Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Betrachtung Reisst selbst den Boden | mit, stürtzt, mit beschäumtem Grimm,Bejahrte dicke Bäum' und schwere Felsen üm. An manchem Orte sind der Berge rauhe Höh'n Recht ungeheuer schön. Die Grösse kann uns Lust und Schrecken Zugleich erwecken. Entsetzlich ist der Klippen Höh' und Dicke: Entsetzlich groß sind abgerollte Stücke: Entsetzlich schwartz sind aufgespaltne Klüffte: Entsetzlich tieff, wie Rachen, hole Grüffte: Die mehrentheils verwirrte Dornen-Hecken, Die voller Furcht und Grauen stecken, Mit Klauen-gleichen Stacheln decken. Die Gegenden sind meistens wüst und wild, Mit steter Dämmerung und Schatten angefüllt. Die Einsamkeit allein Scheint hier Bewohnerin zu seyn. Jedoch, erstarrter Sinn, begreiffe dich! Die furchtbare Gestalt ist nicht so fürchterlich. Sieh nicht allein der Berge wildes Wesen, Sieh auch derselben Schmuck, zusammt dem Nutzen, an! Du kannst hier mehr, als man leicht sonsten kann, Des Schöpfers Huld und Macht, aus ihrer Anmuth, lesen. Es wird kein Mensch die Vortheil' alle nennen, Die ein Gebirg' uns bringt, noch sie beschreiben können. Es stecken kostbare Metallen, Es stecken klare Berg-Crystallen, Sammt
Betrachtung Reiſſt ſelbſt den Boden | mit, ſtuͤrtzt, mit beſchaͤumtem Grimm,Bejahrte dicke Baͤum’ und ſchwere Felſen uͤm. An manchem Orte ſind der Berge rauhe Hoͤh’n Recht ungeheuer ſchoͤn. Die Groͤſſe kann uns Luſt und Schrecken Zugleich erwecken. Entſetzlich iſt der Klippen Hoͤh’ und Dicke: Entſetzlich groß ſind abgerollte Stuͤcke: Entſetzlich ſchwartz ſind aufgeſpaltne Kluͤffte: Entſetzlich tieff, wie Rachen, hole Gruͤffte: Die mehrentheils verwirrte Dornen-Hecken, Die voller Furcht und Grauen ſtecken, Mit Klauen-gleichen Stacheln decken. Die Gegenden ſind meiſtens wuͤſt und wild, Mit ſteter Daͤmmerung und Schatten angefuͤllt. Die Einſamkeit allein Scheint hier Bewohnerin zu ſeyn. Jedoch, erſtarrter Sinn, begreiffe dich! Die furchtbare Geſtalt iſt nicht ſo fuͤrchterlich. Sieh nicht allein der Berge wildes Weſen, Sieh auch derſelben Schmuck, zuſammt dem Nutzen, an! Du kannſt hier mehr, als man leicht ſonſten kann, Des Schoͤpfers Huld und Macht, aus ihrer Anmuth, leſen. Es wird kein Menſch die Vortheil’ alle nennen, Die ein Gebirg’ uns bringt, noch ſie beſchreiben koͤnnen. Es ſtecken koſtbare Metallen, Es ſtecken klare Berg-Cryſtallen, Sammt
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Betrachtung
Reiſſt ſelbſt den Boden | mit, ſtuͤrtzt, mit beſchaͤumtem Grimm,
Bejahrte dicke Baͤum’ und ſchwere Felſen uͤm.
An manchem Orte ſind der Berge rauhe Hoͤh’n
Recht ungeheuer ſchoͤn.
Die Groͤſſe kann uns Luſt und Schrecken
Zugleich erwecken.
Entſetzlich iſt der Klippen Hoͤh’ und Dicke:
Entſetzlich groß ſind abgerollte Stuͤcke:
Entſetzlich ſchwartz ſind aufgeſpaltne Kluͤffte:
Entſetzlich tieff, wie Rachen, hole Gruͤffte:
Die mehrentheils verwirrte Dornen-Hecken,
Die voller Furcht und Grauen ſtecken,
Mit Klauen-gleichen Stacheln decken.
Die Gegenden ſind meiſtens wuͤſt und wild,
Mit ſteter Daͤmmerung und Schatten angefuͤllt.
Die Einſamkeit allein
Scheint hier Bewohnerin zu ſeyn.
Jedoch, erſtarrter Sinn, begreiffe dich!
Die furchtbare Geſtalt iſt nicht ſo fuͤrchterlich.
Sieh nicht allein der Berge wildes Weſen,
Sieh auch derſelben Schmuck, zuſammt dem Nutzen, an!
Du kannſt hier mehr, als man leicht ſonſten kann,
Des Schoͤpfers Huld und Macht, aus ihrer Anmuth, leſen.
Es wird kein Menſch die Vortheil’ alle nennen,
Die ein Gebirg’ uns bringt, noch ſie beſchreiben koͤnnen.
Es ſtecken koſtbare Metallen,
Es ſtecken klare Berg-Cryſtallen,
Sammt
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