Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Geist und Cörper.


Allein,
Man halte sich nicht auf nur bey dem blossen Seyn.
Weil unsre Seele wir- wir die seyn, so gedencken;
So lässt uns dieses ja ganz überzeuglich lesen:
So Seel' als Dencken sey auch unser wahres Wesen.


Noch eh' wir Cörper selbst betrachten und besehen,
So spürt der Mensch in sich ein innerliches Dencken,
Denn von den Sinnlichen, wie sie sich etwa lencken,
Empfinden wir in uns noch Spuren, noch Jdeen
Die älter sind, als das. Wenn man die Wissenschafft
Ohn uns recht anzusehn, mit diesem Satz verwirrte:
Der Sinne Würckungen und der Gedancken Krafft
Sey ein gelinder Wind, ein leichtes Feu'r; so irr'te
Man grob und freventlich. Dieß ist der erste Schluß,
Den die Vernunfft uns machen muß,
Will sie sich anders nicht vom Pfad der Warheit lencken:
Des Menschen Seel und Geist sind Wesen, die ge-
dencken.


Die Seele fängt also Jhr Seyn zu kennen an.
Hernach betrachtet sie, was äusserlich,
Und findet von den Gegenwürffen sich,
Durch deren Gegenwart, zu aller Zeit, bewoget,
Auch, daß, wenn die nicht da; sich die Bewegung leget.
Wodurch wir denn erkennen können
Die Dinge, die wir Cörper nennen.
Jst unsre Seele nun durch einen Druck gerührt,
Den unsrer Sinne Werckzeug spürt;
So schliesset Sie, indem sie überleget,
Die Würckung, die den Sinnen eingepräget,
Daß selbige nothwendig müss' entspringen
Vou fremden cörperlichen Dingen.
Diesel-
C 2
Vom Geiſt und Coͤrper.


Allein,
Man halte ſich nicht auf nur bey dem bloſſen Seyn.
Weil unſre Seele wir- wir die ſeyn, ſo gedencken;
So laͤſſt uns dieſes ja ganz uͤberzeuglich leſen:
So Seel’ als Dencken ſey auch unſer wahres Weſen.


Noch eh’ wir Coͤrper ſelbſt betrachten und beſehen,
So ſpuͤrt der Menſch in ſich ein innerliches Dencken,
Denn von den Sinnlichen, wie ſie ſich etwa lencken,
Empfinden wir in uns noch Spuren, noch Jdeen
Die aͤlter ſind, als das. Wenn man die Wiſſenſchafft
Ohn uns recht anzuſehn, mit dieſem Satz verwirrte:
Der Sinne Wuͤrckungen und der Gedancken Krafft
Sey ein gelinder Wind, ein leichtes Feu’r; ſo irr’te
Man grob und freventlich. Dieß iſt der erſte Schluß,
Den die Vernunfft uns machen muß,
Will ſie ſich anders nicht vom Pfad der Warheit lencken:
Des Menſchen Seel und Geiſt ſind Weſen, die ge-
dencken.


Die Seele faͤngt alſo Jhr Seyn zu kennen an.
Hernach betrachtet ſie, was aͤuſſerlich,
Und findet von den Gegenwuͤrffen ſich,
Durch deren Gegenwart, zu aller Zeit, bewoget,
Auch, daß, wenn die nicht da; ſich die Bewegung leget.
Wodurch wir denn erkennen koͤnnen
Die Dinge, die wir Coͤrper nennen.
Jſt unſre Seele nun durch einen Druck geruͤhrt,
Den unſrer Sinne Werckzeug ſpuͤrt;
So ſchlieſſet Sie, indem ſie uͤberleget,
Die Wuͤrckung, die den Sinnen eingepraͤget,
Daß ſelbige nothwendig muͤſſ’ entſpringen
Vou fremden coͤrperlichen Dingen.
Dieſel-
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0065" n="35"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Gei&#x017F;t und Co&#x0364;rper.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>llein,</l><lb/>
                <l>Man halte &#x017F;ich nicht auf nur bey dem blo&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">Seyn.</hi></l><lb/>
                <l>Weil un&#x017F;re Seele wir- wir die &#x017F;eyn, &#x017F;o gedencken;</l><lb/>
                <l>So la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t uns die&#x017F;es ja ganz u&#x0364;berzeuglich le&#x017F;en:</l><lb/>
                <l>So Seel&#x2019; als Dencken &#x017F;ey auch un&#x017F;er wahres We&#x017F;en.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">N</hi>och eh&#x2019; wir Co&#x0364;rper &#x017F;elb&#x017F;t betrachten und be&#x017F;ehen,</l><lb/>
                <l>So &#x017F;pu&#x0364;rt der Men&#x017F;ch in &#x017F;ich ein innerliches Dencken,</l><lb/>
                <l>Denn von den Sinnlichen, wie &#x017F;ie &#x017F;ich etwa lencken,</l><lb/>
                <l>Empfinden wir in uns noch Spuren, noch Jdeen</l><lb/>
                <l>Die a&#x0364;lter &#x017F;ind, als das. Wenn man die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft</l><lb/>
                <l>Ohn uns recht anzu&#x017F;ehn, mit die&#x017F;em Satz verwirrte:</l><lb/>
                <l>Der Sinne Wu&#x0364;rckungen und der Gedancken Krafft</l><lb/>
                <l>Sey ein gelinder Wind, ein leichtes Feu&#x2019;r; &#x017F;o irr&#x2019;te</l><lb/>
                <l>Man grob und freventlich. Dieß i&#x017F;t der er&#x017F;te Schluß,</l><lb/>
                <l>Den die Vernunfft uns machen muß,</l><lb/>
                <l>Will &#x017F;ie &#x017F;ich anders nicht vom Pfad der Warheit lencken:</l><lb/>
                <l>Des Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Seel</hi> und <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;t</hi> &#x017F;ind <hi rendition="#fr">We&#x017F;en, die ge-</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">dencken.</hi> </hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Seele fa&#x0364;ngt al&#x017F;o Jhr Seyn zu kennen an.</l><lb/>
                <l>Hernach betrachtet &#x017F;ie, was a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich,</l><lb/>
                <l>Und findet von den Gegenwu&#x0364;rffen &#x017F;ich,</l><lb/>
                <l>Durch deren Gegenwart, zu aller Zeit, bewoget,</l><lb/>
                <l>Auch, daß, wenn die nicht da; &#x017F;ich die Bewegung leget.</l><lb/>
                <l>Wodurch wir denn erkennen ko&#x0364;nnen</l><lb/>
                <l>Die Dinge, die wir Co&#x0364;rper nennen.</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t un&#x017F;re Seele nun durch einen Druck geru&#x0364;hrt,</l><lb/>
                <l>Den un&#x017F;rer Sinne Werckzeug &#x017F;pu&#x0364;rt;</l><lb/>
                <l>So &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et Sie, indem &#x017F;ie u&#x0364;berleget,</l><lb/>
                <l>Die Wu&#x0364;rckung, die den Sinnen eingepra&#x0364;get,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;elbige nothwendig mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;&#x2019; ent&#x017F;pringen</l><lb/>
                <l>Vou fremden co&#x0364;rperlichen Dingen.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die&#x017F;el-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0065] Vom Geiſt und Coͤrper. Allein, Man halte ſich nicht auf nur bey dem bloſſen Seyn. Weil unſre Seele wir- wir die ſeyn, ſo gedencken; So laͤſſt uns dieſes ja ganz uͤberzeuglich leſen: So Seel’ als Dencken ſey auch unſer wahres Weſen. Noch eh’ wir Coͤrper ſelbſt betrachten und beſehen, So ſpuͤrt der Menſch in ſich ein innerliches Dencken, Denn von den Sinnlichen, wie ſie ſich etwa lencken, Empfinden wir in uns noch Spuren, noch Jdeen Die aͤlter ſind, als das. Wenn man die Wiſſenſchafft Ohn uns recht anzuſehn, mit dieſem Satz verwirrte: Der Sinne Wuͤrckungen und der Gedancken Krafft Sey ein gelinder Wind, ein leichtes Feu’r; ſo irr’te Man grob und freventlich. Dieß iſt der erſte Schluß, Den die Vernunfft uns machen muß, Will ſie ſich anders nicht vom Pfad der Warheit lencken: Des Menſchen Seel und Geiſt ſind Weſen, die ge- dencken. Die Seele faͤngt alſo Jhr Seyn zu kennen an. Hernach betrachtet ſie, was aͤuſſerlich, Und findet von den Gegenwuͤrffen ſich, Durch deren Gegenwart, zu aller Zeit, bewoget, Auch, daß, wenn die nicht da; ſich die Bewegung leget. Wodurch wir denn erkennen koͤnnen Die Dinge, die wir Coͤrper nennen. Jſt unſre Seele nun durch einen Druck geruͤhrt, Den unſrer Sinne Werckzeug ſpuͤrt; So ſchlieſſet Sie, indem ſie uͤberleget, Die Wuͤrckung, die den Sinnen eingepraͤget, Daß ſelbige nothwendig muͤſſ’ entſpringen Vou fremden coͤrperlichen Dingen. Dieſel- C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/65
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/65>, abgerufen am 11.12.2024.