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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Weberspinnen.
einzeln wohnen, oder ziehen einzelne Fäden nach Länge und Breite, Höhe und Tiefe, dergleichen
auch bloß hinter sich her, wenn sie laufen, ohne ein eigentliches Nest zu spinnen (Pachygnatha).
Diejenigen aber, welche reichlicher weben, legen bisweilen unter dem Baldachin noch ein kleines,
wagrechtes Radnetz an, daneben im Sommer wohl auch noch ein glockenförmiges Brutnetz, in
welchem das Weibchen ein oder einige Eiercocons bewacht. Alle diese Spinnen pflegen den Rücken
nach unten gewandt, an ihrem Netze mit den Beinen zu hängen und in dieser Stellung auf Beute
zu lauern, so daß also der eben gebrauchte Ausdruck, "sie wohnen unter ihrem Neste" voll-
kommen gerechtfertigt erscheint. Von den acht Augen stehen die vier mittleren in einem Quadrat,
oder die Stirnaugen näher bei einander, als die Scheitelaugen, während das Seitenpaar sich fast
berührt. Der Hinterleib ist bei den meisten hochgewölbt, beinahe kugelförmig, das vorderste
Paar der langen und dünnen Beine immer das längste, ihm schließt sich das vierte, diesem das
zweite und endlich das dritte als kürzestes an.

Die Berg-Weberspinne oder Baldachinspinne (Linyphia montana) lebt sowohl in
ebenen als in bergigen Gegenden und legt ihr Netz in Gärten an Bretterzäunen oder alten Häusern,
in hohlen Weiden, im Walde lieber zwischen Haidekraut oder anderem niederen Gestrüpp als im
Gebüsch an. Es besteht aus einer wagrecht ausgebreiteten Decke, über welcher sich zahlreiche
schräge Fangfäden nach allen Richtungen ausspannen; unter ersterer pflegt die Spinne zu sitzen,
d. h. mit dem Rücken nach unten zu hängen und sich in einen Zaunwinkel oder an einen Pflanzen-
stengel zurückzuziehen, wenn sie beunruhigt wird. Hat sich nun ein Jnsekt in den Fäden ver-
wickelt und gelangt am Ende derselben auf die dichtere Decke, so stürzt die Spinne unter derselben
hervor und fällt über die Beute her, verfolgt sie aber nicht bis über die Grenzen der Wohnung
hinaus, falls es dieser glücken sollte ins Freie zu entweichen. Die erhaschte Beute wird aus-
gesogen, nicht zerkaut. An günstigen Fangplätzen breiten sich oft zahlreiche Nester über eine Fläche
aus oder liegen in Stockwerken über einander, und gewähren, vom Morgenthau beperlt, einen
prächtigen Anblick. Gerade bei dieser Art wurde die Begattung von älteren und neueren Forschern
wiederholt beobachtet und von Menge die Vorbereitung dazu seitens des Männchens geschildert.
Es war am 14. Mai (1856), als ein solches über dem Baldachin eben ein kleines dreieckiges
Gewebe, einem Stege vergleichbar, angefertigt hatte. Auf diesen Steg legte es sich mit dem
Hinterleibe und fuhr mit diesem hin und her bis ein Samentröpflein, kleiner als der Knopf einer
feinen Jnsektennadel auf dem Rande des Steges sichtbar wurde. Hierauf begab es sich unter
den Steg und tupfte abwechselnd mit den beiden Kolben der Taster (Samenüberträger) auf das
Tröpfchen, bis die an den Enden jener befindlichen Häkchen es aufgenommen hatten. Merkwürdig
war hierbei die Sicherheit, mit der es das Tröpfchen immer traf, ohne es bei seiner Stellung
sehen zu können. Der Hinterleib befand sich während des ganzen Herganges in einiger Bewegung,
die jedoch keineswegs die Aufregung verrieth, mit welcher nachher, Brust gegen Brust und Bauch
gegen Bauch gewendet, die Haken in die Scheide des Weibchens eingeführt werden. Ehe es jedoch
hierzu kommt, finden bisweilen heftige Kämpfe auf Leben und Tod zwischen zwei Männchen statt.
Jm Juni legt das Weibchen gegen hundert Eier in ein flach gewölbtes Nestchen unter Baumrinde
oder in einen geschützten Winkel anderer Natur, überspinnt dasselbe mit lockeren Fäden und
bewacht es mit der den Spinnen eigenen Mutterliebe. Jm Juli schlüpfen die Jungen aus.

Die in Rede stehende Art gleicht in ihrer Körpertracht ungefähr der oben abgebildeten
Strickerspinne, ist aber kleiner, nur 21/2 bis 31/2 Linien lang und setzt in der Ruhe ihre Beine
nicht in der jener eigenthümlichen Weise. Der Vorderleib ist braun, an den Seiten dunkler
gerändert, der Hinterleib auf weißem Grunde mit einem länglichen, braunen, dunkler und gekerbt
eingefaßten Schilde verziert, am Bauche dunkelbraun und viermal weiß gefleckt. Die gelblichen
Beine sind an Schenkel und Schienen und an den Hinterfüßen doppelt, an den Enden der Kniee
und übrigen Fußglieder einfach schwarzbraun geringelt. Stirn- und Seitenaugen, alle gleich groß,
bilden, zu zwei und zwei einander genähert, eine sanft nach vorn gebogene Linie, während die

Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Weberſpinnen.
einzeln wohnen, oder ziehen einzelne Fäden nach Länge und Breite, Höhe und Tiefe, dergleichen
auch bloß hinter ſich her, wenn ſie laufen, ohne ein eigentliches Neſt zu ſpinnen (Pachygnatha).
Diejenigen aber, welche reichlicher weben, legen bisweilen unter dem Baldachin noch ein kleines,
wagrechtes Radnetz an, daneben im Sommer wohl auch noch ein glockenförmiges Brutnetz, in
welchem das Weibchen ein oder einige Eiercocons bewacht. Alle dieſe Spinnen pflegen den Rücken
nach unten gewandt, an ihrem Netze mit den Beinen zu hängen und in dieſer Stellung auf Beute
zu lauern, ſo daß alſo der eben gebrauchte Ausdruck, „ſie wohnen unter ihrem Neſte“ voll-
kommen gerechtfertigt erſcheint. Von den acht Augen ſtehen die vier mittleren in einem Quadrat,
oder die Stirnaugen näher bei einander, als die Scheitelaugen, während das Seitenpaar ſich faſt
berührt. Der Hinterleib iſt bei den meiſten hochgewölbt, beinahe kugelförmig, das vorderſte
Paar der langen und dünnen Beine immer das längſte, ihm ſchließt ſich das vierte, dieſem das
zweite und endlich das dritte als kürzeſtes an.

Die Berg-Weberſpinne oder Baldachinſpinne (Linyphia montana) lebt ſowohl in
ebenen als in bergigen Gegenden und legt ihr Netz in Gärten an Bretterzäunen oder alten Häuſern,
in hohlen Weiden, im Walde lieber zwiſchen Haidekraut oder anderem niederen Geſtrüpp als im
Gebüſch an. Es beſteht aus einer wagrecht ausgebreiteten Decke, über welcher ſich zahlreiche
ſchräge Fangfäden nach allen Richtungen ausſpannen; unter erſterer pflegt die Spinne zu ſitzen,
d. h. mit dem Rücken nach unten zu hängen und ſich in einen Zaunwinkel oder an einen Pflanzen-
ſtengel zurückzuziehen, wenn ſie beunruhigt wird. Hat ſich nun ein Jnſekt in den Fäden ver-
wickelt und gelangt am Ende derſelben auf die dichtere Decke, ſo ſtürzt die Spinne unter derſelben
hervor und fällt über die Beute her, verfolgt ſie aber nicht bis über die Grenzen der Wohnung
hinaus, falls es dieſer glücken ſollte ins Freie zu entweichen. Die erhaſchte Beute wird aus-
geſogen, nicht zerkaut. An günſtigen Fangplätzen breiten ſich oft zahlreiche Neſter über eine Fläche
aus oder liegen in Stockwerken über einander, und gewähren, vom Morgenthau beperlt, einen
prächtigen Anblick. Gerade bei dieſer Art wurde die Begattung von älteren und neueren Forſchern
wiederholt beobachtet und von Menge die Vorbereitung dazu ſeitens des Männchens geſchildert.
Es war am 14. Mai (1856), als ein ſolches über dem Baldachin eben ein kleines dreieckiges
Gewebe, einem Stege vergleichbar, angefertigt hatte. Auf dieſen Steg legte es ſich mit dem
Hinterleibe und fuhr mit dieſem hin und her bis ein Samentröpflein, kleiner als der Knopf einer
feinen Jnſektennadel auf dem Rande des Steges ſichtbar wurde. Hierauf begab es ſich unter
den Steg und tupfte abwechſelnd mit den beiden Kolben der Taſter (Samenüberträger) auf das
Tröpfchen, bis die an den Enden jener befindlichen Häkchen es aufgenommen hatten. Merkwürdig
war hierbei die Sicherheit, mit der es das Tröpfchen immer traf, ohne es bei ſeiner Stellung
ſehen zu können. Der Hinterleib befand ſich während des ganzen Herganges in einiger Bewegung,
die jedoch keineswegs die Aufregung verrieth, mit welcher nachher, Bruſt gegen Bruſt und Bauch
gegen Bauch gewendet, die Haken in die Scheide des Weibchens eingeführt werden. Ehe es jedoch
hierzu kommt, finden bisweilen heftige Kämpfe auf Leben und Tod zwiſchen zwei Männchen ſtatt.
Jm Juni legt das Weibchen gegen hundert Eier in ein flach gewölbtes Neſtchen unter Baumrinde
oder in einen geſchützten Winkel anderer Natur, überſpinnt daſſelbe mit lockeren Fäden und
bewacht es mit der den Spinnen eigenen Mutterliebe. Jm Juli ſchlüpfen die Jungen aus.

Die in Rede ſtehende Art gleicht in ihrer Körpertracht ungefähr der oben abgebildeten
Strickerſpinne, iſt aber kleiner, nur 2½ bis 3½ Linien lang und ſetzt in der Ruhe ihre Beine
nicht in der jener eigenthümlichen Weiſe. Der Vorderleib iſt braun, an den Seiten dunkler
gerändert, der Hinterleib auf weißem Grunde mit einem länglichen, braunen, dunkler und gekerbt
eingefaßten Schilde verziert, am Bauche dunkelbraun und viermal weiß gefleckt. Die gelblichen
Beine ſind an Schenkel und Schienen und an den Hinterfüßen doppelt, an den Enden der Kniee
und übrigen Fußglieder einfach ſchwarzbraun geringelt. Stirn- und Seitenaugen, alle gleich groß,
bilden, zu zwei und zwei einander genähert, eine ſanft nach vorn gebogene Linie, während die

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[582/0620] Die Spinnenthiere. Echte Spinnen. Weberſpinnen. einzeln wohnen, oder ziehen einzelne Fäden nach Länge und Breite, Höhe und Tiefe, dergleichen auch bloß hinter ſich her, wenn ſie laufen, ohne ein eigentliches Neſt zu ſpinnen (Pachygnatha). Diejenigen aber, welche reichlicher weben, legen bisweilen unter dem Baldachin noch ein kleines, wagrechtes Radnetz an, daneben im Sommer wohl auch noch ein glockenförmiges Brutnetz, in welchem das Weibchen ein oder einige Eiercocons bewacht. Alle dieſe Spinnen pflegen den Rücken nach unten gewandt, an ihrem Netze mit den Beinen zu hängen und in dieſer Stellung auf Beute zu lauern, ſo daß alſo der eben gebrauchte Ausdruck, „ſie wohnen unter ihrem Neſte“ voll- kommen gerechtfertigt erſcheint. Von den acht Augen ſtehen die vier mittleren in einem Quadrat, oder die Stirnaugen näher bei einander, als die Scheitelaugen, während das Seitenpaar ſich faſt berührt. Der Hinterleib iſt bei den meiſten hochgewölbt, beinahe kugelförmig, das vorderſte Paar der langen und dünnen Beine immer das längſte, ihm ſchließt ſich das vierte, dieſem das zweite und endlich das dritte als kürzeſtes an. Die Berg-Weberſpinne oder Baldachinſpinne (Linyphia montana) lebt ſowohl in ebenen als in bergigen Gegenden und legt ihr Netz in Gärten an Bretterzäunen oder alten Häuſern, in hohlen Weiden, im Walde lieber zwiſchen Haidekraut oder anderem niederen Geſtrüpp als im Gebüſch an. Es beſteht aus einer wagrecht ausgebreiteten Decke, über welcher ſich zahlreiche ſchräge Fangfäden nach allen Richtungen ausſpannen; unter erſterer pflegt die Spinne zu ſitzen, d. h. mit dem Rücken nach unten zu hängen und ſich in einen Zaunwinkel oder an einen Pflanzen- ſtengel zurückzuziehen, wenn ſie beunruhigt wird. Hat ſich nun ein Jnſekt in den Fäden ver- wickelt und gelangt am Ende derſelben auf die dichtere Decke, ſo ſtürzt die Spinne unter derſelben hervor und fällt über die Beute her, verfolgt ſie aber nicht bis über die Grenzen der Wohnung hinaus, falls es dieſer glücken ſollte ins Freie zu entweichen. Die erhaſchte Beute wird aus- geſogen, nicht zerkaut. An günſtigen Fangplätzen breiten ſich oft zahlreiche Neſter über eine Fläche aus oder liegen in Stockwerken über einander, und gewähren, vom Morgenthau beperlt, einen prächtigen Anblick. Gerade bei dieſer Art wurde die Begattung von älteren und neueren Forſchern wiederholt beobachtet und von Menge die Vorbereitung dazu ſeitens des Männchens geſchildert. Es war am 14. Mai (1856), als ein ſolches über dem Baldachin eben ein kleines dreieckiges Gewebe, einem Stege vergleichbar, angefertigt hatte. Auf dieſen Steg legte es ſich mit dem Hinterleibe und fuhr mit dieſem hin und her bis ein Samentröpflein, kleiner als der Knopf einer feinen Jnſektennadel auf dem Rande des Steges ſichtbar wurde. Hierauf begab es ſich unter den Steg und tupfte abwechſelnd mit den beiden Kolben der Taſter (Samenüberträger) auf das Tröpfchen, bis die an den Enden jener befindlichen Häkchen es aufgenommen hatten. Merkwürdig war hierbei die Sicherheit, mit der es das Tröpfchen immer traf, ohne es bei ſeiner Stellung ſehen zu können. Der Hinterleib befand ſich während des ganzen Herganges in einiger Bewegung, die jedoch keineswegs die Aufregung verrieth, mit welcher nachher, Bruſt gegen Bruſt und Bauch gegen Bauch gewendet, die Haken in die Scheide des Weibchens eingeführt werden. Ehe es jedoch hierzu kommt, finden bisweilen heftige Kämpfe auf Leben und Tod zwiſchen zwei Männchen ſtatt. Jm Juni legt das Weibchen gegen hundert Eier in ein flach gewölbtes Neſtchen unter Baumrinde oder in einen geſchützten Winkel anderer Natur, überſpinnt daſſelbe mit lockeren Fäden und bewacht es mit der den Spinnen eigenen Mutterliebe. Jm Juli ſchlüpfen die Jungen aus. Die in Rede ſtehende Art gleicht in ihrer Körpertracht ungefähr der oben abgebildeten Strickerſpinne, iſt aber kleiner, nur 2½ bis 3½ Linien lang und ſetzt in der Ruhe ihre Beine nicht in der jener eigenthümlichen Weiſe. Der Vorderleib iſt braun, an den Seiten dunkler gerändert, der Hinterleib auf weißem Grunde mit einem länglichen, braunen, dunkler und gekerbt eingefaßten Schilde verziert, am Bauche dunkelbraun und viermal weiß gefleckt. Die gelblichen Beine ſind an Schenkel und Schienen und an den Hinterfüßen doppelt, an den Enden der Kniee und übrigen Fußglieder einfach ſchwarzbraun geringelt. Stirn- und Seitenaugen, alle gleich groß, bilden, zu zwei und zwei einander genähert, eine ſanft nach vorn gebogene Linie, während die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/620>, abgerufen am 23.11.2024.