Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Küchenmeister fuhr durch den Sand in gestrecktem Ga¬
lopp mit seinem Küchenwagen voll Eiern nach dem Lustschloß,
ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren,
wo es zu langsam ging, manchmal absteigen und zu Fuß
gehen mußten; sie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.

Mit höchster Verwunderung hörte König Eifrasius die
Geschichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kü¬
chenmeister erzählen, und ließ sich sogleich ein Hundert von
den Kibitzeneiern hart sieden. Als nun die zwei schwarzen
Kammermohren in ihren goldbordirten Röcken mit der silber¬
nen Schüssel voll Salz, in welches die Eier festgestellt wa¬
ren, hereintraten, und mit ihrer schwarzen Farbe so schön
gegen den weißen Eierpalast abstachen, hatte der König Ei¬
frasius große Freude daran. Er ließ seine Gemahlin Eile¬
gia, und seinen Kronprinzen Kronovus zum Frühstück beru¬
fen, und erzählte ihnen das große Wunder vom Palast
Gockels. "Ach", sagte Kronovus, "da ist wohl die kleine Ga¬
ckeleia, mit welcher ich sonst spielte, auch wieder dabei." "Na¬
türlich", sprach Eifrasius, "wir wollen gleich nach diesem
Frühstück hinein fahren und das ganze Spektackel ansehen.
Aber seht nur die kuriosen Eier, die er uns zum Frühstück
sendet; grün sind sie mit schwarzen Puncten; man nennt sie
Kibitzeneier, sie kommen weit aus Rußland und werden so
genannt, weil sie in Kibitken, einer Art von Hühnerstall
auf vier Rädern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬
ren werden."

Da sprach der eine Kammermohr: "ich bitte Eure Maje¬
stät um Vergebung, man nennt sie Kibitzeneier, sie werden
vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefähr so groß wie
eine Taube und grau wie eine Schnepfe ist, und wie eine
französische Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi
schreit, wenn man dann: "gut Freund" antwortet, so kann
man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich
wieder andere legt."

Der Kuͤchenmeiſter fuhr durch den Sand in geſtrecktem Ga¬
lopp mit ſeinem Kuͤchenwagen voll Eiern nach dem Luſtſchloß,
ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren,
wo es zu langſam ging, manchmal abſteigen und zu Fuß
gehen mußten; ſie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.

Mit hoͤchſter Verwunderung hoͤrte Koͤnig Eifraſius die
Geſchichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kuͤ¬
chenmeiſter erzaͤhlen, und ließ ſich ſogleich ein Hundert von
den Kibitzeneiern hart ſieden. Als nun die zwei ſchwarzen
Kammermohren in ihren goldbordirten Roͤcken mit der ſilber¬
nen Schuͤſſel voll Salz, in welches die Eier feſtgeſtellt wa¬
ren, hereintraten, und mit ihrer ſchwarzen Farbe ſo ſchoͤn
gegen den weißen Eierpalaſt abſtachen, hatte der Koͤnig Ei¬
fraſius große Freude daran. Er ließ ſeine Gemahlin Eile¬
gia, und ſeinen Kronprinzen Kronovus zum Fruͤhſtuͤck beru¬
fen, und erzaͤhlte ihnen das große Wunder vom Palaſt
Gockels. „Ach“, ſagte Kronovus, „da iſt wohl die kleine Ga¬
ckeleia, mit welcher ich ſonſt ſpielte, auch wieder dabei.“ „Na¬
tuͤrlich“, ſprach Eifraſius, „wir wollen gleich nach dieſem
Fruͤhſtuͤck hinein fahren und das ganze Spektackel anſehen.
Aber ſeht nur die kurioſen Eier, die er uns zum Fruͤhſtuͤck
ſendet; gruͤn ſind ſie mit ſchwarzen Puncten; man nennt ſie
Kibitzeneier, ſie kommen weit aus Rußland und werden ſo
genannt, weil ſie in Kibitken, einer Art von Huͤhnerſtall
auf vier Raͤdern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬
ren werden.“

Da ſprach der eine Kammermohr: „ich bitte Eure Maje¬
ſtaͤt um Vergebung, man nennt ſie Kibitzeneier, ſie werden
vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefaͤhr ſo groß wie
eine Taube und grau wie eine Schnepfe iſt, und wie eine
franzoͤſiſche Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi
ſchreit, wenn man dann: „gut Freund“ antwortet, ſo kann
man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich
wieder andere legt.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0128" n="92"/>
        <p>Der Ku&#x0364;chenmei&#x017F;ter fuhr durch den Sand in ge&#x017F;trecktem Ga¬<lb/>
lopp mit &#x017F;einem Ku&#x0364;chenwagen voll Eiern nach dem Lu&#x017F;t&#x017F;chloß,<lb/>
ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren,<lb/>
wo es zu lang&#x017F;am ging, manchmal ab&#x017F;teigen und zu Fuß<lb/>
gehen mußten; &#x017F;ie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an.</p><lb/>
        <p>Mit ho&#x0364;ch&#x017F;ter Verwunderung ho&#x0364;rte Ko&#x0364;nig Eifra&#x017F;ius die<lb/>
Ge&#x017F;chichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Ku&#x0364;¬<lb/>
chenmei&#x017F;ter erza&#x0364;hlen, und ließ &#x017F;ich &#x017F;ogleich ein Hundert von<lb/>
den Kibitzeneiern hart &#x017F;ieden. Als nun die zwei &#x017F;chwarzen<lb/>
Kammermohren in ihren goldbordirten Ro&#x0364;cken mit der &#x017F;ilber¬<lb/>
nen Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el voll Salz, in welches die Eier fe&#x017F;tge&#x017F;tellt wa¬<lb/>
ren, hereintraten, und mit ihrer &#x017F;chwarzen Farbe &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
gegen den weißen Eierpala&#x017F;t ab&#x017F;tachen, hatte der Ko&#x0364;nig Ei¬<lb/>
fra&#x017F;ius große Freude daran. Er ließ &#x017F;eine Gemahlin Eile¬<lb/>
gia, und &#x017F;einen Kronprinzen Kronovus zum Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck beru¬<lb/>
fen, und erza&#x0364;hlte ihnen das große Wunder vom Pala&#x017F;t<lb/>
Gockels. &#x201E;Ach&#x201C;, &#x017F;agte Kronovus, &#x201E;da i&#x017F;t wohl die kleine Ga¬<lb/>
ckeleia, mit welcher ich &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;pielte, auch wieder dabei.&#x201C; &#x201E;Na¬<lb/>
tu&#x0364;rlich&#x201C;, &#x017F;prach Eifra&#x017F;ius, &#x201E;wir wollen gleich nach die&#x017F;em<lb/>
Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck hinein fahren und das ganze Spektackel an&#x017F;ehen.<lb/>
Aber &#x017F;eht nur die kurio&#x017F;en Eier, die er uns zum Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
&#x017F;endet; gru&#x0364;n &#x017F;ind &#x017F;ie mit &#x017F;chwarzen Puncten; man nennt &#x017F;ie<lb/>
Kibitzeneier, &#x017F;ie kommen weit aus Rußland und werden &#x017F;o<lb/>
genannt, weil &#x017F;ie in Kibitken, einer Art von Hu&#x0364;hner&#x017F;tall<lb/>
auf vier Ra&#x0364;dern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬<lb/>
ren werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;prach der eine Kammermohr: &#x201E;ich bitte Eure Maje¬<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;t um Vergebung, man nennt &#x017F;ie Kibitzeneier, &#x017F;ie werden<lb/>
vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefa&#x0364;hr &#x017F;o groß wie<lb/>
eine Taube und grau wie eine Schnepfe i&#x017F;t, und wie eine<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi<lb/>
&#x017F;chreit, wenn man dann: &#x201E;gut Freund&#x201C; antwortet, &#x017F;o kann<lb/>
man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich<lb/>
wieder andere legt.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0128] Der Kuͤchenmeiſter fuhr durch den Sand in geſtrecktem Ga¬ lopp mit ſeinem Kuͤchenwagen voll Eiern nach dem Luſtſchloß, ohne ein Einziges zu zerbrechen, nur daß die zwei Mohren, wo es zu langſam ging, manchmal abſteigen und zu Fuß gehen mußten; ſie kamen jedoch zugleich in der Eierburg an. Mit hoͤchſter Verwunderung hoͤrte Koͤnig Eifraſius die Geſchichte von dem Schloß und dem Gockel durch den Kuͤ¬ chenmeiſter erzaͤhlen, und ließ ſich ſogleich ein Hundert von den Kibitzeneiern hart ſieden. Als nun die zwei ſchwarzen Kammermohren in ihren goldbordirten Roͤcken mit der ſilber¬ nen Schuͤſſel voll Salz, in welches die Eier feſtgeſtellt wa¬ ren, hereintraten, und mit ihrer ſchwarzen Farbe ſo ſchoͤn gegen den weißen Eierpalaſt abſtachen, hatte der Koͤnig Ei¬ fraſius große Freude daran. Er ließ ſeine Gemahlin Eile¬ gia, und ſeinen Kronprinzen Kronovus zum Fruͤhſtuͤck beru¬ fen, und erzaͤhlte ihnen das große Wunder vom Palaſt Gockels. „Ach“, ſagte Kronovus, „da iſt wohl die kleine Ga¬ ckeleia, mit welcher ich ſonſt ſpielte, auch wieder dabei.“ „Na¬ tuͤrlich“, ſprach Eifraſius, „wir wollen gleich nach dieſem Fruͤhſtuͤck hinein fahren und das ganze Spektackel anſehen. Aber ſeht nur die kurioſen Eier, die er uns zum Fruͤhſtuͤck ſendet; gruͤn ſind ſie mit ſchwarzen Puncten; man nennt ſie Kibitzeneier, ſie kommen weit aus Rußland und werden ſo genannt, weil ſie in Kibitken, einer Art von Huͤhnerſtall auf vier Raͤdern gefunden, oder gelegt, oder hieher gefah¬ ren werden.“ Da ſprach der eine Kammermohr: „ich bitte Eure Maje¬ ſtaͤt um Vergebung, man nennt ſie Kibitzeneier, ſie werden vom Kibitz, einem Vogel gelegt, der ungefaͤhr ſo groß wie eine Taube und grau wie eine Schnepfe iſt, und wie eine franzoͤſiſche Schildwache beim Eierlegen immer Ki wi, Ki wi ſchreit, wenn man dann: „gut Freund“ antwortet, ſo kann man hingehen und ihm die Eier nehmen, worauf er gleich wieder andere legt.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/128
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/128>, abgerufen am 21.11.2024.