Der Küchenmeister fuhr durch den Sand in gestrecktem Ga¬ lopp mit seinem Küchenwagen voll Eiern nach dem Lustschloß, ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren, wo es zu langsam ging, manchmal absteigen und zu Fuß gehen mußten; sie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.
Mit höchster Verwunderung hörte König Eifrasius die Geschichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kü¬ chenmeister erzählen, und ließ sich sogleich ein Hundert von den Kibitzeneiern hart sieden. Als nun die zwei schwarzen Kammermohren in ihren goldbordirten Röcken mit der silber¬ nen Schüssel voll Salz, in welches die Eier festgestellt wa¬ ren, hereintraten, und mit ihrer schwarzen Farbe so schön gegen den weißen Eierpalast abstachen, hatte der König Ei¬ frasius große Freude daran. Er ließ seine Gemahlin Eile¬ gia, und seinen Kronprinzen Kronovus zum Frühstück beru¬ fen, und erzählte ihnen das große Wunder vom Palast Gockels. "Ach", sagte Kronovus, "da ist wohl die kleine Ga¬ ckeleia, mit welcher ich sonst spielte, auch wieder dabei." "Na¬ türlich", sprach Eifrasius, "wir wollen gleich nach diesem Frühstück hinein fahren und das ganze Spektackel ansehen. Aber seht nur die kuriosen Eier, die er uns zum Frühstück sendet; grün sind sie mit schwarzen Puncten; man nennt sie Kibitzeneier, sie kommen weit aus Rußland und werden so genannt, weil sie in Kibitken, einer Art von Hühnerstall auf vier Rädern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬ ren werden."
Da sprach der eine Kammermohr: "ich bitte Eure Maje¬ stät um Vergebung, man nennt sie Kibitzeneier, sie werden vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefähr so groß wie eine Taube und grau wie eine Schnepfe ist, und wie eine französische Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi schreit, wenn man dann: "gut Freund" antwortet, so kann man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich wieder andere legt."
Der Kuͤchenmeiſter fuhr durch den Sand in geſtrecktem Ga¬ lopp mit ſeinem Kuͤchenwagen voll Eiern nach dem Luſtſchloß, ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren, wo es zu langſam ging, manchmal abſteigen und zu Fuß gehen mußten; ſie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.
Mit hoͤchſter Verwunderung hoͤrte Koͤnig Eifraſius die Geſchichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kuͤ¬ chenmeiſter erzaͤhlen, und ließ ſich ſogleich ein Hundert von den Kibitzeneiern hart ſieden. Als nun die zwei ſchwarzen Kammermohren in ihren goldbordirten Roͤcken mit der ſilber¬ nen Schuͤſſel voll Salz, in welches die Eier feſtgeſtellt wa¬ ren, hereintraten, und mit ihrer ſchwarzen Farbe ſo ſchoͤn gegen den weißen Eierpalaſt abſtachen, hatte der Koͤnig Ei¬ fraſius große Freude daran. Er ließ ſeine Gemahlin Eile¬ gia, und ſeinen Kronprinzen Kronovus zum Fruͤhſtuͤck beru¬ fen, und erzaͤhlte ihnen das große Wunder vom Palaſt Gockels. „Ach“, ſagte Kronovus, „da iſt wohl die kleine Ga¬ ckeleia, mit welcher ich ſonſt ſpielte, auch wieder dabei.“ „Na¬ tuͤrlich“, ſprach Eifraſius, „wir wollen gleich nach dieſem Fruͤhſtuͤck hinein fahren und das ganze Spektackel anſehen. Aber ſeht nur die kurioſen Eier, die er uns zum Fruͤhſtuͤck ſendet; gruͤn ſind ſie mit ſchwarzen Puncten; man nennt ſie Kibitzeneier, ſie kommen weit aus Rußland und werden ſo genannt, weil ſie in Kibitken, einer Art von Huͤhnerſtall auf vier Raͤdern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬ ren werden.“
Da ſprach der eine Kammermohr: „ich bitte Eure Maje¬ ſtaͤt um Vergebung, man nennt ſie Kibitzeneier, ſie werden vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefaͤhr ſo groß wie eine Taube und grau wie eine Schnepfe iſt, und wie eine franzoͤſiſche Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi ſchreit, wenn man dann: „gut Freund“ antwortet, ſo kann man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich wieder andere legt.“
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Der Kuͤchenmeiſter fuhr durch den Sand in geſtrecktem Ga¬
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ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren,
wo es zu langſam ging, manchmal abſteigen und zu Fuß
gehen mußten; ſie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.
Mit hoͤchſter Verwunderung hoͤrte Koͤnig Eifraſius die
Geſchichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kuͤ¬
chenmeiſter erzaͤhlen, und ließ ſich ſogleich ein Hundert von
den Kibitzeneiern hart ſieden. Als nun die zwei ſchwarzen
Kammermohren in ihren goldbordirten Roͤcken mit der ſilber¬
nen Schuͤſſel voll Salz, in welches die Eier feſtgeſtellt wa¬
ren, hereintraten, und mit ihrer ſchwarzen Farbe ſo ſchoͤn
gegen den weißen Eierpalaſt abſtachen, hatte der Koͤnig Ei¬
fraſius große Freude daran. Er ließ ſeine Gemahlin Eile¬
gia, und ſeinen Kronprinzen Kronovus zum Fruͤhſtuͤck beru¬
fen, und erzaͤhlte ihnen das große Wunder vom Palaſt
Gockels. „Ach“, ſagte Kronovus, „da iſt wohl die kleine Ga¬
ckeleia, mit welcher ich ſonſt ſpielte, auch wieder dabei.“ „Na¬
tuͤrlich“, ſprach Eifraſius, „wir wollen gleich nach dieſem
Fruͤhſtuͤck hinein fahren und das ganze Spektackel anſehen.
Aber ſeht nur die kurioſen Eier, die er uns zum Fruͤhſtuͤck
ſendet; gruͤn ſind ſie mit ſchwarzen Puncten; man nennt ſie
Kibitzeneier, ſie kommen weit aus Rußland und werden ſo
genannt, weil ſie in Kibitken, einer Art von Huͤhnerſtall
auf vier Raͤdern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬
ren werden.“
Da ſprach der eine Kammermohr: „ich bitte Eure Maje¬
ſtaͤt um Vergebung, man nennt ſie Kibitzeneier, ſie werden
vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefaͤhr ſo groß wie
eine Taube und grau wie eine Schnepfe iſt, und wie eine
franzoͤſiſche Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi
ſchreit, wenn man dann: „gut Freund“ antwortet, ſo kann
man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich
wieder andere legt.“
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/128>, abgerufen am 21.11.2024.
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