Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [107]–162. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ich Ihm einen kaufen, so theuer er sein mag. Kasper sagte: Geschenkt nehme ich Nichts, das ist gegen meine Ehre; aber wenn Er mir im Nothfalle siebzig Thaler vorschießen will, so kriegt Er meine Verschreibung, ich schaffe sie in zwei Jahren wieder. Hierüber wurden sie einig, und der Uhlane trennte sich von ihm, um nach seinem Dorfe zu eilen, wo auch ein Gerichtshalter der umliegenden Edelleute wohnt, bei dem er die Sache berichten wollte. Der Müller blieb zurück, um seine Frau und seinen Sohn zu erwarten, welche auf einem Dorf in der Nähe bei einer Hochzeit waren. Dann wollte er dem Uhlanen nachkommen und die Anzeige vor Gericht auch machen.

Er kann sich denken, lieber Herr Schreiber, mit welcher Betrübniß der arme Kasper den Weg nach unserm Dorf eilte, zu Fuß und arm, wo er hatte stolz einreisen wollen; ein und fünfzig Thaler, die er erbeutet hatte, sein Patent als Unteroffizier, sein Urlaub und die Kränze auf seiner Mutter Grab und für die schöne Annerl waren ihm gestohlen. Es war ihm ganz verzweifelt zu Muth. Und so kam er um ein Uhr in der Nacht in seiner Heimat an und pochte gleich an der Thüre des Gerichtshalters, dessen Haus das erste vor dem Dorfe ist. Er ward eingelassen und machte seine Anzeige und gab Alles an, was ihm geraubt worden war. Der Gerichtshalter trug ihm auf, er solle gleich zu seinem Vater gehen, welches der einzige Bauer im Dorfe sei, der Pferde habe, und solle mit diesem und

ich Ihm einen kaufen, so theuer er sein mag. Kasper sagte: Geschenkt nehme ich Nichts, das ist gegen meine Ehre; aber wenn Er mir im Nothfalle siebzig Thaler vorschießen will, so kriegt Er meine Verschreibung, ich schaffe sie in zwei Jahren wieder. Hierüber wurden sie einig, und der Uhlane trennte sich von ihm, um nach seinem Dorfe zu eilen, wo auch ein Gerichtshalter der umliegenden Edelleute wohnt, bei dem er die Sache berichten wollte. Der Müller blieb zurück, um seine Frau und seinen Sohn zu erwarten, welche auf einem Dorf in der Nähe bei einer Hochzeit waren. Dann wollte er dem Uhlanen nachkommen und die Anzeige vor Gericht auch machen.

Er kann sich denken, lieber Herr Schreiber, mit welcher Betrübniß der arme Kasper den Weg nach unserm Dorf eilte, zu Fuß und arm, wo er hatte stolz einreisen wollen; ein und fünfzig Thaler, die er erbeutet hatte, sein Patent als Unteroffizier, sein Urlaub und die Kränze auf seiner Mutter Grab und für die schöne Annerl waren ihm gestohlen. Es war ihm ganz verzweifelt zu Muth. Und so kam er um ein Uhr in der Nacht in seiner Heimat an und pochte gleich an der Thüre des Gerichtshalters, dessen Haus das erste vor dem Dorfe ist. Er ward eingelassen und machte seine Anzeige und gab Alles an, was ihm geraubt worden war. Der Gerichtshalter trug ihm auf, er solle gleich zu seinem Vater gehen, welches der einzige Bauer im Dorfe sei, der Pferde habe, und solle mit diesem und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031"/>
ich Ihm einen kaufen, so theuer er sein mag. Kasper sagte:                Geschenkt nehme ich Nichts, das ist gegen meine Ehre; aber wenn Er mir im Nothfalle                siebzig Thaler vorschießen will, so kriegt Er meine Verschreibung, ich schaffe sie in                zwei Jahren wieder. Hierüber wurden sie einig, und der Uhlane trennte sich von ihm,                um nach seinem Dorfe zu eilen, wo auch ein Gerichtshalter der umliegenden Edelleute                wohnt, bei dem er die Sache berichten wollte. Der Müller blieb zurück, um seine Frau                und seinen Sohn zu erwarten, welche auf einem Dorf in der Nähe bei einer Hochzeit                waren. Dann wollte er dem Uhlanen nachkommen und die Anzeige vor Gericht auch                machen.</p><lb/>
        <p>Er kann sich denken, lieber Herr Schreiber, mit welcher Betrübniß der arme Kasper den                Weg nach unserm Dorf eilte, zu Fuß und arm, wo er hatte stolz einreisen wollen; ein                und fünfzig Thaler, die er erbeutet hatte, sein Patent als Unteroffizier, sein Urlaub                und die Kränze auf seiner Mutter Grab und für die schöne Annerl waren ihm gestohlen.                Es war ihm ganz verzweifelt zu Muth. Und so kam er um ein Uhr in der Nacht in seiner                Heimat an und pochte gleich an der Thüre des Gerichtshalters, dessen Haus das erste                vor dem Dorfe ist. Er ward eingelassen und machte seine Anzeige und gab Alles an, was                ihm geraubt worden war. Der Gerichtshalter trug ihm auf, er solle gleich zu seinem                Vater gehen, welches der einzige Bauer im Dorfe sei, der Pferde habe, und solle mit                diesem und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] ich Ihm einen kaufen, so theuer er sein mag. Kasper sagte: Geschenkt nehme ich Nichts, das ist gegen meine Ehre; aber wenn Er mir im Nothfalle siebzig Thaler vorschießen will, so kriegt Er meine Verschreibung, ich schaffe sie in zwei Jahren wieder. Hierüber wurden sie einig, und der Uhlane trennte sich von ihm, um nach seinem Dorfe zu eilen, wo auch ein Gerichtshalter der umliegenden Edelleute wohnt, bei dem er die Sache berichten wollte. Der Müller blieb zurück, um seine Frau und seinen Sohn zu erwarten, welche auf einem Dorf in der Nähe bei einer Hochzeit waren. Dann wollte er dem Uhlanen nachkommen und die Anzeige vor Gericht auch machen. Er kann sich denken, lieber Herr Schreiber, mit welcher Betrübniß der arme Kasper den Weg nach unserm Dorf eilte, zu Fuß und arm, wo er hatte stolz einreisen wollen; ein und fünfzig Thaler, die er erbeutet hatte, sein Patent als Unteroffizier, sein Urlaub und die Kränze auf seiner Mutter Grab und für die schöne Annerl waren ihm gestohlen. Es war ihm ganz verzweifelt zu Muth. Und so kam er um ein Uhr in der Nacht in seiner Heimat an und pochte gleich an der Thüre des Gerichtshalters, dessen Haus das erste vor dem Dorfe ist. Er ward eingelassen und machte seine Anzeige und gab Alles an, was ihm geraubt worden war. Der Gerichtshalter trug ihm auf, er solle gleich zu seinem Vater gehen, welches der einzige Bauer im Dorfe sei, der Pferde habe, und solle mit diesem und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:27:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:27:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_annerl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_annerl_1910/31
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [107]–162. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_annerl_1910/31>, abgerufen am 21.11.2024.