Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Betrachtung über die Jdeen. Es mache jemand diesen Schluß, Daß man drey Winckel und drey Seiten, Um einen Dreyeck zu bereiten, Nothwendig nehmen muß; So konnte man ihn schon im Dencken finden: Ja, um die Eigenschafft desselben zu ergründen, Braucht es der Würcklichkeit des Drey-Ecks nicht. Jm Geist allein sind die Jdeen, Die alle bloß in ihm bestehen. Figuren haben stets von hundert tausend Seiten, Merckt es der Blick gleich nicht, doch ihre Würcklichkeiten. Gantz allgemein und klar ist jede Wahrheit, Die so nothwendig, Als auch beständig: Und ihre ew'ge Klarheit, Die unserm Geist allein Nur eigen, kan durchaus nicht so willkührlich seyn. Ob unser Sinn nun gleich sie in uns rege macht; So sind sie doch von uns mit auf die Welt gebracht. Was denckt man, wenn man fragt, wie doch auf eine Seele Ein Cörper würcken kan? Durch welche Art von Druck kan man Vereinen, und sich überführen, Daß einen Geist ein Cörper könne rühren? Es liegt, wenn wir die Wahrheit sagen wollen, Jm Dencken bloß allein, Und in Vernehmungen, die nie erzeuget seyn Von eines Cörpers Stoff, und welche billig sollen Vom Vorwurff unterschieden werden, Mit dem die Seelen sie verbinden. Damit L l 2
Betrachtung uͤber die Jdeen. Es mache jemand dieſen Schluß, Daß man drey Winckel und drey Seiten, Um einen Dreyeck zu bereiten, Nothwendig nehmen muß; So konnte man ihn ſchon im Dencken finden: Ja, um die Eigenſchafft deſſelben zu ergruͤnden, Braucht es der Wuͤrcklichkeit des Drey-Ecks nicht. Jm Geiſt allein ſind die Jdeen, Die alle bloß in ihm beſtehen. Figuren haben ſtets von hundert tauſend Seiten, Merckt es der Blick gleich nicht, doch ihre Wuͤrcklichkeiten. Gantz allgemein und klar iſt jede Wahrheit, Die ſo nothwendig, Als auch beſtaͤndig: Und ihre ew’ge Klarheit, Die unſerm Geiſt allein Nur eigen, kan durchaus nicht ſo willkuͤhrlich ſeyn. Ob unſer Sinn nun gleich ſie in uns rege macht; So ſind ſie doch von uns mit auf die Welt gebracht. Was denckt man, wenn man fragt, wie doch auf eine Seele Ein Coͤrper wuͤrcken kan? Durch welche Art von Druck kan man Vereinen, und ſich uͤberfuͤhren, Daß einen Geiſt ein Coͤrper koͤnne ruͤhren? Es liegt, wenn wir die Wahrheit ſagen wollen, Jm Dencken bloß allein, Und in Vernehmungen, die nie erzeuget ſeyn Von eines Coͤrpers Stoff, und welche billig ſollen Vom Vorwurff unterſchieden werden, Mit dem die Seelen ſie verbinden. Damit L l 2
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Betrachtung uͤber die Jdeen.
Es mache jemand dieſen Schluß,
Daß man drey Winckel und drey Seiten,
Um einen Dreyeck zu bereiten,
Nothwendig nehmen muß;
So konnte man ihn ſchon im Dencken finden:
Ja, um die Eigenſchafft deſſelben zu ergruͤnden,
Braucht es der Wuͤrcklichkeit des Drey-Ecks nicht.
Jm Geiſt allein ſind die Jdeen,
Die alle bloß in ihm beſtehen.
Figuren haben ſtets von hundert tauſend Seiten,
Merckt es der Blick gleich nicht, doch ihre Wuͤrcklichkeiten.
Gantz allgemein und klar iſt jede Wahrheit,
Die ſo nothwendig,
Als auch beſtaͤndig:
Und ihre ew’ge Klarheit,
Die unſerm Geiſt allein
Nur eigen, kan durchaus nicht ſo willkuͤhrlich ſeyn.
Ob unſer Sinn nun gleich ſie in uns rege macht;
So ſind ſie doch von uns mit auf die Welt gebracht.
Was denckt man, wenn man fragt, wie doch auf eine Seele
Ein Coͤrper wuͤrcken kan?
Durch welche Art von Druck kan man
Vereinen, und ſich uͤberfuͤhren,
Daß einen Geiſt ein Coͤrper koͤnne ruͤhren?
Es liegt, wenn wir die Wahrheit ſagen wollen,
Jm Dencken bloß allein,
Und in Vernehmungen, die nie erzeuget ſeyn
Von eines Coͤrpers Stoff, und welche billig ſollen
Vom Vorwurff unterſchieden werden,
Mit dem die Seelen ſie verbinden.
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