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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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mal aus: "ach Mutter, liebe Mutter, du bist's, du bist's
ganz gewiß!" Da sagte Frau Hinkel: "nun meinethalben",
und küßte das Kind Gackeleia von ganzem Herzen. Go¬
ckel aber sprach: "ei, ei, Frau Hinkel, ich hätte mein
Lebtag nicht gedacht, daß du so eitel wärest; es ist gut, nun
habe ich ein Mittel, dich zu strafen; sieh, bist du mir nun
nicht fein ordentlich und fleißig, oder brummest du, oder
bist du neugierig, so drehe ich gleich den Ring um und ma¬
che dich hundert Jahre alt." Da sagte Frau Hinkel: "thue
was du willst, ich habe es nicht gern gethan, es hat mich
nur so überrascht." Nun umarmte sie Gockel und drehte den
Ring wieder, und sie wurden wieder jung und schön. So erfuhr
auch Gackeleia das Geheimniß mit dem Ringe, und Gockel
schärfte ihr und der Frau Hinkel ein, ja niemals etwas von
dem Ringe zu sprechen, sonst könnte er ihnen gestohlen werden,
und dann müßten sie wohl wieder arm und elend in das alte
Schloß zurück. "Bewahr uns Gott davor!" sagten alle, und
Gockel fuhr fort: "ja, daß er uns davor bewahre, lasset uns
vor Allem beten und danken; ihm allein gebührt die Ehre!"
da knieten sie in Mitte der Stube nieder und dankten Gott
von Herzen.

Als sie wieder aufgestanden waren, sagte Frau Hinkel:
"jetzt kommt, jetzt geht das Hauptplaisir an, jetzt geht es
ans Betrachten, und mit uns selbst wird angefangen." Nun tra¬
ten sie alle drei vor einen großen Spiegel und beschauten sich
in Lebensgröße von alleu Seiten und lachten und hüpften;
Frau Hinkel machte einige spitze Mäulchen und Gackeleia
probirte so vielerlei, daß sie sogar die Zunge ziemlich weit
herausstreckte, worauf aber Gockel sagte: "Pfui, wawa,
das ist unartig!" Hierauf gieng Frau Hinkel nach ihrem
Waschtisch, um Alles zu betrachten, was sie in der Nacht noch
nicht gesehen. In einer andern Fensternische stand der Wasch¬
tisch Gockels, und zwischen beiden ein Waschtischchen Ga¬
ckeleia's.

mal aus: „ach Mutter, liebe Mutter, du biſt's, du biſt's
ganz gewiß!“ Da ſagte Frau Hinkel: „nun meinethalben“,
und kuͤßte das Kind Gackeleia von ganzem Herzen. Go¬
ckel aber ſprach: „ei, ei, Frau Hinkel, ich haͤtte mein
Lebtag nicht gedacht, daß du ſo eitel waͤreſt; es iſt gut, nun
habe ich ein Mittel, dich zu ſtrafen; ſieh, biſt du mir nun
nicht fein ordentlich und fleißig, oder brummeſt du, oder
biſt du neugierig, ſo drehe ich gleich den Ring um und ma¬
che dich hundert Jahre alt.“ Da ſagte Frau Hinkel: „thue
was du willſt, ich habe es nicht gern gethan, es hat mich
nur ſo uͤberraſcht.“ Nun umarmte ſie Gockel und drehte den
Ring wieder, und ſie wurden wieder jung und ſchoͤn. So erfuhr
auch Gackeleia das Geheimniß mit dem Ringe, und Gockel
ſchaͤrfte ihr und der Frau Hinkel ein, ja niemals etwas von
dem Ringe zu ſprechen, ſonſt koͤnnte er ihnen geſtohlen werden,
und dann muͤßten ſie wohl wieder arm und elend in das alte
Schloß zuruͤck. „Bewahr uns Gott davor!“ ſagten alle, und
Gockel fuhr fort: „ja, daß er uns davor bewahre, laſſet uns
vor Allem beten und danken; ihm allein gebuͤhrt die Ehre!“
da knieten ſie in Mitte der Stube nieder und dankten Gott
von Herzen.

Als ſie wieder aufgeſtanden waren, ſagte Frau Hinkel:
„jetzt kommt, jetzt geht das Hauptplaiſir an, jetzt geht es
ans Betrachten, und mit uns ſelbſt wird angefangen.“ Nun tra¬
ten ſie alle drei vor einen großen Spiegel und beſchauten ſich
in Lebensgroͤße von alleu Seiten und lachten und huͤpften;
Frau Hinkel machte einige ſpitze Maͤulchen und Gackeleia
probirte ſo vielerlei, daß ſie ſogar die Zunge ziemlich weit
herausſtreckte, worauf aber Gockel ſagte: „Pfui, wawa,
das iſt unartig!“ Hierauf gieng Frau Hinkel nach ihrem
Waſchtiſch, um Alles zu betrachten, was ſie in der Nacht noch
nicht geſehen. In einer andern Fenſterniſche ſtand der Waſch¬
tiſch Gockels, und zwiſchen beiden ein Waſchtiſchchen Ga¬
ckeleia's.

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[82/0116] mal aus: „ach Mutter, liebe Mutter, du biſt's, du biſt's ganz gewiß!“ Da ſagte Frau Hinkel: „nun meinethalben“, und kuͤßte das Kind Gackeleia von ganzem Herzen. Go¬ ckel aber ſprach: „ei, ei, Frau Hinkel, ich haͤtte mein Lebtag nicht gedacht, daß du ſo eitel waͤreſt; es iſt gut, nun habe ich ein Mittel, dich zu ſtrafen; ſieh, biſt du mir nun nicht fein ordentlich und fleißig, oder brummeſt du, oder biſt du neugierig, ſo drehe ich gleich den Ring um und ma¬ che dich hundert Jahre alt.“ Da ſagte Frau Hinkel: „thue was du willſt, ich habe es nicht gern gethan, es hat mich nur ſo uͤberraſcht.“ Nun umarmte ſie Gockel und drehte den Ring wieder, und ſie wurden wieder jung und ſchoͤn. So erfuhr auch Gackeleia das Geheimniß mit dem Ringe, und Gockel ſchaͤrfte ihr und der Frau Hinkel ein, ja niemals etwas von dem Ringe zu ſprechen, ſonſt koͤnnte er ihnen geſtohlen werden, und dann muͤßten ſie wohl wieder arm und elend in das alte Schloß zuruͤck. „Bewahr uns Gott davor!“ ſagten alle, und Gockel fuhr fort: „ja, daß er uns davor bewahre, laſſet uns vor Allem beten und danken; ihm allein gebuͤhrt die Ehre!“ da knieten ſie in Mitte der Stube nieder und dankten Gott von Herzen. Als ſie wieder aufgeſtanden waren, ſagte Frau Hinkel: „jetzt kommt, jetzt geht das Hauptplaiſir an, jetzt geht es ans Betrachten, und mit uns ſelbſt wird angefangen.“ Nun tra¬ ten ſie alle drei vor einen großen Spiegel und beſchauten ſich in Lebensgroͤße von alleu Seiten und lachten und huͤpften; Frau Hinkel machte einige ſpitze Maͤulchen und Gackeleia probirte ſo vielerlei, daß ſie ſogar die Zunge ziemlich weit herausſtreckte, worauf aber Gockel ſagte: „Pfui, wawa, das iſt unartig!“ Hierauf gieng Frau Hinkel nach ihrem Waſchtiſch, um Alles zu betrachten, was ſie in der Nacht noch nicht geſehen. In einer andern Fenſterniſche ſtand der Waſch¬ tiſch Gockels, und zwiſchen beiden ein Waſchtiſchchen Ga¬ ckeleia's.

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/116>, abgerufen am 21.11.2024.