Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Ach so gedencke doch ein jeder, Der alle Nacht so süß, so sanffte ruht, Und singe Dem, der ihm die Gnade thut, Jn Ehrsurcht Danck-und Freuden-Lieder. Wie angenehm nun aber auch die Ruh; So ist jedoch ein neues Wunder-Werck, So wohl verdient, daß ich es hier bemerck, Daß, ob sie noch so süß; sie doch nicht immerzu, Und nur gewisse Zeit bey Thier und Menschen währet, Jndem uns allen ja ein übermäßigs Liegen Nicht Ruh, nicht Lust, Erquickung noch Vergnügen Erweckt und schafft, nein, uns vielmehr beschwert: So mein bewundernd Hertz denn zum Beweißthum nimmt, Daß wir zum Müßiggang und Faulheit nicht bestimmt; Hingegen, daß von einem weisen Wesen, Wir, ordentlich zu würcken auserlesen. Denn, wäre nicht ein Ziel der Ruh uns angeschaffen; So würd' ein grosses Theil der Menschen immer schlaffen. Was könnte wol auf dieser Erden, Wo mehrentheils die Lust vermenget mit Beschwerden, Wo nicht allein der Leib matt und geschwächet wird, Wo auch die Geister träg, unfähig, stumpff, verirrt, Bey steten Wachen sind; wol ansersonnen werden, Das, wie der sanffte Schlaf, auf einmahl Leib und Geist Verwunderlich erquickt, der Läßigkeit entreisst, Und beyd' aufs neu belebt. Was kann ein traurigs Hertz, Das Sorg und Gram beklemmt, wenn auch sein bittrer Schmertz Am unerträglichsten, und seine Noth am grösten, So, daß er fast erliegt, erfrischen, stärcken, trösten Als wie ein fester Schlaf? Verdruß, Furcht, Pein und Leid Vergehen, hören auf. Jn der Vergessenheit Tief
Ach ſo gedencke doch ein jeder, Der alle Nacht ſo ſuͤß, ſo ſanffte ruht, Und ſinge Dem, der ihm die Gnade thut, Jn Ehrſurcht Danck-und Freuden-Lieder. Wie angenehm nun aber auch die Ruh; So iſt jedoch ein neues Wunder-Werck, So wohl verdient, daß ich es hier bemerck, Daß, ob ſie noch ſo ſuͤß; ſie doch nicht immerzu, Und nur gewiſſe Zeit bey Thier und Menſchen waͤhret, Jndem uns allen ja ein uͤbermaͤßigs Liegen Nicht Ruh, nicht Luſt, Erquickung noch Vergnuͤgen Erweckt und ſchafft, nein, uns vielmehr beſchwert: So mein bewundernd Hertz denn zum Beweißthum nimmt, Daß wir zum Muͤßiggang und Faulheit nicht beſtimmt; Hingegen, daß von einem weiſen Weſen, Wir, ordentlich zu wuͤrcken auserleſen. Denn, waͤre nicht ein Ziel der Ruh uns angeſchaffen; So wuͤrd’ ein groſſes Theil der Menſchen immer ſchlaffen. Was koͤnnte wol auf dieſer Erden, Wo mehrentheils die Luſt vermenget mit Beſchwerden, Wo nicht allein der Leib matt und geſchwaͤchet wird, Wo auch die Geiſter traͤg, unfaͤhig, ſtumpff, verirrt, Bey ſteten Wachen ſind; wol anserſonnen werden, Das, wie der ſanffte Schlaf, auf einmahl Leib und Geiſt Verwunderlich erquickt, der Laͤßigkeit entreiſſt, Und beyd’ aufs neu belebt. Was kann ein traurigs Hertz, Das Sorg und Gram beklemmt, wenn auch ſein bittrer Schmertz Am unertraͤglichſten, und ſeine Noth am groͤſten, So, daß er faſt erliegt, erfriſchen, ſtaͤrcken, troͤſten Als wie ein feſter Schlaf? Verdruß, Furcht, Pein und Leid Vergehen, hoͤren auf. Jn der Vergeſſenheit Tief
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0704" n="674"/> <l>Ach ſo gedencke doch ein jeder,</l><lb/> <l>Der alle Nacht ſo ſuͤß, ſo ſanffte ruht,</l><lb/> <l>Und ſinge Dem, der ihm die Gnade thut,</l><lb/> <l>Jn Ehrſurcht Danck-und Freuden-Lieder.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie angenehm nun aber auch die Ruh;</l><lb/> <l>So iſt jedoch ein neues Wunder-Werck,</l><lb/> <l>So wohl verdient, daß ich es hier bemerck,</l><lb/> <l>Daß, ob ſie noch ſo ſuͤß; ſie doch nicht immerzu,</l><lb/> <l>Und nur gewiſſe Zeit bey Thier und Menſchen waͤhret,</l><lb/> <l>Jndem uns allen ja ein uͤbermaͤßigs Liegen</l><lb/> <l>Nicht Ruh, nicht Luſt, Erquickung noch Vergnuͤgen</l><lb/> <l>Erweckt und ſchafft, nein, uns vielmehr beſchwert:</l><lb/> <l>So mein bewundernd Hertz denn zum Beweißthum nimmt,</l><lb/> <l>Daß wir zum Muͤßiggang und Faulheit nicht beſtimmt;</l><lb/> <l>Hingegen, daß von einem weiſen Weſen,</l><lb/> <l>Wir, ordentlich zu wuͤrcken auserleſen.</l><lb/> <l>Denn, waͤre nicht ein Ziel der Ruh uns angeſchaffen;</l><lb/> <l>So wuͤrd’ ein groſſes Theil der Menſchen immer ſchlaffen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Was koͤnnte wol auf dieſer Erden,</l><lb/> <l>Wo mehrentheils die Luſt vermenget mit Beſchwerden,</l><lb/> <l>Wo nicht allein der Leib matt und geſchwaͤchet wird,</l><lb/> <l>Wo auch die Geiſter traͤg, unfaͤhig, ſtumpff, verirrt,</l><lb/> <l>Bey ſteten Wachen ſind; wol anserſonnen werden,</l><lb/> <l>Das, wie der ſanffte Schlaf, auf einmahl Leib und Geiſt</l><lb/> <l>Verwunderlich erquickt, der Laͤßigkeit entreiſſt,</l><lb/> <l>Und beyd’ aufs neu belebt. Was kann ein traurigs Hertz,</l><lb/> <l>Das Sorg und Gram beklemmt, wenn auch ſein bittrer</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schmertz</hi> </l><lb/> <l>Am unertraͤglichſten, und ſeine Noth am groͤſten,</l><lb/> <l>So, daß er faſt erliegt, erfriſchen, ſtaͤrcken, troͤſten</l><lb/> <l>Als wie ein feſter Schlaf? Verdruß, Furcht, Pein und Leid</l><lb/> <l>Vergehen, hoͤren auf. Jn der Vergeſſenheit</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Tief</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [674/0704]
Ach ſo gedencke doch ein jeder,
Der alle Nacht ſo ſuͤß, ſo ſanffte ruht,
Und ſinge Dem, der ihm die Gnade thut,
Jn Ehrſurcht Danck-und Freuden-Lieder.
Wie angenehm nun aber auch die Ruh;
So iſt jedoch ein neues Wunder-Werck,
So wohl verdient, daß ich es hier bemerck,
Daß, ob ſie noch ſo ſuͤß; ſie doch nicht immerzu,
Und nur gewiſſe Zeit bey Thier und Menſchen waͤhret,
Jndem uns allen ja ein uͤbermaͤßigs Liegen
Nicht Ruh, nicht Luſt, Erquickung noch Vergnuͤgen
Erweckt und ſchafft, nein, uns vielmehr beſchwert:
So mein bewundernd Hertz denn zum Beweißthum nimmt,
Daß wir zum Muͤßiggang und Faulheit nicht beſtimmt;
Hingegen, daß von einem weiſen Weſen,
Wir, ordentlich zu wuͤrcken auserleſen.
Denn, waͤre nicht ein Ziel der Ruh uns angeſchaffen;
So wuͤrd’ ein groſſes Theil der Menſchen immer ſchlaffen.
Was koͤnnte wol auf dieſer Erden,
Wo mehrentheils die Luſt vermenget mit Beſchwerden,
Wo nicht allein der Leib matt und geſchwaͤchet wird,
Wo auch die Geiſter traͤg, unfaͤhig, ſtumpff, verirrt,
Bey ſteten Wachen ſind; wol anserſonnen werden,
Das, wie der ſanffte Schlaf, auf einmahl Leib und Geiſt
Verwunderlich erquickt, der Laͤßigkeit entreiſſt,
Und beyd’ aufs neu belebt. Was kann ein traurigs Hertz,
Das Sorg und Gram beklemmt, wenn auch ſein bittrer
Schmertz
Am unertraͤglichſten, und ſeine Noth am groͤſten,
So, daß er faſt erliegt, erfriſchen, ſtaͤrcken, troͤſten
Als wie ein feſter Schlaf? Verdruß, Furcht, Pein und Leid
Vergehen, hoͤren auf. Jn der Vergeſſenheit
Tief
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |