bei seiner eigenen Haushaltung ausgeleert worden. Das Dach der Eierburg aber war in Gestalt einer brütenden Henne wirklich von lauter Hühnerfedern zusammengesetzt, und in¬ wendig waren alle Wände eiergelb ausgeschlagen. Gerade der Bau dieses Schloßes war schuld gewesen, daß Gockel einstens aus den Diensten des Königs gegangen war, weil er sich der entsetzlichen Hühner- und Eierverschwendung wi¬ dersetzte und dadurch den König erbittert hatte. Täglich kam nun der königliche Küchenmeister mit einem Küchenwa¬ gen nach Gelnhausen gefahren, um die nöthigen Vorräthe für den Hofstaat einzukaufen. Wie erstaunte er aber heute, als er die ganze Stadt in einem allgemeinen Bürgerfest vor einem nie gesehenen Palaste erblickte und den Namen Go¬ ckels an allen Ecken ausrufen hörte. Aber sein Erstaunen ward bald in einen großen Aerger verwandelt; denn wo er zu einem Bäcker oder Fleischer oder Krämer mit seinem Kü¬ chenwagen hinfuhr, um einzukehren, hieß es überall: Alles ist schon für Seine Raugräflichen Gnaden Gockel von Hanau gekauft. Da nun endlich der königliche Küchenmeister sich mit Gewalt der nöthigen Lebensmittel bemächtigen wollte, widersetzten sich die Bürger und es entstand ein Getümmel. Gockel, der die Ursache davon erfuhr, ließ sogleich dem Kü¬ chenmeister sagen, er möge ohne Sorgen seyn, denn er wolle Seine Majestät den König und Seine ganze Familie und Seine ganze Dienerschaft allerunterthänigst heute auf einen Löffel Suppe zu sich einladen lassen, und er, der Küchen¬ meister, möchte nur mit seinem Küchenwagen vor seine Schloß-Speisekammer heranfahren, um ein kleines Frühstück für den König mitzunehmen. Der Küchenmeister fuhr nun hinüber, und Gockel ließ ihm den ganzen Küchenwagen mit Kibitzeneiern anfüllen und setzte seine zwei Kammermohren oben drauf, welche den König unterrichten sollten, wie man die Kibitzeneier mit Anstand esse; denn der König hatte seiner Lebtage noch keine gegessen.
bei ſeiner eigenen Haushaltung ausgeleert worden. Das Dach der Eierburg aber war in Geſtalt einer bruͤtenden Henne wirklich von lauter Huͤhnerfedern zuſammengeſetzt, und in¬ wendig waren alle Waͤnde eiergelb ausgeſchlagen. Gerade der Bau dieſes Schloßes war ſchuld geweſen, daß Gockel einſtens aus den Dienſten des Koͤnigs gegangen war, weil er ſich der entſetzlichen Huͤhner- und Eierverſchwendung wi¬ derſetzte und dadurch den Koͤnig erbittert hatte. Taͤglich kam nun der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter mit einem Kuͤchenwa¬ gen nach Gelnhauſen gefahren, um die noͤthigen Vorraͤthe fuͤr den Hofſtaat einzukaufen. Wie erſtaunte er aber heute, als er die ganze Stadt in einem allgemeinen Buͤrgerfeſt vor einem nie geſehenen Palaſte erblickte und den Namen Go¬ ckels an allen Ecken ausrufen hoͤrte. Aber ſein Erſtaunen ward bald in einen großen Aerger verwandelt; denn wo er zu einem Baͤcker oder Fleiſcher oder Kraͤmer mit ſeinem Kuͤ¬ chenwagen hinfuhr, um einzukehren, hieß es uͤberall: Alles iſt ſchon fuͤr Seine Raugraͤflichen Gnaden Gockel von Hanau gekauft. Da nun endlich der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter ſich mit Gewalt der noͤthigen Lebensmittel bemaͤchtigen wollte, widerſetzten ſich die Buͤrger und es entſtand ein Getuͤmmel. Gockel, der die Urſache davon erfuhr, ließ ſogleich dem Kuͤ¬ chenmeiſter ſagen, er moͤge ohne Sorgen ſeyn, denn er wolle Seine Majeſtaͤt den Koͤnig und Seine ganze Familie und Seine ganze Dienerſchaft allerunterthaͤnigſt heute auf einen Loͤffel Suppe zu ſich einladen laſſen, und er, der Kuͤchen¬ meiſter, moͤchte nur mit ſeinem Kuͤchenwagen vor ſeine Schloß-Speiſekammer heranfahren, um ein kleines Fruͤhſtuͤck fuͤr den Koͤnig mitzunehmen. Der Kuͤchenmeiſter fuhr nun hinuͤber, und Gockel ließ ihm den ganzen Kuͤchenwagen mit Kibitzeneiern anfuͤllen und ſetzte ſeine zwei Kammermohren oben drauf, welche den Koͤnig unterrichten ſollten, wie man die Kibitzeneier mit Anſtand eſſe; denn der Koͤnig hatte ſeiner Lebtage noch keine gegeſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0127"n="91"/>
bei ſeiner eigenen Haushaltung ausgeleert worden. Das Dach<lb/>
der Eierburg aber war in Geſtalt einer bruͤtenden Henne<lb/>
wirklich von lauter Huͤhnerfedern zuſammengeſetzt, und in¬<lb/>
wendig waren alle Waͤnde eiergelb ausgeſchlagen. Gerade<lb/>
der Bau dieſes Schloßes war ſchuld geweſen, daß Gockel<lb/>
einſtens aus den Dienſten des Koͤnigs gegangen war, weil<lb/>
er ſich der entſetzlichen Huͤhner- und Eierverſchwendung wi¬<lb/>
derſetzte und dadurch den Koͤnig erbittert hatte. Taͤglich<lb/>
kam nun der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter mit einem Kuͤchenwa¬<lb/>
gen nach Gelnhauſen gefahren, um die noͤthigen Vorraͤthe<lb/>
fuͤr den Hofſtaat einzukaufen. Wie erſtaunte er aber heute,<lb/>
als er die ganze Stadt in einem allgemeinen Buͤrgerfeſt vor<lb/>
einem nie geſehenen Palaſte erblickte und den Namen Go¬<lb/>
ckels an allen Ecken ausrufen hoͤrte. Aber ſein Erſtaunen<lb/>
ward bald in einen großen Aerger verwandelt; denn wo er<lb/>
zu einem Baͤcker oder Fleiſcher oder Kraͤmer mit ſeinem Kuͤ¬<lb/>
chenwagen hinfuhr, um einzukehren, hieß es uͤberall: Alles<lb/>
iſt ſchon fuͤr Seine Raugraͤflichen Gnaden Gockel von Hanau<lb/>
gekauft. Da nun endlich der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter ſich<lb/>
mit Gewalt der noͤthigen Lebensmittel bemaͤchtigen wollte,<lb/>
widerſetzten ſich die Buͤrger und es entſtand ein Getuͤmmel.<lb/>
Gockel, der die Urſache davon erfuhr, ließ ſogleich dem Kuͤ¬<lb/>
chenmeiſter ſagen, er moͤge ohne Sorgen ſeyn, denn er wolle<lb/>
Seine Majeſtaͤt den Koͤnig und Seine ganze Familie und<lb/>
Seine ganze Dienerſchaft allerunterthaͤnigſt heute auf einen<lb/>
Loͤffel Suppe zu ſich einladen laſſen, und er, der Kuͤchen¬<lb/>
meiſter, moͤchte nur mit ſeinem Kuͤchenwagen vor ſeine<lb/>
Schloß-Speiſekammer heranfahren, um ein kleines Fruͤhſtuͤck<lb/>
fuͤr den Koͤnig mitzunehmen. Der Kuͤchenmeiſter fuhr nun<lb/>
hinuͤber, und Gockel ließ ihm den ganzen Kuͤchenwagen mit<lb/>
Kibitzeneiern anfuͤllen und ſetzte ſeine zwei Kammermohren<lb/>
oben drauf, welche den Koͤnig unterrichten ſollten, wie man<lb/>
die Kibitzeneier mit Anſtand eſſe; denn der Koͤnig hatte ſeiner<lb/>
Lebtage noch keine gegeſſen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[91/0127]
bei ſeiner eigenen Haushaltung ausgeleert worden. Das Dach
der Eierburg aber war in Geſtalt einer bruͤtenden Henne
wirklich von lauter Huͤhnerfedern zuſammengeſetzt, und in¬
wendig waren alle Waͤnde eiergelb ausgeſchlagen. Gerade
der Bau dieſes Schloßes war ſchuld geweſen, daß Gockel
einſtens aus den Dienſten des Koͤnigs gegangen war, weil
er ſich der entſetzlichen Huͤhner- und Eierverſchwendung wi¬
derſetzte und dadurch den Koͤnig erbittert hatte. Taͤglich
kam nun der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter mit einem Kuͤchenwa¬
gen nach Gelnhauſen gefahren, um die noͤthigen Vorraͤthe
fuͤr den Hofſtaat einzukaufen. Wie erſtaunte er aber heute,
als er die ganze Stadt in einem allgemeinen Buͤrgerfeſt vor
einem nie geſehenen Palaſte erblickte und den Namen Go¬
ckels an allen Ecken ausrufen hoͤrte. Aber ſein Erſtaunen
ward bald in einen großen Aerger verwandelt; denn wo er
zu einem Baͤcker oder Fleiſcher oder Kraͤmer mit ſeinem Kuͤ¬
chenwagen hinfuhr, um einzukehren, hieß es uͤberall: Alles
iſt ſchon fuͤr Seine Raugraͤflichen Gnaden Gockel von Hanau
gekauft. Da nun endlich der koͤnigliche Kuͤchenmeiſter ſich
mit Gewalt der noͤthigen Lebensmittel bemaͤchtigen wollte,
widerſetzten ſich die Buͤrger und es entſtand ein Getuͤmmel.
Gockel, der die Urſache davon erfuhr, ließ ſogleich dem Kuͤ¬
chenmeiſter ſagen, er moͤge ohne Sorgen ſeyn, denn er wolle
Seine Majeſtaͤt den Koͤnig und Seine ganze Familie und
Seine ganze Dienerſchaft allerunterthaͤnigſt heute auf einen
Loͤffel Suppe zu ſich einladen laſſen, und er, der Kuͤchen¬
meiſter, moͤchte nur mit ſeinem Kuͤchenwagen vor ſeine
Schloß-Speiſekammer heranfahren, um ein kleines Fruͤhſtuͤck
fuͤr den Koͤnig mitzunehmen. Der Kuͤchenmeiſter fuhr nun
hinuͤber, und Gockel ließ ihm den ganzen Kuͤchenwagen mit
Kibitzeneiern anfuͤllen und ſetzte ſeine zwei Kammermohren
oben drauf, welche den Koͤnig unterrichten ſollten, wie man
die Kibitzeneier mit Anſtand eſſe; denn der Koͤnig hatte ſeiner
Lebtage noch keine gegeſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/127>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.