bin's, Gockel! -- bin's, Hinkel!" aber wollten's beide nicht glauben, daß sie es seyen. Es hatte ihnen beiden dasselbe geträumt, und sie würden geglaubt haben, daß sie noch träumten, aber sie fanden gegenseitig ihre Stimmen so verändert, daß sie vor Bewunderung gar nicht zu Sinnen kom¬ men konnten. "Gockel," flüsterte Frau Hinkel, "was ist mit uns geschehen? Es ist mir, als wäre ich zwanzig Jahre alt." "Ach ich weiß nicht," sagte Gockel, "aber ich möchte eine Wette an¬ stellen, daß ich nicht über fünf und zwanzig alt bin." "Aber sage nur, wie kommen wir auf die seidenen Betten?" fragte Frau Hinkel, "so weich habe ich selbst nicht gelegen, als du noch Fasanenminister in Gelnhausen warst, -- und die himm¬ lischen Wohlgerüche umher, -- aber ach, was ist das? Der Trauring, der mir immer so lose an dem Finger hieng, daß ich ihn oft Nachts im Bettstroh verloren, sitzt mir jetzt ganz ordentlich, so daß ich ihn eben drehen kann, ich bin gar nicht mehr so klapperdürr." -- Diese letzten Worte erinnerten Gockel an den Ring Salomonis; er dachte: "ach, das mag Alles von meinem gestrigen Wunsche herkommen;" da hörte er auch Roße im Stalle stampfen und wiehern, hörte eine Thüre gehen, und es fuhr ein Licht durch die Stube an der Decke weg, als wenn Jemand mit einer La¬ terne Nachts über den Hof geht. Er und Hinkel sprangen auf, aber sie fielen ziemlich hart auf die Nase, denn jetzt merkten sie, daß sie nicht mehr auf der ebenen Erde, son¬ dern auf hohen Polsterbetten geschlafen hatten, und der Schein, der durch die Stube gezogen war, hatte nicht die rauhe Wand ihres Hühnerstalles, an welcher Stroh und die alte Hühnerleiter lag, sondern prächtige gemalte und vergoldete Wände, seidene Vorhänge und aufge¬ stellte Silber- und Gold-Gefäße beleuchtet. Sie rafften sich auf von einem spiegelglatten Boden, sie stürzten sich in die Arme und weinten vor Freude, wie Kinder. Sie hatten sich so lieb, als hätten sie sich zum erstenmale gesehen.
bin's, Gockel! — bin's, Hinkel!“ aber wollten's beide nicht glauben, daß ſie es ſeyen. Es hatte ihnen beiden dasſelbe getraͤumt, und ſie wuͤrden geglaubt haben, daß ſie noch traͤumten, aber ſie fanden gegenſeitig ihre Stimmen ſo veraͤndert, daß ſie vor Bewunderung gar nicht zu Sinnen kom¬ men konnten. „Gockel,“ fluͤſterte Frau Hinkel, „was iſt mit uns geſchehen? Es iſt mir, als waͤre ich zwanzig Jahre alt.“ „Ach ich weiß nicht,“ ſagte Gockel, „aber ich moͤchte eine Wette an¬ ſtellen, daß ich nicht uͤber fuͤnf und zwanzig alt bin.“ „Aber ſage nur, wie kommen wir auf die ſeidenen Betten?“ fragte Frau Hinkel, „ſo weich habe ich ſelbſt nicht gelegen, als du noch Faſanenminiſter in Gelnhauſen warſt, — und die himm¬ liſchen Wohlgeruͤche umher, — aber ach, was iſt das? Der Trauring, der mir immer ſo loſe an dem Finger hieng, daß ich ihn oft Nachts im Bettſtroh verloren, ſitzt mir jetzt ganz ordentlich, ſo daß ich ihn eben drehen kann, ich bin gar nicht mehr ſo klapperduͤrr.“ — Dieſe letzten Worte erinnerten Gockel an den Ring Salomonis; er dachte: „ach, das mag Alles von meinem geſtrigen Wunſche herkommen;“ da hoͤrte er auch Roße im Stalle ſtampfen und wiehern, hoͤrte eine Thuͤre gehen, und es fuhr ein Licht durch die Stube an der Decke weg, als wenn Jemand mit einer La¬ terne Nachts uͤber den Hof geht. Er und Hinkel ſprangen auf, aber ſie fielen ziemlich hart auf die Naſe, denn jetzt merkten ſie, daß ſie nicht mehr auf der ebenen Erde, ſon¬ dern auf hohen Polſterbetten geſchlafen hatten, und der Schein, der durch die Stube gezogen war, hatte nicht die rauhe Wand ihres Huͤhnerſtalles, an welcher Stroh und die alte Huͤhnerleiter lag, ſondern praͤchtige gemalte und vergoldete Waͤnde, ſeidene Vorhaͤnge und aufge¬ ſtellte Silber- und Gold-Gefaͤße beleuchtet. Sie rafften ſich auf von einem ſpiegelglatten Boden, ſie ſtuͤrzten ſich in die Arme und weinten vor Freude, wie Kinder. Sie hatten ſich ſo lieb, als haͤtten ſie ſich zum erſtenmale geſehen.
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bin's, Gockel! — bin's, Hinkel!“ aber wollten's beide
nicht glauben, daß ſie es ſeyen. Es hatte ihnen beiden
dasſelbe getraͤumt, und ſie wuͤrden geglaubt haben, daß ſie
noch traͤumten, aber ſie fanden gegenſeitig ihre Stimmen ſo
veraͤndert, daß ſie vor Bewunderung gar nicht zu Sinnen kom¬
men konnten. „Gockel,“ fluͤſterte Frau Hinkel, „was iſt mit uns
geſchehen? Es iſt mir, als waͤre ich zwanzig Jahre alt.“ „Ach
ich weiß nicht,“ ſagte Gockel, „aber ich moͤchte eine Wette an¬
ſtellen, daß ich nicht uͤber fuͤnf und zwanzig alt bin.“ „Aber
ſage nur, wie kommen wir auf die ſeidenen Betten?“ fragte
Frau Hinkel, „ſo weich habe ich ſelbſt nicht gelegen, als du
noch Faſanenminiſter in Gelnhauſen warſt, — und die himm¬
liſchen Wohlgeruͤche umher, — aber ach, was iſt das? Der
Trauring, der mir immer ſo loſe an dem Finger hieng,
daß ich ihn oft Nachts im Bettſtroh verloren, ſitzt mir
jetzt ganz ordentlich, ſo daß ich ihn eben drehen kann, ich
bin gar nicht mehr ſo klapperduͤrr.“ — Dieſe letzten Worte
erinnerten Gockel an den Ring Salomonis; er dachte: „ach,
das mag Alles von meinem geſtrigen Wunſche herkommen;“
da hoͤrte er auch Roße im Stalle ſtampfen und wiehern,
hoͤrte eine Thuͤre gehen, und es fuhr ein Licht durch die
Stube an der Decke weg, als wenn Jemand mit einer La¬
terne Nachts uͤber den Hof geht. Er und Hinkel ſprangen
auf, aber ſie fielen ziemlich hart auf die Naſe, denn jetzt
merkten ſie, daß ſie nicht mehr auf der ebenen Erde, ſon¬
dern auf hohen Polſterbetten geſchlafen hatten, und der
Schein, der durch die Stube gezogen war, hatte nicht
die rauhe Wand ihres Huͤhnerſtalles, an welcher Stroh
und die alte Huͤhnerleiter lag, ſondern praͤchtige gemalte
und vergoldete Waͤnde, ſeidene Vorhaͤnge und aufge¬
ſtellte Silber- und Gold-Gefaͤße beleuchtet. Sie rafften
ſich auf von einem ſpiegelglatten Boden, ſie ſtuͤrzten ſich
in die Arme und weinten vor Freude, wie Kinder. Sie
hatten ſich ſo lieb, als haͤtten ſie ſich zum erſtenmale geſehen.
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/103>, abgerufen am 18.12.2024.
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