Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Verein. u. Untersch. Seel. u. Cörpers.


Jndeß setzt Epieur die Seel' aus einem Dufft,
Auch, wie es ihm gefället, aus der Lufft,
Aus Wind und Flammen,
Aus einem Etwas, so ihm unbekannt, zusammen.
Ohn das man weiter geht und sinnt.
Jn einer Zuversicht, die ja so stoltz, als blind,
Verficht man ohne Scheu:
Daß blos Materie, und nichts als Cörper sey.
An den verwegnen Sätzen,
Jn des Lucretius hochtrabenden Gedichten,
Sucht man begierig sich zu nähren, zu ergötzen.
Man wirfft uns vor den Schlaf, die Trunckenheit.
Man spricht: Der Geist-Leib, der sich mit dem Cörper paart,
Sey nichts, als dünner nur, und von derselben Art,
Daß er mit ihm zugleich vergeh' und sich zerftöhre,
Daß ihn desselben Last beschwere,
Daß er in Kindern wachs', im Alter sich verliehre,
Daß durch des Cörpers Pein, er Pein und Unmuht spüre,
Daß einerley Getrieb, auch beyder Thun regiere,
Daß gleiche Fäll' ihr Amt verhindern und verderben,
Daß sie zu gleicher Zeit auch alle beyde sterben.


Allein,
Muß, was wir schon gesagt, hier wiederholet seyn?
Wenn man das herrliche Gebäu des Cörpers kennet,
Wie Nerv' und Mäuselein so zart gewebet sind,
Und wie so schnell der Geister Menge rennet,
Die
M m 5
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.


Jndeß ſetzt Epieur die Seel’ aus einem Dufft,
Auch, wie es ihm gefaͤllet, aus der Lufft,
Aus Wind und Flammen,
Aus einem Etwas, ſo ihm unbekannt, zuſammen.
Ohn das man weiter geht und ſinnt.
Jn einer Zuverſicht, die ja ſo ſtoltz, als blind,
Verficht man ohne Scheu:
Daß blos Materie, und nichts als Coͤrper ſey.
An den verwegnen Saͤtzen,
Jn des Lucretius hochtrabenden Gedichten,
Sucht man begierig ſich zu naͤhren, zu ergoͤtzen.
Man wirfft uns vor den Schlaf, die Trunckenheit.
Man ſpricht: Der Geiſt-Leib, der ſich mit dem Coͤrper paart,
Sey nichts, als duͤnner nur, und von derſelben Art,
Daß er mit ihm zugleich vergeh’ und ſich zerftoͤhre,
Daß ihn deſſelben Laſt beſchwere,
Daß er in Kindern wachſ’, im Alter ſich verliehre,
Daß durch des Coͤrpers Pein, er Pein und Unmuht ſpuͤre,
Daß einerley Getrieb, auch beyder Thun regiere,
Daß gleiche Faͤll’ ihr Amt verhindern und verderben,
Daß ſie zu gleicher Zeit auch alle beyde ſterben.


Allein,
Muß, was wir ſchon geſagt, hier wiederholet ſeyn?
Wenn man das herrliche Gebaͤu des Coͤrpers kennet,
Wie Nerv’ und Maͤuſelein ſo zart gewebet ſind,
Und wie ſo ſchnell der Geiſter Menge rennet,
Die
M m 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0583" n="553"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von Verein. u. Unter&#x017F;ch. Seel. u. Co&#x0364;rpers.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>ndeß &#x017F;etzt Epieur die Seel&#x2019; aus einem Dufft,</l><lb/>
                <l>Auch, wie es ihm gefa&#x0364;llet, aus der Lufft,</l><lb/>
                <l>Aus Wind und Flammen,</l><lb/>
                <l>Aus einem Etwas, &#x017F;o ihm unbekannt, zu&#x017F;ammen.</l><lb/>
                <l>Ohn das man weiter geht und &#x017F;innt.</l><lb/>
                <l>Jn einer Zuver&#x017F;icht, die ja &#x017F;o &#x017F;toltz, als blind,</l><lb/>
                <l>Verficht man ohne Scheu:</l><lb/>
                <l>Daß blos Materie, und nichts als Co&#x0364;rper &#x017F;ey.</l><lb/>
                <l>An den verwegnen Sa&#x0364;tzen,</l><lb/>
                <l>Jn des Lucretius hochtrabenden Gedichten,</l><lb/>
                <l>Sucht man begierig &#x017F;ich zu na&#x0364;hren, zu ergo&#x0364;tzen.</l><lb/>
                <l>Man wirfft uns vor den Schlaf, die Trunckenheit.</l><lb/>
                <l>Man &#x017F;pricht: Der Gei&#x017F;t-Leib, der &#x017F;ich mit dem Co&#x0364;rper paart,</l><lb/>
                <l>Sey nichts, als du&#x0364;nner nur, und von der&#x017F;elben Art,</l><lb/>
                <l>Daß er mit ihm zugleich vergeh&#x2019; und &#x017F;ich zerfto&#x0364;hre,</l><lb/>
                <l>Daß ihn de&#x017F;&#x017F;elben La&#x017F;t be&#x017F;chwere,</l><lb/>
                <l>Daß er in Kindern wach&#x017F;&#x2019;, im Alter &#x017F;ich verliehre,</l><lb/>
                <l>Daß durch des Co&#x0364;rpers Pein, er Pein und Unmuht &#x017F;pu&#x0364;re,</l><lb/>
                <l>Daß einerley Getrieb, auch beyder Thun regiere,</l><lb/>
                <l>Daß gleiche Fa&#x0364;ll&#x2019; ihr Amt verhindern und verderben,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie zu gleicher Zeit auch alle beyde &#x017F;terben.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>llein,</l><lb/>
                <l>Muß, was wir &#x017F;chon ge&#x017F;agt, hier wiederholet &#x017F;eyn?</l><lb/>
                <l>Wenn man das herrliche Geba&#x0364;u des Co&#x0364;rpers kennet,</l><lb/>
                <l>Wie Nerv&#x2019; und Ma&#x0364;u&#x017F;elein &#x017F;o zart gewebet &#x017F;ind,</l><lb/>
                <l>Und wie &#x017F;o &#x017F;chnell der Gei&#x017F;ter Menge rennet,</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">M m 5</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0583] Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers. Jndeß ſetzt Epieur die Seel’ aus einem Dufft, Auch, wie es ihm gefaͤllet, aus der Lufft, Aus Wind und Flammen, Aus einem Etwas, ſo ihm unbekannt, zuſammen. Ohn das man weiter geht und ſinnt. Jn einer Zuverſicht, die ja ſo ſtoltz, als blind, Verficht man ohne Scheu: Daß blos Materie, und nichts als Coͤrper ſey. An den verwegnen Saͤtzen, Jn des Lucretius hochtrabenden Gedichten, Sucht man begierig ſich zu naͤhren, zu ergoͤtzen. Man wirfft uns vor den Schlaf, die Trunckenheit. Man ſpricht: Der Geiſt-Leib, der ſich mit dem Coͤrper paart, Sey nichts, als duͤnner nur, und von derſelben Art, Daß er mit ihm zugleich vergeh’ und ſich zerftoͤhre, Daß ihn deſſelben Laſt beſchwere, Daß er in Kindern wachſ’, im Alter ſich verliehre, Daß durch des Coͤrpers Pein, er Pein und Unmuht ſpuͤre, Daß einerley Getrieb, auch beyder Thun regiere, Daß gleiche Faͤll’ ihr Amt verhindern und verderben, Daß ſie zu gleicher Zeit auch alle beyde ſterben. Allein, Muß, was wir ſchon geſagt, hier wiederholet ſeyn? Wenn man das herrliche Gebaͤu des Coͤrpers kennet, Wie Nerv’ und Maͤuſelein ſo zart gewebet ſind, Und wie ſo ſchnell der Geiſter Menge rennet, Die M m 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/583
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/583>, abgerufen am 22.11.2024.