage zu geben belieben.

Zur Vertilgung der Haie erweiſen ſich handliche Schußwaffen faſt unwirkſam. Wenn einer von
ihnen durch eine Büchſenkugel verwundet wird, entfernt er ſich mit raſender Eile, und man bleibt im
Zweifel, ob ihm der Schuß tödtlich geworden oder nicht. Netze laſſen ſich nicht wohl zu ſeinem Fange
verwenden, weil er ſie gewöhnlich entweder zerreißt oder mit ſeinem furchtbaren Gebiß zerſchneidet
und ſich ſo befreit; doch geſchieht es, daß einer und der andere auf dieſe Weiſe gefangen wird. Am
Wirkſamſten iſt eine ſtarke Angel, welche an einer Kette befeſtigt ſein muß. Der Köder kann in einem
Fiſche oder in einem Speckſtück, nöthigenfalls auch in einem Bündel Werg beſtehen; denn das
Ungethüm ſchnappt eben nach Allem, was vom Schiffe aus ihm zugeworfen wird. Heuglin beſchreibt
den Fang eines derartigen Fiſches in ſehr anſchaulicher Weiſe. Als er im ſüdlichen rothen Meere
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[781/0823] Allgemeines. fiſches ſich befunden, ohne verdaut zu werden. Auf die vielen Fälle, welche mit dem Abenteuer des Propheten Jonas in geradem Widerſpruche ſtehen, brauche ich nicht weiter einzugehen, weil faſt jeder Reiſende, welcher längere Zeit zur See war, von ſolchen zu berichten weiß. Schon Geßner erzählt, daß man in einzelnen Haifiſchen ganze Menſchen gefunden haben ſoll, „zu Marſilien auff eine zeit in einem ein gantzer gewapneter Mann“; die neueren Fiſchkundigen könnten von hundert und mehr ähnlichen Geſchichten berichten. Ein Menſch, welcher innerhalb des heißen Gürtels, ja ſelbſt im Mittelmeere vom Schiff aus in die See fällt, findet regelmäßig ſein Grab im Magen eines Haifiſches, und wenn letztere einmal Menſchen verſchlungen haben, werden ſie unglaublich frech. Während meines Aufenthaltes in Alerandrien war es unmöglich, im Meere zu baden, weil ein Haifiſch kurz nach einander unmittelbar an den Häufern der Stadt Menſchen weg- geholt hatte. Jm ſüdlichen rothen Meere ſtrandete eines der Ungeheuer bei der Verfolgung eines Badenden, welcher noch rechtzeitig des Feindes anſichtig geworden, ſo eilig als möglich auf das Land ſprang und von dieſem bis dahin verfolgt wurde. Auch der Dr. Alexander wurde bei Singapore als er knie tief im Waſſer ſtand, um Muſcheln zu ſuchen, von Haifiſchen überfallen und verlor dabei den rechten Stiefel, das halbe rechte Hoſenbein und ein Stück Haut vom Schienenbein, würde auch unzweifelhaft ſelbſt zum Opfer gefallen ſein, hätte ein herbeigeeiltes Boot die Fiſche nicht in die Flucht geſchlagen. Bei längeren Seereiſen gewähren die dem Schiffe folgenden, von ihren Lootſen begleiteten Haie dem Beobachter eine angenehme Unterhaltung; wenn aber das gelbe Fieber auf dem Schiffe hauſt und in kurzen Zwiſchenräumen eine Leiche nach der anderen ins Meer geworfen werden muß, ſind ſie wohl geeignet, das Herz auch des Muthigen mit Schrecken zu erfüllen. Während der Seeſchlacht bei Abukir ſah man die Haifiſche zwiſchen den Schiffen beider Flotten umherſchwimmen und auf die ihnen vom Bord zufallenden Kämpfer lauern; ſie ließen ſich alſo nicht einmal durch den furchtbaren Kanonendonner zurückſchrecken. Aeußerſt ſelten läßt der Hai einen ergriffenen Menſchen wieder fahren; doch ſind mehrere derartige Fälle bekannt geworden. Es wird noch heutigentages behauptet, daß es an der Weſtküſte Afrikas Neger geben ſoll, welche, mit einem ſcharfen Meſſer in der Hand, den Hai im Meere angreifen und ihm den Bauch aufſchlitzen, und Diron verſichert, ſelbſt geſehen zu haben, daß die Sandwichinſulaner mit den Haien um die Eingeweide von Schweinen, welche die Matroſen in das Waſſer geworfen, gekämpft hätten. Ueber die Fortpflanzung weiß man noch immer nichts Beſtimmtes. Hinſichtlich der Begattung ſtimmen die Berichte ziemlich überein. Eine ſolche ſoll nämlich wirklich geſchehen, die Haifiſche ſich dem Ufer nähern, mehrere Männchen um die Weibchen ſich ſtreiten und beide Geſchlechter während der Begattung ſelbſt nah der Oberfläche des Waſſers dahinſchwimmen. Die dreißig bis fünfzig Eier entwickeln ſich im Leibe der Mutter; die Jungen werden als reife, ernährungsfähige Weſen geboren, ſollen jedoch noch eine geraume Zeit von der Mutter geführt und geſchützt werden, nöthigenfalls auch im Maule oder Magen derſelben eine Zuflucht finden. Daß man lebende Junge in dem Magen großer Haifiſche gefunden hat, unterliegt keinem Zweifel; die außerordentliche Lebenszähigkeit der Thiere läßt jedoch auch eine andere Deutung zu, als ſie die alten Schriftſteller gegeben haben und die Schiffer unſerer Tage zu geben belieben. Zur Vertilgung der Haie erweiſen ſich handliche Schußwaffen faſt unwirkſam. Wenn einer von ihnen durch eine Büchſenkugel verwundet wird, entfernt er ſich mit raſender Eile, und man bleibt im Zweifel, ob ihm der Schuß tödtlich geworden oder nicht. Netze laſſen ſich nicht wohl zu ſeinem Fange verwenden, weil er ſie gewöhnlich entweder zerreißt oder mit ſeinem furchtbaren Gebiß zerſchneidet und ſich ſo befreit; doch geſchieht es, daß einer und der andere auf dieſe Weiſe gefangen wird. Am Wirkſamſten iſt eine ſtarke Angel, welche an einer Kette befeſtigt ſein muß. Der Köder kann in einem Fiſche oder in einem Speckſtück, nöthigenfalls auch in einem Bündel Werg beſtehen; denn das Ungethüm ſchnappt eben nach Allem, was vom Schiffe aus ihm zugeworfen wird. Heuglin beſchreibt den Fang eines derartigen Fiſches in ſehr anſchaulicher Weiſe. Als er im ſüdlichen rothen Meere reiſte, erlegte er einen Tölpel, welchen ihm der gefällige Bootsmann zu bringen gedachte, deshalb ins

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/823>, abgerufen am 22.12.2024.