Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Betrachtungen über die Jdeen. Denn die Jdeen sind in unsrer Seele, Und zwar in selbiger viel eher noch formirt, Bevor ein Strich, ein Druck, vom Cörper sie berührt. Es sind gantz unterschiedne Sachen. Wenn Gegenwürff' uns einen Eindruck machen; Empfängt man ihrer Bilder Heer, Auf eine Tafel, welche leer: Hierdurch ist aber uns noch vom Verstand Nicht die geringste Spur bekannt. Wodurch erkennet man in der Empfindlichkeit So unterschiedner Ding so grossen Unterscheid? Wenn unser Werckzeug blos gerührt ist durchs Bewegen; So spüret man, wie sich zum Schluß und Uberlegen Verschiedene Jdeen in uns regen: Wovon die ersten blos in unserm Geist gebohren: Die, für vernünfftige Geschöpffe nur erkohren, Sich immer an und bey einander finden, Jedoch sich nie mit unsern Sinnen binden. Lasst uns die zarte Kindheit sehen, Wir treffen sie nicht ohn Erkenntniß an, Es scheint ja ihr ein Licht noch eher zu entstehen, Als die Erfahrung ihr und Lehr was zeigen kan. Ein Kind, wenn es ein Vorwurff rühret, Erwehlt, und folget seinem Willen, Es lässt, als wenn in ihm man ein Erinnern spüret, Man siehts sich Staffelweis entwickeln und enthüllen. Es leitet uns besonders der Verstand Zur GOTTHEJT, die sie uns als ewig weis't, Sie
Betrachtungen uͤber die Jdeen. Denn die Jdeen ſind in unſrer Seele, Und zwar in ſelbiger viel eher noch formirt, Bevor ein Strich, ein Druck, vom Coͤrper ſie beruͤhrt. Es ſind gantz unterſchiedne Sachen. Wenn Gegenwuͤrff’ uns einen Eindruck machen; Empfaͤngt man ihrer Bilder Heer, Auf eine Tafel, welche leer: Hierdurch iſt aber uns noch vom Verſtand Nicht die geringſte Spur bekannt. Wodurch erkennet man in der Empfindlichkeit So unterſchiedner Ding ſo groſſen Unterſcheid? Wenn unſer Werckzeug blos geruͤhrt iſt durchs Bewegen; So ſpuͤret man, wie ſich zum Schluß und Uberlegen Verſchiedene Jdeen in uns regen: Wovon die erſten blos in unſerm Geiſt gebohren: Die, fuͤr vernuͤnfftige Geſchoͤpffe nur erkohren, Sich immer an und bey einander finden, Jedoch ſich nie mit unſern Sinnen binden. Laſſt uns die zarte Kindheit ſehen, Wir treffen ſie nicht ohn Erkenntniß an, Es ſcheint ja ihr ein Licht noch eher zu entſtehen, Als die Erfahrung ihr und Lehr was zeigen kan. Ein Kind, wenn es ein Vorwurff ruͤhret, Erwehlt, und folget ſeinem Willen, Es laͤſſt, als wenn in ihm man ein Erinnern ſpuͤret, Man ſiehts ſich Staffelweis entwickeln und enthuͤllen. Es leitet uns beſonders der Verſtand Zur GOTTHEJT, die ſie uns als ewig weiſ’t, Sie
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Betrachtungen uͤber die Jdeen.
Denn die Jdeen ſind in unſrer Seele,
Und zwar in ſelbiger viel eher noch formirt,
Bevor ein Strich, ein Druck, vom Coͤrper ſie beruͤhrt.
Es ſind gantz unterſchiedne Sachen.
Wenn Gegenwuͤrff’ uns einen Eindruck machen;
Empfaͤngt man ihrer Bilder Heer,
Auf eine Tafel, welche leer:
Hierdurch iſt aber uns noch vom Verſtand
Nicht die geringſte Spur bekannt.
Wodurch erkennet man in der Empfindlichkeit
So unterſchiedner Ding ſo groſſen Unterſcheid?
Wenn unſer Werckzeug blos geruͤhrt iſt durchs Bewegen;
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Verſchiedene Jdeen in uns regen:
Wovon die erſten blos in unſerm Geiſt gebohren:
Die, fuͤr vernuͤnfftige Geſchoͤpffe nur erkohren,
Sich immer an und bey einander finden,
Jedoch ſich nie mit unſern Sinnen binden.
Laſſt uns die zarte Kindheit ſehen,
Wir treffen ſie nicht ohn Erkenntniß an,
Es ſcheint ja ihr ein Licht noch eher zu entſtehen,
Als die Erfahrung ihr und Lehr was zeigen kan.
Ein Kind, wenn es ein Vorwurff ruͤhret,
Erwehlt, und folget ſeinem Willen,
Es laͤſſt, als wenn in ihm man ein Erinnern ſpuͤret,
Man ſiehts ſich Staffelweis entwickeln und enthuͤllen.
Es leitet uns beſonders der Verſtand
Zur GOTTHEJT, die ſie uns als ewig weiſ’t,
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