Füll' uns Küch und Keller auch, Wie's bei großen Herrn der Brauch, Gieb uns Schönheit, Weisheit, Glanz, Mach' uns reich und herrlich ganz, Ringlein, Ringlein, dreh' dich um, Mach's recht schön, ich bitt' dich drum!"
Unter dem Drehen des Ringes und dem öfteren Wie¬ derholen dieses Spruches schlief Gockel endlich ein. Da träumte ihm, es trete ein Mann in ausländischer reicher Tracht vor ihn, der ein grosses Buch vor ihm aufschlug, worin die schönsten Paläste, Gärten, Springbrunnen, Haus¬ geräthe, Kleidungsstücke, Tapeten, Schildereien, Alamode- Kutschen, Pferde, Livreen und andere dergleichen Dinge abge¬ bildet waren, aus welchen er sich heraussuchen mußte, was ihm wohlgefiel. Gockel beobachtete bei der Wahl Alles mit großem Fleiße, was Frau Hinkel und Gackeleia gefallen konnte, denn er träumte so klar und deutlich, als ob er wache. Da er aber das Buch durchblättert hatte, schlug der Mann im Traume es so heftig zu, daß Gockel plötz¬ lich erwachte.
Es war noch dunkel, und er war so voll von seinem Traume, daß er sich entschloß, seine Frau zu wecken, um ihr denselben zu erzählen; auch fühlte er ein so wunderbares Behagen durch alle seine Glieder, daß er sich kaum enthalten konnte, laut zu jauchzen. Da er sich immer mehr vom Schlafe erholte, empfand er die lieblichsten Wohlgerüche um sich her und konnte gar nicht begreifen, was nur in aller Welt für köstliche Gewürzblumen in seinem alten Hühnerstall über Nacht müßten aufgeblüht seyn. Als er aber, sich auf seinem La¬ ger wendend, bemerkte, daß kein Stroh unter ihm knistre, sondern daß er auf seidenen Kissen ruhe, begann er vor Erstaunen auszurufen: "o Jemine, was ist das?" In dem¬ selben Augenblicke rief Frau Hinkel dasselbe, und dann riefen beide: "wer ist hier?" und beide antworteten: "ich
Fuͤll' uns Kuͤch und Keller auch, Wie's bei großen Herrn der Brauch, Gieb uns Schoͤnheit, Weisheit, Glanz, Mach' uns reich und herrlich ganz, Ringlein, Ringlein, dreh' dich um, Mach's recht ſchoͤn, ich bitt' dich drum!“
Unter dem Drehen des Ringes und dem oͤfteren Wie¬ derholen dieſes Spruches ſchlief Gockel endlich ein. Da traͤumte ihm, es trete ein Mann in auslaͤndiſcher reicher Tracht vor ihn, der ein groſſes Buch vor ihm aufſchlug, worin die ſchoͤnſten Palaͤſte, Gaͤrten, Springbrunnen, Haus¬ geraͤthe, Kleidungsſtuͤcke, Tapeten, Schildereien, Alamode- Kutſchen, Pferde, Livreen und andere dergleichen Dinge abge¬ bildet waren, aus welchen er ſich herausſuchen mußte, was ihm wohlgefiel. Gockel beobachtete bei der Wahl Alles mit großem Fleiße, was Frau Hinkel und Gackeleia gefallen konnte, denn er traͤumte ſo klar und deutlich, als ob er wache. Da er aber das Buch durchblaͤttert hatte, ſchlug der Mann im Traume es ſo heftig zu, daß Gockel ploͤtz¬ lich erwachte.
Es war noch dunkel, und er war ſo voll von ſeinem Traume, daß er ſich entſchloß, ſeine Frau zu wecken, um ihr denſelben zu erzaͤhlen; auch fuͤhlte er ein ſo wunderbares Behagen durch alle ſeine Glieder, daß er ſich kaum enthalten konnte, laut zu jauchzen. Da er ſich immer mehr vom Schlafe erholte, empfand er die lieblichſten Wohlgeruͤche um ſich her und konnte gar nicht begreifen, was nur in aller Welt fuͤr koͤſtliche Gewuͤrzblumen in ſeinem alten Huͤhnerſtall uͤber Nacht muͤßten aufgebluͤht ſeyn. Als er aber, ſich auf ſeinem La¬ ger wendend, bemerkte, daß kein Stroh unter ihm kniſtre, ſondern daß er auf ſeidenen Kiſſen ruhe, begann er vor Erſtaunen auszurufen: „o Jemine, was iſt das?“ In dem¬ ſelben Augenblicke rief Frau Hinkel dasſelbe, und dann riefen beide: „wer iſt hier?“ und beide antworteten: „ich
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Fuͤll' uns Kuͤch und Keller auch,
Wie's bei großen Herrn der Brauch,
Gieb uns Schoͤnheit, Weisheit, Glanz,
Mach' uns reich und herrlich ganz,
Ringlein, Ringlein, dreh' dich um,
Mach's recht ſchoͤn, ich bitt' dich drum!“
Unter dem Drehen des Ringes und dem oͤfteren Wie¬
derholen dieſes Spruches ſchlief Gockel endlich ein. Da
traͤumte ihm, es trete ein Mann in auslaͤndiſcher reicher
Tracht vor ihn, der ein groſſes Buch vor ihm aufſchlug,
worin die ſchoͤnſten Palaͤſte, Gaͤrten, Springbrunnen, Haus¬
geraͤthe, Kleidungsſtuͤcke, Tapeten, Schildereien, Alamode-
Kutſchen, Pferde, Livreen und andere dergleichen Dinge abge¬
bildet waren, aus welchen er ſich herausſuchen mußte, was
ihm wohlgefiel. Gockel beobachtete bei der Wahl Alles mit
großem Fleiße, was Frau Hinkel und Gackeleia gefallen
konnte, denn er traͤumte ſo klar und deutlich, als ob er
wache. Da er aber das Buch durchblaͤttert hatte, ſchlug
der Mann im Traume es ſo heftig zu, daß Gockel ploͤtz¬
lich erwachte.
Es war noch dunkel, und er war ſo voll von ſeinem
Traume, daß er ſich entſchloß, ſeine Frau zu wecken, um
ihr denſelben zu erzaͤhlen; auch fuͤhlte er ein ſo wunderbares
Behagen durch alle ſeine Glieder, daß er ſich kaum enthalten
konnte, laut zu jauchzen. Da er ſich immer mehr vom Schlafe
erholte, empfand er die lieblichſten Wohlgeruͤche um ſich her
und konnte gar nicht begreifen, was nur in aller Welt fuͤr
koͤſtliche Gewuͤrzblumen in ſeinem alten Huͤhnerſtall uͤber Nacht
muͤßten aufgebluͤht ſeyn. Als er aber, ſich auf ſeinem La¬
ger wendend, bemerkte, daß kein Stroh unter ihm kniſtre,
ſondern daß er auf ſeidenen Kiſſen ruhe, begann er vor
Erſtaunen auszurufen: „o Jemine, was iſt das?“ In dem¬
ſelben Augenblicke rief Frau Hinkel dasſelbe, und dann
riefen beide: „wer iſt hier?“ und beide antworteten: „ich
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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