Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
genommene Gedancken.
Fische.
Welch ungeheure Meng' an Fischen klein und groß,
Die alle Zahlen übersteiget,
Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß,
O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget!
Jch sehe diese Wasser-Thier'
Und ihre Form bewundernd an:
Sie kommen mir nicht anders für,
Als hätten sie nur Kopf und Schwantz allein.
Sie haben weder Arm noch Bein,
Ja selbst ihr Kopf ist fest, und kann sich nicht bewegen,
So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Gestalten
Betrachten, sehn, und überlegen;
Wir anders fast nicht dencken können,
Als hätte die Natur, sie zu erhalten,
Denselben gar kein Mittel wollen gönnen.
Doch was ich auch bey ihnen äusserlich
Für schlechtes Werck-Zeug immer finde;
Sind sie dennoch so listig, so geschwinde,
Und schneller sich zu nehren, sich zu retten,
Als wenn sie viele Händ' und viele Füsse hätten.
Ja der Gebrauch, den sie, beym Mangel andrer Sachen,
Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen,
Treibt sie in so geschwinder Eil',
Als wie der Wind, als wie ein Pfeil.
Da sich dieß Wasser-Volck einander frisst;
Wie? daß es, ohn sich aufzureiben,
An-
S 5
genommene Gedancken.
Fiſche.
Welch ungeheure Meng’ an Fiſchen klein und groß,
Die alle Zahlen uͤberſteiget,
Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß,
O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget!
Jch ſehe dieſe Waſſer-Thier’
Und ihre Form bewundernd an:
Sie kommen mir nicht anders fuͤr,
Als haͤtten ſie nur Kopf und Schwantz allein.
Sie haben weder Arm noch Bein,
Ja ſelbſt ihr Kopf iſt feſt, und kann ſich nicht bewegen,
So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Geſtalten
Betrachten, ſehn, und uͤberlegen;
Wir anders faſt nicht dencken koͤnnen,
Als haͤtte die Natur, ſie zu erhalten,
Denſelben gar kein Mittel wollen goͤnnen.
Doch was ich auch bey ihnen aͤuſſerlich
Fuͤr ſchlechtes Werck-Zeug immer finde;
Sind ſie dennoch ſo liſtig, ſo geſchwinde,
Und ſchneller ſich zu nehren, ſich zu retten,
Als wenn ſie viele Haͤnd’ und viele Fuͤſſe haͤtten.
Ja der Gebrauch, den ſie, beym Mangel andrer Sachen,
Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen,
Treibt ſie in ſo geſchwinder Eil’,
Als wie der Wind, als wie ein Pfeil.
Da ſich dieß Waſſer-Volck einander friſſt;
Wie? daß es, ohn ſich aufzureiben,
An-
S 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0313" n="281"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">genommene Gedancken.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Fi&#x017F;che.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>elch ungeheure Meng&#x2019; an Fi&#x017F;chen klein und groß,</l><lb/>
              <l>Die alle Zahlen u&#x0364;ber&#x017F;teiget,</l><lb/>
              <l>Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß,</l><lb/>
              <l>O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jch &#x017F;ehe die&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;er-Thier&#x2019;</l><lb/>
              <l>Und ihre Form bewundernd an:</l><lb/>
              <l>Sie kommen mir nicht anders fu&#x0364;r,</l><lb/>
              <l>Als ha&#x0364;tten &#x017F;ie nur Kopf und Schwantz allein.</l><lb/>
              <l>Sie haben weder Arm noch Bein,</l><lb/>
              <l>Ja &#x017F;elb&#x017F;t ihr Kopf i&#x017F;t fe&#x017F;t, und kann &#x017F;ich nicht bewegen,</l><lb/>
              <l>So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Ge&#x017F;talten</l><lb/>
              <l>Betrachten, &#x017F;ehn, und u&#x0364;berlegen;</l><lb/>
              <l>Wir anders fa&#x017F;t nicht dencken ko&#x0364;nnen,</l><lb/>
              <l>Als ha&#x0364;tte die Natur, &#x017F;ie zu erhalten,</l><lb/>
              <l>Den&#x017F;elben gar kein Mittel wollen go&#x0364;nnen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Doch was ich auch bey ihnen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r &#x017F;chlechtes Werck-Zeug immer finde;</l><lb/>
              <l>Sind &#x017F;ie dennoch &#x017F;o li&#x017F;tig, &#x017F;o ge&#x017F;chwinde,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chneller &#x017F;ich zu nehren, &#x017F;ich zu retten,</l><lb/>
              <l>Als wenn &#x017F;ie viele Ha&#x0364;nd&#x2019; und viele Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ha&#x0364;tten.</l><lb/>
              <l>Ja der Gebrauch, den &#x017F;ie, beym Mangel andrer Sachen,</l><lb/>
              <l>Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen,</l><lb/>
              <l>Treibt &#x017F;ie in &#x017F;o ge&#x017F;chwinder Eil&#x2019;,</l><lb/>
              <l>Als wie der Wind, als wie ein Pfeil.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Da &#x017F;ich dieß Wa&#x017F;&#x017F;er-Volck einander fri&#x017F;&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Wie? daß es, ohn &#x017F;ich aufzureiben,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">S 5</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">An-</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0313] genommene Gedancken. Fiſche. Welch ungeheure Meng’ an Fiſchen klein und groß, Die alle Zahlen uͤberſteiget, Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß, O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget! Jch ſehe dieſe Waſſer-Thier’ Und ihre Form bewundernd an: Sie kommen mir nicht anders fuͤr, Als haͤtten ſie nur Kopf und Schwantz allein. Sie haben weder Arm noch Bein, Ja ſelbſt ihr Kopf iſt feſt, und kann ſich nicht bewegen, So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Geſtalten Betrachten, ſehn, und uͤberlegen; Wir anders faſt nicht dencken koͤnnen, Als haͤtte die Natur, ſie zu erhalten, Denſelben gar kein Mittel wollen goͤnnen. Doch was ich auch bey ihnen aͤuſſerlich Fuͤr ſchlechtes Werck-Zeug immer finde; Sind ſie dennoch ſo liſtig, ſo geſchwinde, Und ſchneller ſich zu nehren, ſich zu retten, Als wenn ſie viele Haͤnd’ und viele Fuͤſſe haͤtten. Ja der Gebrauch, den ſie, beym Mangel andrer Sachen, Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen, Treibt ſie in ſo geſchwinder Eil’, Als wie der Wind, als wie ein Pfeil. Da ſich dieß Waſſer-Volck einander friſſt; Wie? daß es, ohn ſich aufzureiben, An- S 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/313
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/313>, abgerufen am 22.11.2024.