auch ausgebreitet und mit wir darauf knieend mich beten gelehrt. Sie pflegte dann zu sagen: "o herzliebe Amen, du stickest mir so viele Tapeten und nähest allerlei Bildwerk zu meiner Freude, hilf mir diese Decke mit Gebet zu ver¬ zieren; wir wollen sie schmücken mit Blumen der Andacht, daß sie blühet wie ein Blumenbeet, und darin will ich ruhen im Tode, und auch du sollst auf dieser Decke sterben. O hüte die Decke, lasse sie nicht entkommen!" -- Alles das fiel mir peinigend ein und ich suchte von neuem vergebens. -- Als ich nun endlich meine Kammerfrauen nach der Decke fragte, sagten sie, allerdings sey die Decke mit auf die Bleiche ge¬ kommen, um durch den Johannisthau vor Mottenfraß ge¬ schützt zu werden, sie hätten sie aber bei dem Rückzug in die Stadt nicht mehr gesehen und seyen der Meinung gewesen, daß sie in mein Schlafzelt gebracht worden. -- Ich schwieg, um sie durch den Verlust nicht zu schrecken. Ich suchte ein¬ sam nochmals in allen Winkeln des Schloßes und wurde von Minute zu Minute trauriger und sehnsüchtiger nach der Decke. -- Ich suchte sogar, wo sie kaum Raum hatte zu ru¬ hen. -- Ich öffnete eine kleine Lade meiner Mutter, welche ich seit meiner Kindheit nicht geöffnet, denn sie beschämte mich, und auch jetzt befiel mich eine große Angst und geschah mir etwas sehr seltsames. -- Ich will hier niederschreiben, was mir als Kind mit dieser Lade geschah. -- Meine Mut¬ ter bewahrte mancherlei Putz darin, unter anderm lag ihr Brautkränzchen von feinen, feinen amaranthfarbenen Seiden¬ röschen und Perlen geflochten, und ein Besatz des Braut¬ kleides darin, der für mich etwas ganz hinreißendes hatte; um Bauschen von weißem, feinstem Spitzengewebe schlangen sich abwechselnde Gewinde von unaussprechlich feinen, zierli¬ chen kleinen Blümchen, aus bunter Seide um Silberdrath ge¬ wickelt; hie und da blitzte ein Sternchen, oder saß ein kleines Vögelchen bei einem Nestchen, worin drei Perlen die Eier vorstellten. Seit ich Das zum ersten Male gesehen, konnte ich
auch ausgebreitet und mit wir darauf knieend mich beten gelehrt. Sie pflegte dann zu ſagen: „o herzliebe Amen, du ſtickeſt mir ſo viele Tapeten und naͤheſt allerlei Bildwerk zu meiner Freude, hilf mir dieſe Decke mit Gebet zu ver¬ zieren; wir wollen ſie ſchmuͤcken mit Blumen der Andacht, daß ſie bluͤhet wie ein Blumenbeet, und darin will ich ruhen im Tode, und auch du ſollſt auf dieſer Decke ſterben. O huͤte die Decke, laſſe ſie nicht entkommen!“ — Alles das fiel mir peinigend ein und ich ſuchte von neuem vergebens. — Als ich nun endlich meine Kammerfrauen nach der Decke fragte, ſagten ſie, allerdings ſey die Decke mit auf die Bleiche ge¬ kommen, um durch den Johannisthau vor Mottenfraß ge¬ ſchuͤtzt zu werden, ſie haͤtten ſie aber bei dem Ruͤckzug in die Stadt nicht mehr geſehen und ſeyen der Meinung geweſen, daß ſie in mein Schlafzelt gebracht worden. — Ich ſchwieg, um ſie durch den Verluſt nicht zu ſchrecken. Ich ſuchte ein¬ ſam nochmals in allen Winkeln des Schloßes und wurde von Minute zu Minute trauriger und ſehnſuͤchtiger nach der Decke. — Ich ſuchte ſogar, wo ſie kaum Raum hatte zu ru¬ hen. — Ich oͤffnete eine kleine Lade meiner Mutter, welche ich ſeit meiner Kindheit nicht geoͤffnet, denn ſie beſchaͤmte mich, und auch jetzt befiel mich eine große Angſt und geſchah mir etwas ſehr ſeltſames. — Ich will hier niederſchreiben, was mir als Kind mit dieſer Lade geſchah. — Meine Mut¬ ter bewahrte mancherlei Putz darin, unter anderm lag ihr Brautkraͤnzchen von feinen, feinen amaranthfarbenen Seiden¬ roͤschen und Perlen geflochten, und ein Beſatz des Braut¬ kleides darin, der fuͤr mich etwas ganz hinreißendes hatte; um Bauſchen von weißem, feinſtem Spitzengewebe ſchlangen ſich abwechſelnde Gewinde von unausſprechlich feinen, zierli¬ chen kleinen Bluͤmchen, aus bunter Seide um Silberdrath ge¬ wickelt; hie und da blitzte ein Sternchen, oder ſaß ein kleines Voͤgelchen bei einem Neſtchen, worin drei Perlen die Eier vorſtellten. Seit ich Das zum erſten Male geſehen, konnte ich
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auch ausgebreitet und mit wir darauf knieend mich beten
gelehrt. Sie pflegte dann zu ſagen: „o herzliebe Amen,
du ſtickeſt mir ſo viele Tapeten und naͤheſt allerlei Bildwerk
zu meiner Freude, hilf mir dieſe Decke mit Gebet zu ver¬
zieren; wir wollen ſie ſchmuͤcken mit Blumen der Andacht,
daß ſie bluͤhet wie ein Blumenbeet, und darin will ich ruhen
im Tode, und auch du ſollſt auf dieſer Decke ſterben. O huͤte
die Decke, laſſe ſie nicht entkommen!“ — Alles das fiel mir
peinigend ein und ich ſuchte von neuem vergebens. — Als
ich nun endlich meine Kammerfrauen nach der Decke fragte,
ſagten ſie, allerdings ſey die Decke mit auf die Bleiche ge¬
kommen, um durch den Johannisthau vor Mottenfraß ge¬
ſchuͤtzt zu werden, ſie haͤtten ſie aber bei dem Ruͤckzug in die
Stadt nicht mehr geſehen und ſeyen der Meinung geweſen,
daß ſie in mein Schlafzelt gebracht worden. — Ich ſchwieg,
um ſie durch den Verluſt nicht zu ſchrecken. Ich ſuchte ein¬
ſam nochmals in allen Winkeln des Schloßes und wurde
von Minute zu Minute trauriger und ſehnſuͤchtiger nach der
Decke. — Ich ſuchte ſogar, wo ſie kaum Raum hatte zu ru¬
hen. — Ich oͤffnete eine kleine Lade meiner Mutter, welche
ich ſeit meiner Kindheit nicht geoͤffnet, denn ſie beſchaͤmte
mich, und auch jetzt befiel mich eine große Angſt und geſchah
mir etwas ſehr ſeltſames. — Ich will hier niederſchreiben,
was mir als Kind mit dieſer Lade geſchah. — Meine Mut¬
ter bewahrte mancherlei Putz darin, unter anderm lag ihr
Brautkraͤnzchen von feinen, feinen amaranthfarbenen Seiden¬
roͤschen und Perlen geflochten, und ein Beſatz des Braut¬
kleides darin, der fuͤr mich etwas ganz hinreißendes hatte;
um Bauſchen von weißem, feinſtem Spitzengewebe ſchlangen
ſich abwechſelnde Gewinde von unausſprechlich feinen, zierli¬
chen kleinen Bluͤmchen, aus bunter Seide um Silberdrath ge¬
wickelt; hie und da blitzte ein Sternchen, oder ſaß ein kleines
Voͤgelchen bei einem Neſtchen, worin drei Perlen die Eier
vorſtellten. Seit ich Das zum erſten Male geſehen, konnte ich
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/373>, abgerufen am 21.11.2024.
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