Jndem sie von dem Volck die Schwachheit angesehen, Und nach derselben sich gerichtet: So haben sie zum Schmuck der Weisheit viel erdichtet, Damit derselben Glanz und ew'ge Schönheit, allen Noch möcht' um destomehr gefallen.
Der Stoff, so sprachen sie, ist alle Ding' allein, Der Cörper Cörper, ja ein Grund, der allgemein. Jhm können mitgetheilet seyn Unzählige Verwandelungen. Allein, was man ihn auch für Aenderungen Empfinden läst, durch tausend Sachen; Tangt ihn doch Nichts, zu Nichts zu machen. Man theile nur den Stoff, man drücke, Man geb' auf tausend Art ihm ein Geschicke; Er bleibt in seiner Unbeständigkeit, Ohn etwas von sich zu verlieren, Jn stetiger Vollkommenheit: Jndem ein Wesen stets entsteht, Aus einem Wesen, das vergeht. Dies ist Saturn, der Gott, der seine Kinder frisst, So bald sie nur das Licht verspüret, Und der doch immer fruchtbar ist, Und sie stets wiederum gebieret, Um sie aufs neue zu verzehren. Er wird nicht müd' im Zeugen, im Zerstöhren; Er hört nicht auf zu würgen, zu gebähren.
Der
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Betrachtungen der Materie ꝛc.
Jndem ſie von dem Volck die Schwachheit angeſehen, Und nach derſelben ſich gerichtet: So haben ſie zum Schmuck der Weisheit viel erdichtet, Damit derſelben Glanz und ew’ge Schoͤnheit, allen Noch moͤcht’ um deſtomehr gefallen.
Der Stoff, ſo ſprachen ſie, iſt alle Ding’ allein, Der Coͤrper Coͤrper, ja ein Grund, der allgemein. Jhm koͤnnen mitgetheilet ſeyn Unzaͤhlige Verwandelungen. Allein, was man ihn auch fuͤr Aenderungen Empfinden laͤſt, durch tauſend Sachen; Tangt ihn doch Nichts, zu Nichts zu machen. Man theile nur den Stoff, man druͤcke, Man geb’ auf tauſend Art ihm ein Geſchicke; Er bleibt in ſeiner Unbeſtaͤndigkeit, Ohn etwas von ſich zu verlieren, Jn ſtetiger Vollkommenheit: Jndem ein Weſen ſtets entſteht, Aus einem Weſen, das vergeht. Dies iſt Saturn, der Gott, der ſeine Kinder friſſt, So bald ſie nur das Licht verſpuͤret, Und der doch immer fruchtbar iſt, Und ſie ſtets wiederum gebieret, Um ſie aufs neue zu verzehren. Er wird nicht muͤd’ im Zeugen, im Zerſtoͤhren; Er hoͤrt nicht auf zu wuͤrgen, zu gebaͤhren.
Der
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Betrachtungen der Materie ꝛc.
Jndem ſie von dem Volck die Schwachheit angeſehen,
Und nach derſelben ſich gerichtet:
So haben ſie zum Schmuck der Weisheit viel erdichtet,
Damit derſelben Glanz und ew’ge Schoͤnheit, allen
Noch moͤcht’ um deſtomehr gefallen.
Der Stoff, ſo ſprachen ſie, iſt alle Ding’ allein,
Der Coͤrper Coͤrper, ja ein Grund, der allgemein.
Jhm koͤnnen mitgetheilet ſeyn
Unzaͤhlige Verwandelungen.
Allein, was man ihn auch fuͤr Aenderungen
Empfinden laͤſt, durch tauſend Sachen;
Tangt ihn doch Nichts, zu Nichts zu machen.
Man theile nur den Stoff, man druͤcke,
Man geb’ auf tauſend Art ihm ein Geſchicke;
Er bleibt in ſeiner Unbeſtaͤndigkeit,
Ohn etwas von ſich zu verlieren,
Jn ſtetiger Vollkommenheit:
Jndem ein Weſen ſtets entſteht,
Aus einem Weſen, das vergeht.
Dies iſt Saturn, der Gott, der ſeine Kinder friſſt,
So bald ſie nur das Licht verſpuͤret,
Und der doch immer fruchtbar iſt,
Und ſie ſtets wiederum gebieret,
Um ſie aufs neue zu verzehren.
Er wird nicht muͤd’ im Zeugen, im Zerſtoͤhren;
Er hoͤrt nicht auf zu wuͤrgen, zu gebaͤhren.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/103>, abgerufen am 04.12.2024.
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