Den König Eifrasius ärgerte es, daß der Mohr ihn in Eierkenntnissen belehren wollte, und sagte zu ihm: "halt er sein Maul, er versteht nichts davon, sey er nicht so nasen¬ weis." Darüber erschrack der Mohr wirklich so sehr, daß er ganz weiß um den Schnabel wurde. Der andere Mohr sprach nun: "der Raugraf Gockel hat uns befohlen, Eurer Maje¬ stät zu zeigen, wie diese Eier jetzt nach der neuesten Mode gespeist zu werden pflegen." "Ich bin begierig", sagte der Kö¬ nig, "es zu sehen." Da nahm jeder der Kammermohren eins von den Eiern in die flache linke Hand, und nun traten sie mit aufgehobener Rechte einander gegenüber und baten den König eins, zwei, drei zu kommandiren. Das that Eifrasius, und wie er drei sagte, schlug der eine Mohr dem andern so auf das Ei, daß der gelbe Dotter gar artig auf die schwarze Hand herausfuhr. Dem König gefiel dieses über die Mas¬ sen, und sie mußten es ihm bei allen hundert Eiern da Capo machen, wofür er ihnen beim Abschied beiden den Orden des rothen Ostereies dritter Klasse ohne Dotter taxfrei zur Be¬ lohnung um den Hals hängte.
Nun fuhr der König und seine Gemahlin und der Kron¬ prinz mit dem ganzen Hofstaat auf einer Wurst nach Geln¬ hausen zu Gockel, der ihm mit Hinkel und Gackeleia an der Schloßthüre entgegen trat. Die Verwunderung über den Reichthum und die jugendliche Schönheit Gockels konnte nur durch die außerordentliche Mahlzeit noch übertroffen werden. Alles war in vollem Jubel. Kronovus und Gackeleia saßen an einem aparten Tischchen und wurden von den zwei Kam¬ merzwergen bedient, und Musik war an allen Ecken. Beim Nachtisch tranken Eifrasius und Gockel Bruderschaft, und Eilegia und Hinkel Schwesterschaft, und Kronovus und Ga¬ ckeleia Spielkameradschaft, sprechend: "du bist mein König und du bist meine Königin." Eifrasius zog dann den Gockel an ein Fenster und hieng ihm das Großei des Ordens des goldnen Ostereies mit zwei Dottern und Petersilie um den Hals und
Den Koͤnig Eifraſius aͤrgerte es, daß der Mohr ihn in Eierkenntniſſen belehren wollte, und ſagte zu ihm: „halt er ſein Maul, er verſteht nichts davon, ſey er nicht ſo naſen¬ weis.“ Daruͤber erſchrack der Mohr wirklich ſo ſehr, daß er ganz weiß um den Schnabel wurde. Der andere Mohr ſprach nun: „der Raugraf Gockel hat uns befohlen, Eurer Maje¬ ſtaͤt zu zeigen, wie dieſe Eier jetzt nach der neueſten Mode geſpeiſt zu werden pflegen.“ „Ich bin begierig“, ſagte der Koͤ¬ nig, „es zu ſehen.“ Da nahm jeder der Kammermohren eins von den Eiern in die flache linke Hand, und nun traten ſie mit aufgehobener Rechte einander gegenuͤber und baten den Koͤnig eins, zwei, drei zu kommandiren. Das that Eifraſius, und wie er drei ſagte, ſchlug der eine Mohr dem andern ſo auf das Ei, daß der gelbe Dotter gar artig auf die ſchwarze Hand herausfuhr. Dem Koͤnig gefiel dieſes uͤber die Maſ¬ ſen, und ſie mußten es ihm bei allen hundert Eiern da Capo machen, wofuͤr er ihnen beim Abſchied beiden den Orden des rothen Oſtereies dritter Klaſſe ohne Dotter taxfrei zur Be¬ lohnung um den Hals haͤngte.
Nun fuhr der Koͤnig und ſeine Gemahlin und der Kron¬ prinz mit dem ganzen Hofſtaat auf einer Wurſt nach Geln¬ hauſen zu Gockel, der ihm mit Hinkel und Gackeleia an der Schloßthuͤre entgegen trat. Die Verwunderung uͤber den Reichthum und die jugendliche Schoͤnheit Gockels konnte nur durch die außerordentliche Mahlzeit noch uͤbertroffen werden. Alles war in vollem Jubel. Kronovus und Gackeleia ſaßen an einem aparten Tiſchchen und wurden von den zwei Kam¬ merzwergen bedient, und Muſik war an allen Ecken. Beim Nachtiſch tranken Eifraſius und Gockel Bruderſchaft, und Eilegia und Hinkel Schweſterſchaft, und Kronovus und Ga¬ ckeleia Spielkameradſchaft, ſprechend: „du biſt mein Koͤnig und du biſt meine Koͤnigin.“ Eifraſius zog dann den Gockel an ein Fenſter und hieng ihm das Großei des Ordens des goldnen Oſtereies mit zwei Dottern und Peterſilie um den Hals und
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Den Koͤnig Eifraſius aͤrgerte es, daß der Mohr ihn in
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ſein Maul, er verſteht nichts davon, ſey er nicht ſo naſen¬
weis.“ Daruͤber erſchrack der Mohr wirklich ſo ſehr, daß er
ganz weiß um den Schnabel wurde. Der andere Mohr ſprach
nun: „der Raugraf Gockel hat uns befohlen, Eurer Maje¬
ſtaͤt zu zeigen, wie dieſe Eier jetzt nach der neueſten Mode
geſpeiſt zu werden pflegen.“ „Ich bin begierig“, ſagte der Koͤ¬
nig, „es zu ſehen.“ Da nahm jeder der Kammermohren eins
von den Eiern in die flache linke Hand, und nun traten ſie
mit aufgehobener Rechte einander gegenuͤber und baten den
Koͤnig eins, zwei, drei zu kommandiren. Das that Eifraſius,
und wie er drei ſagte, ſchlug der eine Mohr dem andern
ſo auf das Ei, daß der gelbe Dotter gar artig auf die ſchwarze
Hand herausfuhr. Dem Koͤnig gefiel dieſes uͤber die Maſ¬
ſen, und ſie mußten es ihm bei allen hundert Eiern da Capo
machen, wofuͤr er ihnen beim Abſchied beiden den Orden des
rothen Oſtereies dritter Klaſſe ohne Dotter taxfrei zur Be¬
lohnung um den Hals haͤngte.
Nun fuhr der Koͤnig und ſeine Gemahlin und der Kron¬
prinz mit dem ganzen Hofſtaat auf einer Wurſt nach Geln¬
hauſen zu Gockel, der ihm mit Hinkel und Gackeleia an der
Schloßthuͤre entgegen trat. Die Verwunderung uͤber den
Reichthum und die jugendliche Schoͤnheit Gockels konnte nur
durch die außerordentliche Mahlzeit noch uͤbertroffen werden.
Alles war in vollem Jubel. Kronovus und Gackeleia ſaßen
an einem aparten Tiſchchen und wurden von den zwei Kam¬
merzwergen bedient, und Muſik war an allen Ecken. Beim
Nachtiſch tranken Eifraſius und Gockel Bruderſchaft, und
Eilegia und Hinkel Schweſterſchaft, und Kronovus und Ga¬
ckeleia Spielkameradſchaft, ſprechend: „du biſt mein Koͤnig und
du biſt meine Koͤnigin.“ Eifraſius zog dann den Gockel an ein
Fenſter und hieng ihm das Großei des Ordens des goldnen
Oſtereies mit zwei Dottern und Peterſilie um den Hals und
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/129>, abgerufen am 21.11.2024.
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