Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Neu-Jahrs-Gedicht.

Die ungezehlte Zahl beseelter Creaturen
Nur erst auf unsrer Welt. O GOTT! was seh ich hier,
Von Deiner Weisheit, Lieb' und Wunder-Macht,
Aufs neu für wunderbare Spuren!
Wie unbegreiff-und fast unendlich ist der Thier'
Entsetzlich grosse Zahl! von der Materie
Sind alle Theile fast bevölckert: und ich seh'
Jn ihnen weder Zahl noch Ende,
Wann ein Vergrössrungs-Glas mir meine Augen stärckt.

Ein iedes Blat, ein iedes Tröpfchen Naß,
So in der Thiere Cörpern stecket,
Wenn man dieselbige mit Fleiß und Ernst bemerckt,
Zeigt uns viel lebende Geschöpfe. Man entdecket
Sie Schaaren-weis', und fast bey Millionen.
Ja äusserlich auf vieler Thiere Haut
Wird ihrer eine Zahl, die sonder Zahl, geschaut.
Noch mehr: so Stein' als Marmor selbst bewohnen
Verschiedne Thierchen, die so klein,
Daß sie nicht zu erkennen seyn.
Was schwimmen denn wol nicht für lebendige Heere
Jn Teichen, Strömen und im Meere!
Welch eine Menge lebt auf Bergen, in den Feldern,
Jn den Morasten, Thälern, Wäldern!
Ja, was noch mehr, worin sich aller Witz verlieret,
Da allem Ansehn nach (wie alle Ding auf Erden
Von Dingen, die belebt, erfüllt gefunden werden,)
Auch in den ungezehlt unzehlbaren Planeten
Dergleichen auch wird sonder Zahl verspührt.
Wann

Neu-Jahrs-Gedicht.

Die ungezehlte Zahl beſeelter Creaturen
Nur erſt auf unſrer Welt. O GOTT! was ſeh ich hier,
Von Deiner Weisheit, Lieb’ und Wunder-Macht,
Aufs neu fuͤr wunderbare Spuren!
Wie unbegreiff-und faſt unendlich iſt der Thier’
Entſetzlich groſſe Zahl! von der Materie
Sind alle Theile faſt bevoͤlckert: und ich ſeh’
Jn ihnen weder Zahl noch Ende,
Wann ein Vergroͤſſrungs-Glas mir meine Augen ſtaͤrckt.

Ein iedes Blat, ein iedes Troͤpfchen Naß,
So in der Thiere Coͤrpern ſtecket,
Wenn man dieſelbige mit Fleiß und Ernſt bemerckt,
Zeigt uns viel lebende Geſchoͤpfe. Man entdecket
Sie Schaaren-weiſ’, und faſt bey Millionen.
Ja aͤuſſerlich auf vieler Thiere Haut
Wird ihrer eine Zahl, die ſonder Zahl, geſchaut.
Noch mehr: ſo Stein’ als Marmor ſelbſt bewohnen
Verſchiedne Thierchen, die ſo klein,
Daß ſie nicht zu erkennen ſeyn.
Was ſchwimmen denn wol nicht fuͤr lebendige Heere
Jn Teichen, Stroͤmen und im Meere!
Welch eine Menge lebt auf Bergen, in den Feldern,
Jn den Moraſten, Thaͤlern, Waͤldern!
Ja, was noch mehr, worin ſich aller Witz verlieret,
Da allem Anſehn nach (wie alle Ding auf Erden
Von Dingen, die belebt, erfuͤllt gefunden werden,)
Auch in den ungezehlt unzehlbaren Planeten
Dergleichen auch wird ſonder Zahl verſpuͤhrt.
Wann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="46">
              <l>
                <pb facs="#f0508" n="476"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs-Gedicht.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Die ungezehlte Zahl be&#x017F;eelter Creaturen</l><lb/>
              <l>Nur er&#x017F;t auf un&#x017F;rer Welt. O GOTT! was &#x017F;eh ich hier,</l><lb/>
              <l>Von Deiner Weisheit, Lieb&#x2019; und Wunder-Macht,</l><lb/>
              <l>Aufs neu fu&#x0364;r wunderbare Spuren!</l><lb/>
              <l>Wie unbegreiff-und fa&#x017F;t unendlich i&#x017F;t der Thier&#x2019;</l><lb/>
              <l>Ent&#x017F;etzlich gro&#x017F;&#x017F;e Zahl! von der Materie</l><lb/>
              <l>Sind alle Theile fa&#x017F;t bevo&#x0364;lckert: und ich &#x017F;eh&#x2019;</l><lb/>
              <l>Jn ihnen weder Zahl noch Ende,</l><lb/>
              <l>Wann ein Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;rungs-Glas mir meine Augen &#x017F;ta&#x0364;rckt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="47">
              <l>Ein iedes Blat, ein iedes Tro&#x0364;pfchen Naß,</l><lb/>
              <l>So in der Thiere Co&#x0364;rpern &#x017F;tecket,</l><lb/>
              <l>Wenn man die&#x017F;elbige mit Fleiß und Ern&#x017F;t bemerckt,</l><lb/>
              <l>Zeigt uns viel lebende Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe. Man entdecket</l><lb/>
              <l>Sie Schaaren-wei&#x017F;&#x2019;, und fa&#x017F;t bey Millionen.</l><lb/>
              <l>Ja a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich auf vieler Thiere Haut</l><lb/>
              <l>Wird ihrer eine Zahl, die &#x017F;onder Zahl, ge&#x017F;chaut.</l><lb/>
              <l>Noch mehr: &#x017F;o Stein&#x2019; als Marmor &#x017F;elb&#x017F;t bewohnen</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;chiedne Thierchen, die &#x017F;o klein,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie nicht zu erkennen &#x017F;eyn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="48">
              <l>Was &#x017F;chwimmen denn wol nicht fu&#x0364;r lebendige Heere</l><lb/>
              <l>Jn Teichen, Stro&#x0364;men und im Meere!</l><lb/>
              <l>Welch eine Menge lebt auf Bergen, in den Feldern,</l><lb/>
              <l>Jn den Mora&#x017F;ten, Tha&#x0364;lern, Wa&#x0364;ldern!</l><lb/>
              <l>Ja, was noch mehr, worin &#x017F;ich aller Witz verlieret,</l><lb/>
              <l>Da allem An&#x017F;ehn nach (wie alle Ding auf Erden</l><lb/>
              <l>Von Dingen, die belebt, erfu&#x0364;llt gefunden werden,)</l><lb/>
              <l>Auch in den ungezehlt unzehlbaren Planeten</l><lb/>
              <l>Dergleichen auch wird &#x017F;onder Zahl ver&#x017F;pu&#x0364;hrt.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Wann</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[476/0508] Neu-Jahrs-Gedicht. Die ungezehlte Zahl beſeelter Creaturen Nur erſt auf unſrer Welt. O GOTT! was ſeh ich hier, Von Deiner Weisheit, Lieb’ und Wunder-Macht, Aufs neu fuͤr wunderbare Spuren! Wie unbegreiff-und faſt unendlich iſt der Thier’ Entſetzlich groſſe Zahl! von der Materie Sind alle Theile faſt bevoͤlckert: und ich ſeh’ Jn ihnen weder Zahl noch Ende, Wann ein Vergroͤſſrungs-Glas mir meine Augen ſtaͤrckt. Ein iedes Blat, ein iedes Troͤpfchen Naß, So in der Thiere Coͤrpern ſtecket, Wenn man dieſelbige mit Fleiß und Ernſt bemerckt, Zeigt uns viel lebende Geſchoͤpfe. Man entdecket Sie Schaaren-weiſ’, und faſt bey Millionen. Ja aͤuſſerlich auf vieler Thiere Haut Wird ihrer eine Zahl, die ſonder Zahl, geſchaut. Noch mehr: ſo Stein’ als Marmor ſelbſt bewohnen Verſchiedne Thierchen, die ſo klein, Daß ſie nicht zu erkennen ſeyn. Was ſchwimmen denn wol nicht fuͤr lebendige Heere Jn Teichen, Stroͤmen und im Meere! Welch eine Menge lebt auf Bergen, in den Feldern, Jn den Moraſten, Thaͤlern, Waͤldern! Ja, was noch mehr, worin ſich aller Witz verlieret, Da allem Anſehn nach (wie alle Ding auf Erden Von Dingen, die belebt, erfuͤllt gefunden werden,) Auch in den ungezehlt unzehlbaren Planeten Dergleichen auch wird ſonder Zahl verſpuͤhrt. Wann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/508
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/508>, abgerufen am 31.10.2024.