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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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Wann der jüngste Tag wird werden,
Dann fallen die Sternelein auf die Erden.
Ihr Todten, ihr Todten sollt auferstehn,
Ihr sollt vor das jüngste Gerichte gehn,
Ihr sollt treten auf die Spitzen,
Da die lieben Engelein sitzen;
Da kam der liebe Gott gezogen
Mit einem schönen Regenbogen,
Da kamen die falschen Juden gegangen,
Die führten einst unsern Herrn Christum gefangen,
Die hohen Bäum' erleuchten sehr,
Die harten Stein zerknirschten sehr.
Wer dies Gebetlein beten kann,
Der bet's des Tages nur einmal,
Die Seele wird vor Gott bestehn,
Wann wir werden zum Himmel eingehn.
Amen.

Als die Runde uns näher kam, wurde die gute
Alte gerührt; ach, sagte sie, es ist heute der sechszehnte
Mai, es ist doch alles einerlei, gerade wie damals, nur
haben sie andere Mützen auf, und keine Zöpfe mehr.
Thut nichts, wenn's Herz nur gut ist! Der Offizier der
Runde blieb bei uns stehen und wollte eben fragen, was
wir hier so spät zu schaffen hätten, als ich den Fähnrich
Graf Grossinger, einen Bekannten in ihm erkannte.

Wann der jüngſte Tag wird werden,
Dann fallen die Sternelein auf die Erden.
Ihr Todten, ihr Todten ſollt auferſtehn,
Ihr ſollt vor das jüngſte Gerichte gehn,
Ihr ſollt treten auf die Spitzen,
Da die lieben Engelein ſitzen;
Da kam der liebe Gott gezogen
Mit einem ſchönen Regenbogen,
Da kamen die falſchen Juden gegangen,
Die führten einſt unſern Herrn Chriſtum gefangen,
Die hohen Bäum' erleuchten ſehr,
Die harten Stein zerknirſchten ſehr.
Wer dies Gebetlein beten kann,
Der bet's des Tages nur einmal,
Die Seele wird vor Gott beſtehn,
Wann wir werden zum Himmel eingehn.
Amen.

Als die Runde uns näher kam, wurde die gute
Alte gerührt; ach, ſagte ſie, es iſt heute der ſechszehnte
Mai, es iſt doch alles einerlei, gerade wie damals, nur
haben ſie andere Mützen auf, und keine Zöpfe mehr.
Thut nichts, wenn's Herz nur gut iſt! Der Offizier der
Runde blieb bei uns ſtehen und wollte eben fragen, was
wir hier ſo ſpät zu ſchaffen hätten, als ich den Fähnrich
Graf Groſſinger, einen Bekannten in ihm erkannte.

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[12/0022] Wann der jüngſte Tag wird werden, Dann fallen die Sternelein auf die Erden. Ihr Todten, ihr Todten ſollt auferſtehn, Ihr ſollt vor das jüngſte Gerichte gehn, Ihr ſollt treten auf die Spitzen, Da die lieben Engelein ſitzen; Da kam der liebe Gott gezogen Mit einem ſchönen Regenbogen, Da kamen die falſchen Juden gegangen, Die führten einſt unſern Herrn Chriſtum gefangen, Die hohen Bäum' erleuchten ſehr, Die harten Stein zerknirſchten ſehr. Wer dies Gebetlein beten kann, Der bet's des Tages nur einmal, Die Seele wird vor Gott beſtehn, Wann wir werden zum Himmel eingehn. Amen. Als die Runde uns näher kam, wurde die gute Alte gerührt; ach, ſagte ſie, es iſt heute der ſechszehnte Mai, es iſt doch alles einerlei, gerade wie damals, nur haben ſie andere Mützen auf, und keine Zöpfe mehr. Thut nichts, wenn's Herz nur gut iſt! Der Offizier der Runde blieb bei uns ſtehen und wollte eben fragen, was wir hier ſo ſpät zu ſchaffen hätten, als ich den Fähnrich Graf Groſſinger, einen Bekannten in ihm erkannte.

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/22>, abgerufen am 21.11.2024.