Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.des Blanckenburgischen Marmors. Welch eine Last von Stein! welch eine Felsen-Welt Wird meinem starren Blick' hier vorgestellt! Fast alles, was allhier die Augen schauen, Gebieret Furcht, sucht ein geheimes Schrecken Auch dem, der sonst nicht bange, zu erwecken. Es hauchet Wiedrigkeit und Grauen, An diesem Ort, fast ieder Vorwurff aus. Es sehn zugleich die scheuch- und starren Blicke Hier ungeheure Felsen-Stücke, Bald fest und gantz, und bald zerbrochen und zerspalten: Bald Abgründ', Hölen, Moß und Graus. Ein gantz verwirrt Gemisch von allerley Gestalten, Materien und Farben, stellet hier Uns gleichsam recht ein Chaos für. Leim-Marmor-Kiesel-Berg', unordentlich vermengt, Unordentlich erhöht, unordentlich zerbrochen, Als wären sie, durch ungefehren Fall, So wunderlich in sich gedrengt, Erblickt man überall. Von erst geschmoltznem Schnee, kommt hier ein träger Bach, Vermischt mit Schlamm und faulem Moß, Aus kleinen Oeffnungen gekrochen: Vermehrt sich aber allgemach, Wird, eh man sichs versiehet, groß, Erzürnt sich, schäumt und braust, und, was erst kaum ge- flossen, Kommt, über schroffe Stein', erbost herab geschossen, Reisst
des Blanckenburgiſchen Marmors. Welch eine Laſt von Stein! welch eine Felſen-Welt Wird meinem ſtarren Blick’ hier vorgeſtellt! Faſt alles, was allhier die Augen ſchauen, Gebieret Furcht, ſucht ein geheimes Schrecken Auch dem, der ſonſt nicht bange, zu erwecken. Es hauchet Wiedrigkeit und Grauen, An dieſem Ort, faſt ieder Vorwurff aus. Es ſehn zugleich die ſcheuch- und ſtarren Blicke Hier ungeheure Felſen-Stuͤcke, Bald feſt und gantz, und bald zerbrochen und zerſpalten: Bald Abgruͤnd’, Hoͤlen, Moß und Graus. Ein gantz verwirrt Gemiſch von allerley Geſtalten, Materien und Farben, ſtellet hier Uns gleichſam recht ein Chaos fuͤr. Leim-Marmor-Kieſel-Berg’, unordentlich vermengt, Unordentlich erhoͤht, unordentlich zerbrochen, Als waͤren ſie, durch ungefehren Fall, So wunderlich in ſich gedrengt, Erblickt man uͤberall. Von erſt geſchmoltznem Schnee, kommt hier ein traͤger Bach, Vermiſcht mit Schlamm und faulem Moß, Aus kleinen Oeffnungen gekrochen: Vermehrt ſich aber allgemach, Wird, eh man ſichs verſiehet, groß, Erzuͤrnt ſich, ſchaͤumt und brauſt, und, was erſt kaum ge- floſſen, Kommt, uͤber ſchroffe Stein’, erboſt herab geſchoſſen, Reiſſt
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des Blanckenburgiſchen Marmors.
Welch eine Laſt von Stein! welch eine Felſen-Welt
Wird meinem ſtarren Blick’ hier vorgeſtellt!
Faſt alles, was allhier die Augen ſchauen,
Gebieret Furcht, ſucht ein geheimes Schrecken
Auch dem, der ſonſt nicht bange, zu erwecken.
Es hauchet Wiedrigkeit und Grauen,
An dieſem Ort, faſt ieder Vorwurff aus.
Es ſehn zugleich die ſcheuch- und ſtarren Blicke
Hier ungeheure Felſen-Stuͤcke,
Bald feſt und gantz, und bald zerbrochen und zerſpalten:
Bald Abgruͤnd’, Hoͤlen, Moß und Graus.
Ein gantz verwirrt Gemiſch von allerley Geſtalten,
Materien und Farben, ſtellet hier
Uns gleichſam recht ein Chaos fuͤr.
Leim-Marmor-Kieſel-Berg’, unordentlich vermengt,
Unordentlich erhoͤht, unordentlich zerbrochen,
Als waͤren ſie, durch ungefehren Fall,
So wunderlich in ſich gedrengt,
Erblickt man uͤberall.
Von erſt geſchmoltznem Schnee, kommt hier ein traͤger
Bach,
Vermiſcht mit Schlamm und faulem Moß,
Aus kleinen Oeffnungen gekrochen:
Vermehrt ſich aber allgemach,
Wird, eh man ſichs verſiehet, groß,
Erzuͤrnt ſich, ſchaͤumt und brauſt, und, was erſt kaum ge-
floſſen,
Kommt, uͤber ſchroffe Stein’, erboſt herab geſchoſſen,
Reiſſt
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