kiefern der Zehnfüßer entsprechen würde, und mit ihnen oft auch das zweite Paar der Unterkiefer. Desto ausgebildeter sind die Gliedmaßen des hinteren Körperabschnittes, die wir oben, um ihn von dem dem Jnsektenleibe entsprechenden Abschnitte zu unterscheiden, Nachleib*) nennen mußten. Sie sind entweder alle oder nur die vorderen von ihnen blattförmig und zu Kiemen und Flossen umgewandelt.
Jndem auch bei ihnen das Verhalten zur Außenwelt sehr einfach und einförmig verläuft und durchaus keine Anhaltspunkte zu brillanten Schilderungen gibt, müssen die zum Theil sehr eigenthümlichen Züge ihrer Fortpflanzungsweise und Entwicklung unser Jnteresse erregen und befriedigen. Von den meisten Kiemenfüßlern finden sich die Weibchen massenhaft, die Männchen selten. Ja von einigen der gemeinsten Gattungen, z. B. dem Kiefenfuß, sind die Männchen über- haupt erst vor Kurzem aufgefunden worden. Von andern kommen sie nur eine kurze Zeit des Jahres vor, und es folgen sich während der übrigen Monate mehrere Generationen ohne Zuthun der Männchen. Auch darin unterscheidet. sich der Haufe in seiner Gesammtheit von den anderen Ordnungen, daß seine meisten Bestandtheile im süßen Wasser leben. Dieß deutet auf eine uralte Abzweigung von dem vorweltlichen Stamme der Krebse; und in der That sind die ältesten uns bis jetzt bekannten, die unten aufzuführenden Trilobiten, am nächsten mit einer Gruppe der Kiemen- füßer, nämlich den Phyllopoden verwandt.
Die Familie der Blattfüßler (Phyllopoda) umfaßt die größten der jetzt lebenden Branchiopoden, zwar nur in wenigen, aber ausgezeichneten Gattungen verbreitet. Jhr dünnhäutiger Körper ist meist von einer schildförmigen oder zweiklappigen Schale bedeckt und trägt an den zahlreichen Ringen des Nachleibes zehn bis sechzig Paare blattförmiger Schwimmfüße mit Kiemenanhängen. Den Jungen fehlt sowohl die Schalenhülle als die reiche Körpergliederung; auch erhalten sie ein fremdartiges Aussehn durch die als Ruderorgane dienenden großen Fühler, welche bei den aus- gewachsenen Jndividuen mehr oder weniger eingehen. Sie schwimmen auf dem Rücken und setzen durch ihr massenhaftes Erscheinen an Orten, wo sie Jahre lang nicht bemerkt wurden, Denjenigen in Erstaunen, der nicht weiß, daß ihre Eier die Entwicklungsfähigkeit bewahren, auch wenn sie mehrere Jahre eingetrocknet lagen. Dieß gilt besonders vom Kiefenfuß, welcher gern auf Wiesen nach Ueberschwemmungen sich einstellt.
Die Gattung Kiemenfuß (Branchipus) gehört zu einer kleinen Gruppe mit gestielten, beweglichen Augen; auch ist sein Körper nicht von einer Schale umhüllt. Die meisten Arten der bekannten achtzehn leben im süßen Wasser; das größte Jnteresse beansprucht aber der Salinen- Kiemenfuß (Branchipus salinus od. Artemia salina), welcher nicht bloß im Meere, sondern auch in künstlich angelegten Salinen und in weit vom Meere entfernten, aber als Meeresüberbleibsel anzu- sehenden Salzseen und Salzlachen des Binnenlandes massenhaft vorkommt. Das Thierchen wird nur wenige Linien lang. Jch fand dasselbe in den schon ziemlich concentrirte Salzlauge ent- haltenden Bottichen der Seesalzsaline bei Greifswald, und man erzählte, daß das jähe Absterben der Artemien das Zeichen für die Arbeiter sei, daß die Salzlösung hinlänglich durch Verdunstung an der Sonne concentrirt und zum Versieden geeignet sei. Auch in den Salinen des südlichen Frankreich, in den natürlichen Salinen von Adana bei Tarsus, wo es von dem bekannten Reisenden Kotschy beobachtet wurde, in den Natron-Seen Egyptens, nach Schmardas Bericht, und an anderen Orten ist das Thier gefunden. Unter dem Namen der Artemia Oudneyi ist dies von Vogel auf seiner innerafrikanischen Reise entdeckte Thier beschrieben, welches als "Fezzanwurm" die Salz- und Natronseen Fezzans bevölkert und, mit Datteln zu einem Brei geknetet, gegessen wird.
Sehr merkwürdig ist aber die Verbindung, in welche unser Branchipus salinus mit einigen anderen Krebsen durch die Beobachtungen des Botanikers Fr. Unger mit der Sage von der
*) Wir haben jedoch diesen Ausdruck, welcher dem gewöhnlichen Leben gänzlich fremd ist, nicht consequent gebraucht.
Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 42
Kiefenfuß. Kiemenfuß. Salinen-Kiemenfuß.
kiefern der Zehnfüßer entſprechen würde, und mit ihnen oft auch das zweite Paar der Unterkiefer. Deſto ausgebildeter ſind die Gliedmaßen des hinteren Körperabſchnittes, die wir oben, um ihn von dem dem Jnſektenleibe entſprechenden Abſchnitte zu unterſcheiden, Nachleib*) nennen mußten. Sie ſind entweder alle oder nur die vorderen von ihnen blattförmig und zu Kiemen und Floſſen umgewandelt.
Jndem auch bei ihnen das Verhalten zur Außenwelt ſehr einfach und einförmig verläuft und durchaus keine Anhaltspunkte zu brillanten Schilderungen gibt, müſſen die zum Theil ſehr eigenthümlichen Züge ihrer Fortpflanzungsweiſe und Entwicklung unſer Jntereſſe erregen und befriedigen. Von den meiſten Kiemenfüßlern finden ſich die Weibchen maſſenhaft, die Männchen ſelten. Ja von einigen der gemeinſten Gattungen, z. B. dem Kiefenfuß, ſind die Männchen über- haupt erſt vor Kurzem aufgefunden worden. Von andern kommen ſie nur eine kurze Zeit des Jahres vor, und es folgen ſich während der übrigen Monate mehrere Generationen ohne Zuthun der Männchen. Auch darin unterſcheidet. ſich der Haufe in ſeiner Geſammtheit von den anderen Ordnungen, daß ſeine meiſten Beſtandtheile im ſüßen Waſſer leben. Dieß deutet auf eine uralte Abzweigung von dem vorweltlichen Stamme der Krebſe; und in der That ſind die älteſten uns bis jetzt bekannten, die unten aufzuführenden Trilobiten, am nächſten mit einer Gruppe der Kiemen- füßer, nämlich den Phyllopoden verwandt.
Die Familie der Blattfüßler (Phyllopoda) umfaßt die größten der jetzt lebenden Branchiopoden, zwar nur in wenigen, aber ausgezeichneten Gattungen verbreitet. Jhr dünnhäutiger Körper iſt meiſt von einer ſchildförmigen oder zweiklappigen Schale bedeckt und trägt an den zahlreichen Ringen des Nachleibes zehn bis ſechzig Paare blattförmiger Schwimmfüße mit Kiemenanhängen. Den Jungen fehlt ſowohl die Schalenhülle als die reiche Körpergliederung; auch erhalten ſie ein fremdartiges Ausſehn durch die als Ruderorgane dienenden großen Fühler, welche bei den aus- gewachſenen Jndividuen mehr oder weniger eingehen. Sie ſchwimmen auf dem Rücken und ſetzen durch ihr maſſenhaftes Erſcheinen an Orten, wo ſie Jahre lang nicht bemerkt wurden, Denjenigen in Erſtaunen, der nicht weiß, daß ihre Eier die Entwicklungsfähigkeit bewahren, auch wenn ſie mehrere Jahre eingetrocknet lagen. Dieß gilt beſonders vom Kiefenfuß, welcher gern auf Wieſen nach Ueberſchwemmungen ſich einſtellt.
Die Gattung Kiemenfuß (Branchipus) gehört zu einer kleinen Gruppe mit geſtielten, beweglichen Augen; auch iſt ſein Körper nicht von einer Schale umhüllt. Die meiſten Arten der bekannten achtzehn leben im ſüßen Waſſer; das größte Jntereſſe beanſprucht aber der Salinen- Kiemenfuß (Branchipus salinus od. Artemia salina), welcher nicht bloß im Meere, ſondern auch in künſtlich angelegten Salinen und in weit vom Meere entfernten, aber als Meeresüberbleibſel anzu- ſehenden Salzſeen und Salzlachen des Binnenlandes maſſenhaft vorkommt. Das Thierchen wird nur wenige Linien lang. Jch fand daſſelbe in den ſchon ziemlich concentrirte Salzlauge ent- haltenden Bottichen der Seeſalzſaline bei Greifswald, und man erzählte, daß das jähe Abſterben der Artemien das Zeichen für die Arbeiter ſei, daß die Salzlöſung hinlänglich durch Verdunſtung an der Sonne concentrirt und zum Verſieden geeignet ſei. Auch in den Salinen des ſüdlichen Frankreich, in den natürlichen Salinen von Adana bei Tarſus, wo es von dem bekannten Reiſenden Kotſchy beobachtet wurde, in den Natron-Seen Egyptens, nach Schmardas Bericht, und an anderen Orten iſt das Thier gefunden. Unter dem Namen der Artemia Oudneyi iſt dies von Vogel auf ſeiner innerafrikaniſchen Reiſe entdeckte Thier beſchrieben, welches als „Fezzanwurm“ die Salz- und Natronſeen Fezzans bevölkert und, mit Datteln zu einem Brei geknetet, gegeſſen wird.
Sehr merkwürdig iſt aber die Verbindung, in welche unſer Branchipus salinus mit einigen anderen Krebſen durch die Beobachtungen des Botanikers Fr. Unger mit der Sage von der
*) Wir haben jedoch dieſen Ausdruck, welcher dem gewöhnlichen Leben gänzlich fremd iſt, nicht conſequent gebraucht.
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 42
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[657/0701]
Kiefenfuß. Kiemenfuß. Salinen-Kiemenfuß.
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Deſto ausgebildeter ſind die Gliedmaßen des hinteren Körperabſchnittes, die wir oben, um ihn
von dem dem Jnſektenleibe entſprechenden Abſchnitte zu unterſcheiden, Nachleib *) nennen mußten.
Sie ſind entweder alle oder nur die vorderen von ihnen blattförmig und zu Kiemen und Floſſen
umgewandelt.
Jndem auch bei ihnen das Verhalten zur Außenwelt ſehr einfach und einförmig verläuft
und durchaus keine Anhaltspunkte zu brillanten Schilderungen gibt, müſſen die zum Theil ſehr
eigenthümlichen Züge ihrer Fortpflanzungsweiſe und Entwicklung unſer Jntereſſe erregen und
befriedigen. Von den meiſten Kiemenfüßlern finden ſich die Weibchen maſſenhaft, die Männchen
ſelten. Ja von einigen der gemeinſten Gattungen, z. B. dem Kiefenfuß, ſind die Männchen über-
haupt erſt vor Kurzem aufgefunden worden. Von andern kommen ſie nur eine kurze Zeit des
Jahres vor, und es folgen ſich während der übrigen Monate mehrere Generationen ohne Zuthun
der Männchen. Auch darin unterſcheidet. ſich der Haufe in ſeiner Geſammtheit von den anderen
Ordnungen, daß ſeine meiſten Beſtandtheile im ſüßen Waſſer leben. Dieß deutet auf eine uralte
Abzweigung von dem vorweltlichen Stamme der Krebſe; und in der That ſind die älteſten uns
bis jetzt bekannten, die unten aufzuführenden Trilobiten, am nächſten mit einer Gruppe der Kiemen-
füßer, nämlich den Phyllopoden verwandt.
Die Familie der Blattfüßler (Phyllopoda) umfaßt die größten der jetzt lebenden Branchiopoden,
zwar nur in wenigen, aber ausgezeichneten Gattungen verbreitet. Jhr dünnhäutiger Körper iſt
meiſt von einer ſchildförmigen oder zweiklappigen Schale bedeckt und trägt an den zahlreichen
Ringen des Nachleibes zehn bis ſechzig Paare blattförmiger Schwimmfüße mit Kiemenanhängen.
Den Jungen fehlt ſowohl die Schalenhülle als die reiche Körpergliederung; auch erhalten ſie ein
fremdartiges Ausſehn durch die als Ruderorgane dienenden großen Fühler, welche bei den aus-
gewachſenen Jndividuen mehr oder weniger eingehen. Sie ſchwimmen auf dem Rücken und ſetzen
durch ihr maſſenhaftes Erſcheinen an Orten, wo ſie Jahre lang nicht bemerkt wurden, Denjenigen
in Erſtaunen, der nicht weiß, daß ihre Eier die Entwicklungsfähigkeit bewahren, auch wenn ſie
mehrere Jahre eingetrocknet lagen. Dieß gilt beſonders vom Kiefenfuß, welcher gern auf Wieſen
nach Ueberſchwemmungen ſich einſtellt.
Die Gattung Kiemenfuß (Branchipus) gehört zu einer kleinen Gruppe mit geſtielten,
beweglichen Augen; auch iſt ſein Körper nicht von einer Schale umhüllt. Die meiſten Arten der
bekannten achtzehn leben im ſüßen Waſſer; das größte Jntereſſe beanſprucht aber der Salinen-
Kiemenfuß (Branchipus salinus od. Artemia salina), welcher nicht bloß im Meere, ſondern auch in
künſtlich angelegten Salinen und in weit vom Meere entfernten, aber als Meeresüberbleibſel anzu-
ſehenden Salzſeen und Salzlachen des Binnenlandes maſſenhaft vorkommt. Das Thierchen wird
nur wenige Linien lang. Jch fand daſſelbe in den ſchon ziemlich concentrirte Salzlauge ent-
haltenden Bottichen der Seeſalzſaline bei Greifswald, und man erzählte, daß das jähe Abſterben
der Artemien das Zeichen für die Arbeiter ſei, daß die Salzlöſung hinlänglich durch Verdunſtung
an der Sonne concentrirt und zum Verſieden geeignet ſei. Auch in den Salinen des ſüdlichen
Frankreich, in den natürlichen Salinen von Adana bei Tarſus, wo es von dem bekannten Reiſenden
Kotſchy beobachtet wurde, in den Natron-Seen Egyptens, nach Schmardas Bericht, und an
anderen Orten iſt das Thier gefunden. Unter dem Namen der Artemia Oudneyi iſt dies von
Vogel auf ſeiner innerafrikaniſchen Reiſe entdeckte Thier beſchrieben, welches als „Fezzanwurm“
die Salz- und Natronſeen Fezzans bevölkert und, mit Datteln zu einem Brei geknetet, gegeſſen wird.
Sehr merkwürdig iſt aber die Verbindung, in welche unſer Branchipus salinus mit einigen
anderen Krebſen durch die Beobachtungen des Botanikers Fr. Unger mit der Sage von der
*) Wir haben jedoch dieſen Ausdruck, welcher dem gewöhnlichen Leben gänzlich fremd iſt, nicht
conſequent gebraucht.
Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 42
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/701>, abgerufen am 23.11.2024.
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