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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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zession erbaut und sehr wohlthätig auf ihre schwachen Ner¬
ven gewirkt. Die übrigen Abgesandten waren von den Spitz¬
mäusen, Bergmäusen, Waldmäusen, Wurzelmäusen u. dgl.
Sie plauderten in der Kirche und bei der Prozession von
der Rettung der Prinzeß Sissi und besonders von der Hin¬
richtung der Katze Schurrimurri und ihrer Jungen, äußerten
sich alle aber sehr bedenklich über ein umlaufendes Gerücht,
daß die fünf verwegenen Söhne der Schurrimurri der Hin¬
richtung durch Einverständniß mit den Söhnen des Scharf¬
richters entgangen seyn und unter dem Nahmen des jungen
Katzenellenbogens eine höchst gefährliche Verschwörung, an¬
geblich zur Rache ihrer Mutter, eingegangen haben sollten;
ihre Absicht aber sey eigentlich gegen das edle Mausgeschlecht,
gegen Hühner und Vögel; die Eulen seyen bereits für sie
gewonnen, ebenso die Füchse, mit den Wieseln unterhandel¬
ten sie, man müsse sehr auf seiner Hut seyn u. s. w. --
Sissi erzählte mir dieses Gerede der ausgezeichneten Staats¬
mäuse mit großer Bangigkeit; -- o wie froh war ich, ihr
versichern zu können, obgleich jenes Gerücht gegründet, sey
dennoch gar nichts von diesen Verschwörern zu befürchten.

Sissi erzählte mir auch noch den Inhalt der Rede, welche
der edle Hofredner Muskulus im Dome gehalten. Er sprach
über Mann und Maus, Menschheit und Mausheit, Mensch¬
lichkeit und Mäuslichkeit, Menschenmöglichkeit und Mäuse¬
möglichkeit. Er erwähnte den Verstand der Mäuse, welche
stäts von jeder Speise das beste Theil erwählen; ihre Gro߬
muth, weil sie trotz ihrer Blödigkeit vor allen Thieren ein
sehr großes Herz haben; ihre Dankbarkeit, wie sie den Lö¬
wen aus dem Netze befreit; ihren Heldenmuth weil sich
der Elephant fürchtet, sie möchten ihm in den Rüssel schlü¬
pfen; ihren prophetischen Geist, weil sie ein Haus verlas¬
sen, ehe es zusammenstürzt. Er sprach von der Ehrfurcht
der Katzen gegen ihre Eltern, welche, wenn sie alt sind, von
den Jungen gefüttert werden. Er erwähnte die große Näch¬

zeſſion erbaut und ſehr wohlthaͤtig auf ihre ſchwachen Ner¬
ven gewirkt. Die uͤbrigen Abgeſandten waren von den Spitz¬
maͤuſen, Bergmaͤuſen, Waldmaͤuſen, Wurzelmaͤuſen u. dgl.
Sie plauderten in der Kirche und bei der Prozeſſion von
der Rettung der Prinzeß Siſſi und beſonders von der Hin¬
richtung der Katze Schurrimurri und ihrer Jungen, aͤußerten
ſich alle aber ſehr bedenklich uͤber ein umlaufendes Geruͤcht,
daß die fuͤnf verwegenen Soͤhne der Schurrimurri der Hin¬
richtung durch Einverſtaͤndniß mit den Soͤhnen des Scharf¬
richters entgangen ſeyn und unter dem Nahmen des jungen
Katzenellenbogens eine hoͤchſt gefaͤhrliche Verſchwoͤrung, an¬
geblich zur Rache ihrer Mutter, eingegangen haben ſollten;
ihre Abſicht aber ſey eigentlich gegen das edle Mausgeſchlecht,
gegen Huͤhner und Voͤgel; die Eulen ſeyen bereits fuͤr ſie
gewonnen, ebenſo die Fuͤchſe, mit den Wieſeln unterhandel¬
ten ſie, man muͤſſe ſehr auf ſeiner Hut ſeyn u. ſ. w. —
Siſſi erzaͤhlte mir dieſes Gerede der ausgezeichneten Staats¬
maͤuſe mit großer Bangigkeit; — o wie froh war ich, ihr
verſichern zu koͤnnen, obgleich jenes Geruͤcht gegruͤndet, ſey
dennoch gar nichts von dieſen Verſchwoͤrern zu befuͤrchten.

Siſſi erzaͤhlte mir auch noch den Inhalt der Rede, welche
der edle Hofredner Muskulus im Dome gehalten. Er ſprach
uͤber Mann und Maus, Menſchheit und Mausheit, Menſch¬
lichkeit und Maͤuslichkeit, Menſchenmoͤglichkeit und Maͤuſe¬
moͤglichkeit. Er erwaͤhnte den Verſtand der Maͤuſe, welche
ſtaͤts von jeder Speiſe das beſte Theil erwaͤhlen; ihre Gro߬
muth, weil ſie trotz ihrer Bloͤdigkeit vor allen Thieren ein
ſehr großes Herz haben; ihre Dankbarkeit, wie ſie den Loͤ¬
wen aus dem Netze befreit; ihren Heldenmuth weil ſich
der Elephant fuͤrchtet, ſie moͤchten ihm in den Ruͤſſel ſchluͤ¬
pfen; ihren prophetiſchen Geiſt, weil ſie ein Haus verlaſ¬
ſen, ehe es zuſammenſtuͤrzt. Er ſprach von der Ehrfurcht
der Katzen gegen ihre Eltern, welche, wenn ſie alt ſind, von
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[164/0212] zeſſion erbaut und ſehr wohlthaͤtig auf ihre ſchwachen Ner¬ ven gewirkt. Die uͤbrigen Abgeſandten waren von den Spitz¬ maͤuſen, Bergmaͤuſen, Waldmaͤuſen, Wurzelmaͤuſen u. dgl. Sie plauderten in der Kirche und bei der Prozeſſion von der Rettung der Prinzeß Siſſi und beſonders von der Hin¬ richtung der Katze Schurrimurri und ihrer Jungen, aͤußerten ſich alle aber ſehr bedenklich uͤber ein umlaufendes Geruͤcht, daß die fuͤnf verwegenen Soͤhne der Schurrimurri der Hin¬ richtung durch Einverſtaͤndniß mit den Soͤhnen des Scharf¬ richters entgangen ſeyn und unter dem Nahmen des jungen Katzenellenbogens eine hoͤchſt gefaͤhrliche Verſchwoͤrung, an¬ geblich zur Rache ihrer Mutter, eingegangen haben ſollten; ihre Abſicht aber ſey eigentlich gegen das edle Mausgeſchlecht, gegen Huͤhner und Voͤgel; die Eulen ſeyen bereits fuͤr ſie gewonnen, ebenſo die Fuͤchſe, mit den Wieſeln unterhandel¬ ten ſie, man muͤſſe ſehr auf ſeiner Hut ſeyn u. ſ. w. — Siſſi erzaͤhlte mir dieſes Gerede der ausgezeichneten Staats¬ maͤuſe mit großer Bangigkeit; — o wie froh war ich, ihr verſichern zu koͤnnen, obgleich jenes Geruͤcht gegruͤndet, ſey dennoch gar nichts von dieſen Verſchwoͤrern zu befuͤrchten. Siſſi erzaͤhlte mir auch noch den Inhalt der Rede, welche der edle Hofredner Muskulus im Dome gehalten. Er ſprach uͤber Mann und Maus, Menſchheit und Mausheit, Menſch¬ lichkeit und Maͤuslichkeit, Menſchenmoͤglichkeit und Maͤuſe¬ moͤglichkeit. Er erwaͤhnte den Verſtand der Maͤuſe, welche ſtaͤts von jeder Speiſe das beſte Theil erwaͤhlen; ihre Gro߬ muth, weil ſie trotz ihrer Bloͤdigkeit vor allen Thieren ein ſehr großes Herz haben; ihre Dankbarkeit, wie ſie den Loͤ¬ wen aus dem Netze befreit; ihren Heldenmuth weil ſich der Elephant fuͤrchtet, ſie moͤchten ihm in den Ruͤſſel ſchluͤ¬ pfen; ihren prophetiſchen Geiſt, weil ſie ein Haus verlaſ¬ ſen, ehe es zuſammenſtuͤrzt. Er ſprach von der Ehrfurcht der Katzen gegen ihre Eltern, welche, wenn ſie alt ſind, von den Jungen gefuͤttert werden. Er erwaͤhnte die große Naͤch¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/212>, abgerufen am 24.11.2024.