Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Betrachtung über die Jdeen. Sie fügt sich von sich selbst zu dem vollkommnen Geist, Der alles, was bekannt und unbekannt, Erschaffen und hervorgebracht. Wo trifft man Völcker an, die einer GOTTHEJT Macht, Ob sie des Jrrthums Dunst und Nebel gleich bethören, Nicht fühlen und nicht ehren? Jn ihrem Gottesdienst, er mag so närrisch seyn, So voll von wunderlich-und lächerlichen Dingen; So schlagen sie dennoch den Weg zur Gottheit ein, Und suchen Ehr und Furcht zum Opffer Jhr zu bringen. Ein schwaches Schimmer-Licht in dieser duncklen Nacht, Hat tausend Götter gar aus einem GOTT gemacht. Jndem sie Seine Gröss' in unterschiednen Bildern, Jn ihrer Phantasey sich schildern; Erdichten sie, ans jeder Eigenschafft, Sich einen eignen Gott von einer eignen Krafft. Die Seelen, welche sich weit übern Cörper heben, Die können ihrem Recht und Vorzug nichts vergeben. Vernunfft ist doch Vernunfft, es mag dieselbe seyn Gezogen, oder wild: dies Gut ist nur gemein Der Menschheit. Würcklich sind zu allen Zeiten, Es mögen auch Die Sitten, der Gebrauch Noch so verschiedlich seyn, und mit einander streiten; Die Menschen überführt von einem Wahrheits-Glantz: Ob keiner desfalls gleich den andern je um Rath Gefragt, und sich mit ihm verstanden hat. Denn daß ein Theil so groß nicht, als sein Gantz; Jst eine Wahrheit, die man von sich selber spüret. Es braucht es der aus China nicht, Daß er davon den Lappen überführet. Es L l
Betrachtung uͤber die Jdeen. Sie fuͤgt ſich von ſich ſelbſt zu dem vollkommnen Geiſt, Der alles, was bekannt und unbekannt, Erſchaffen und hervorgebracht. Wo trifft man Voͤlcker an, die einer GOTTHEJT Macht, Ob ſie des Jrrthums Dunſt und Nebel gleich bethoͤren, Nicht fuͤhlen und nicht ehren? Jn ihrem Gottesdienſt, er mag ſo naͤrriſch ſeyn, So voll von wunderlich-und laͤcherlichen Dingen; So ſchlagen ſie dennoch den Weg zur Gottheit ein, Und ſuchen Ehr und Furcht zum Opffer Jhr zu bringen. Ein ſchwaches Schimmer-Licht in dieſer duncklen Nacht, Hat tauſend Goͤtter gar aus einem GOTT gemacht. Jndem ſie Seine Groͤſſ’ in unterſchiednen Bildern, Jn ihrer Phantaſey ſich ſchildern; Erdichten ſie, ans jeder Eigenſchafft, Sich einen eignen Gott von einer eignen Krafft. Die Seelen, welche ſich weit uͤbern Coͤrper heben, Die koͤnnen ihrem Recht und Vorzug nichts vergeben. Vernunfft iſt doch Vernunfft, es mag dieſelbe ſeyn Gezogen, oder wild: dies Gut iſt nur gemein Der Menſchheit. Wuͤrcklich ſind zu allen Zeiten, Es moͤgen auch Die Sitten, der Gebrauch Noch ſo verſchiedlich ſeyn, und mit einander ſtreiten; Die Menſchen uͤberfuͤhrt von einem Wahrheits-Glantz: Ob keiner desfalls gleich den andern je um Rath Gefragt, und ſich mit ihm verſtanden hat. Denn daß ein Theil ſo groß nicht, als ſein Gantz; Jſt eine Wahrheit, die man von ſich ſelber ſpuͤret. Es braucht es der aus China nicht, Daß er davon den Lappen uͤberfuͤhret. Es L l
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0559" n="529"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtung uͤber die Jdeen.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Sie fuͤgt ſich von ſich ſelbſt zu dem vollkommnen Geiſt,</l><lb/> <l>Der alles, was bekannt und unbekannt,</l><lb/> <l>Erſchaffen und hervorgebracht.</l><lb/> <l>Wo trifft man Voͤlcker an, die einer GOTTHEJT Macht,</l><lb/> <l>Ob ſie des Jrrthums Dunſt und Nebel gleich bethoͤren,</l><lb/> <l>Nicht fuͤhlen und nicht ehren?</l><lb/> <l>Jn ihrem Gottesdienſt, er mag ſo naͤrriſch ſeyn,</l><lb/> <l>So voll von wunderlich-und laͤcherlichen Dingen;</l><lb/> <l>So ſchlagen ſie dennoch den Weg zur Gottheit ein,</l><lb/> <l>Und ſuchen Ehr und Furcht zum Opffer Jhr zu bringen.</l><lb/> <l>Ein ſchwaches Schimmer-Licht in dieſer duncklen Nacht,</l><lb/> <l>Hat tauſend Goͤtter gar aus einem GOTT gemacht.</l><lb/> <l>Jndem ſie Seine Groͤſſ’ in unterſchiednen Bildern,</l><lb/> <l>Jn ihrer Phantaſey ſich ſchildern;</l><lb/> <l>Erdichten ſie, ans jeder Eigenſchafft,</l><lb/> <l>Sich einen eignen Gott von einer eignen Krafft.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Seelen, welche ſich weit uͤbern Coͤrper heben,</l><lb/> <l>Die koͤnnen ihrem Recht und Vorzug nichts vergeben.</l><lb/> <l>Vernunfft iſt doch Vernunfft, es mag dieſelbe ſeyn</l><lb/> <l>Gezogen, oder wild: dies Gut iſt nur gemein</l><lb/> <l>Der Menſchheit. Wuͤrcklich ſind zu allen Zeiten,</l><lb/> <l>Es moͤgen auch</l><lb/> <l>Die Sitten, der Gebrauch</l><lb/> <l>Noch ſo verſchiedlich ſeyn, und mit einander ſtreiten;</l><lb/> <l>Die Menſchen uͤberfuͤhrt von einem Wahrheits-Glantz:</l><lb/> <l>Ob keiner desfalls gleich den andern je um Rath</l><lb/> <l>Gefragt, und ſich mit ihm verſtanden hat.</l><lb/> <l>Denn daß ein Theil ſo groß nicht, als ſein Gantz;</l><lb/> <l>Jſt eine Wahrheit, die man von ſich ſelber ſpuͤret.</l><lb/> <l>Es braucht es der aus China nicht,</l><lb/> <l>Daß er davon den Lappen uͤberfuͤhret.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L l</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [529/0559]
Betrachtung uͤber die Jdeen.
Sie fuͤgt ſich von ſich ſelbſt zu dem vollkommnen Geiſt,
Der alles, was bekannt und unbekannt,
Erſchaffen und hervorgebracht.
Wo trifft man Voͤlcker an, die einer GOTTHEJT Macht,
Ob ſie des Jrrthums Dunſt und Nebel gleich bethoͤren,
Nicht fuͤhlen und nicht ehren?
Jn ihrem Gottesdienſt, er mag ſo naͤrriſch ſeyn,
So voll von wunderlich-und laͤcherlichen Dingen;
So ſchlagen ſie dennoch den Weg zur Gottheit ein,
Und ſuchen Ehr und Furcht zum Opffer Jhr zu bringen.
Ein ſchwaches Schimmer-Licht in dieſer duncklen Nacht,
Hat tauſend Goͤtter gar aus einem GOTT gemacht.
Jndem ſie Seine Groͤſſ’ in unterſchiednen Bildern,
Jn ihrer Phantaſey ſich ſchildern;
Erdichten ſie, ans jeder Eigenſchafft,
Sich einen eignen Gott von einer eignen Krafft.
Die Seelen, welche ſich weit uͤbern Coͤrper heben,
Die koͤnnen ihrem Recht und Vorzug nichts vergeben.
Vernunfft iſt doch Vernunfft, es mag dieſelbe ſeyn
Gezogen, oder wild: dies Gut iſt nur gemein
Der Menſchheit. Wuͤrcklich ſind zu allen Zeiten,
Es moͤgen auch
Die Sitten, der Gebrauch
Noch ſo verſchiedlich ſeyn, und mit einander ſtreiten;
Die Menſchen uͤberfuͤhrt von einem Wahrheits-Glantz:
Ob keiner desfalls gleich den andern je um Rath
Gefragt, und ſich mit ihm verſtanden hat.
Denn daß ein Theil ſo groß nicht, als ſein Gantz;
Jſt eine Wahrheit, die man von ſich ſelber ſpuͤret.
Es braucht es der aus China nicht,
Daß er davon den Lappen uͤberfuͤhret.
Es
L l
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |