Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Bluhmen im Winter. Bluhmen im Winter. Es lag die Erde noch vom strengen Frost gedrückt, Vom Reiff und Schnee bedeckt, und auch zugleich geschmückt: An Fenster-Scheiben war der feuchte Dunst verdickt. Ein nett formiret Eis, halb fürchterlich, halb schön, War früh in meinem Zimmer Jn einem weißlich grauen Schimmer Am Fenster überall zu sehn, Woraus ein' allgemein' und greise Dämmerung, Die Lust und Schau'r zugleich in uns erweckt, entsprung. Doch brach, zu gleicher Zeit, ein lieblich rother Schein Aus den vom Morgen-Roth bestrahlten Fenster-Scheiben Des Rachbars, voller Glantz durch Eis und Glas herein. Mein Auge ward mit Lust gewahr. An denen zarten Eises Spitzen, Ein röthlich angenehmes blitzen. Offt zeigt uns das gefrohrne Glas, Von mannichfaltgen Creaturen, Gewächsen,, Pflantzen, Stauden, Gras, So manche zierliche Figuren. Allein mir fiel zugleich noch etwas ins Gesicht. Vor diesen Fenstern stand im grünenden Gepränge Von wahren Bluhmen eine Menge, Die theils aus Wasser blos, und theils auch aus der Erden, Durch Wärm', auch selbst im Frost, hervor getrieben werden. Bey mancher Hyacinth, auch Tulpen und Terzetten, War
Bluhmen im Winter. Bluhmen im Winter. Es lag die Erde noch vom ſtrengen Froſt gedruͤckt, Vom Reiff und Schnee bedeckt, und auch zugleich geſchmuͤckt: An Fenſter-Scheiben war der feuchte Dunſt verdickt. Ein nett formiret Eis, halb fuͤrchterlich, halb ſchoͤn, War fruͤh in meinem Zimmer Jn einem weißlich grauen Schimmer Am Fenſter uͤberall zu ſehn, Woraus ein’ allgemein’ und greiſe Daͤmmerung, Die Luſt und Schau’r zugleich in uns erweckt, entſprung. Doch brach, zu gleicher Zeit, ein lieblich rother Schein Aus den vom Morgen-Roth beſtrahlten Fenſter-Scheiben Des Rachbars, voller Glantz durch Eis und Glas herein. Mein Auge ward mit Luſt gewahr. An denen zarten Eiſes Spitzen, Ein roͤthlich angenehmes blitzen. Offt zeigt uns das gefrohrne Glas, Von mannichfaltgen Creaturen, Gewaͤchſen,, Pflantzen, Stauden, Gras, So manche zierliche Figuren. Allein mir fiel zugleich noch etwas ins Geſicht. Vor dieſen Fenſtern ſtand im gruͤnenden Gepraͤnge Von wahren Bluhmen eine Menge, Die theils aus Waſſer blos, und theils auch aus der Erden, Durch Waͤrm’, auch ſelbſt im Froſt, hervor getrieben werden. Bey mancher Hyacinth, auch Tulpen und Terzetten, War
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Bluhmen im Winter.
Bluhmen im Winter.
Es lag die Erde noch vom ſtrengen Froſt gedruͤckt,
Vom Reiff und Schnee bedeckt, und auch zugleich
geſchmuͤckt:
An Fenſter-Scheiben war der feuchte Dunſt verdickt.
Ein nett formiret Eis, halb fuͤrchterlich, halb ſchoͤn,
War fruͤh in meinem Zimmer
Jn einem weißlich grauen Schimmer
Am Fenſter uͤberall zu ſehn,
Woraus ein’ allgemein’ und greiſe Daͤmmerung,
Die Luſt und Schau’r zugleich in uns erweckt, entſprung.
Doch brach, zu gleicher Zeit, ein lieblich rother Schein
Aus den vom Morgen-Roth beſtrahlten Fenſter-Scheiben
Des Rachbars, voller Glantz durch Eis und Glas herein.
Mein Auge ward mit Luſt gewahr.
An denen zarten Eiſes Spitzen,
Ein roͤthlich angenehmes blitzen.
Offt zeigt uns das gefrohrne Glas,
Von mannichfaltgen Creaturen,
Gewaͤchſen,, Pflantzen, Stauden, Gras,
So manche zierliche Figuren.
Allein mir fiel zugleich noch etwas ins Geſicht.
Vor dieſen Fenſtern ſtand im gruͤnenden Gepraͤnge
Von wahren Bluhmen eine Menge,
Die theils aus Waſſer blos, und theils auch aus der Erden,
Durch Waͤrm’, auch ſelbſt im Froſt, hervor getrieben
werden.
Bey mancher Hyacinth, auch Tulpen und Terzetten,
War
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