Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Neu-Jahrs-Gedicht.

Und ersuche, Demuths-voll, bey so vielen, noch die Gabe:
Daß ich diese Deine Gnade Lebenslang vor Augen habe.

Wann ich auch in diesem Jahr mit dem Richter-Ampt
im Lande

Auf das neu beleget werde, wollest Du zu solchem Stande
Deine Gnad aufs neu verleihen; Licht und Recht aufs neu
gewähren:

Weil auch dort viel tausend Seelen Hülff' und Recht von
mir begehren.

Laß mich, dort sowol, als hier, mein Gewissen nicht be-
schweren!

Laß mich nicht mich übereilen! laß mich beide Theile hören
Laß kein Feur der Leidenschaft mich im überlegen stören!
Gieb, daß ich mich meines Ampts, das mir bloß von Dir ge-
geben,

Zu der Unterthanen Besten, ja nicht überheben mag!
Laß mich Geitz und Hochmuth fliehen! und vernünftgen
Uberschlag

So mit Billigkeit, als Recht, stets zu machen, mich bestre-
ben.

Ja es flösse Deine Furcht mir die Wahrheit öffters ein:
Daß nicht Edle nur, und Bürger, auch die Bauren Men-
schen seyn!
Jhre harte Lebens-Art, die sie, uns zum besten, führen,
Und wovon nur wir die Früchte heben, und den Nutzen
spüren,

Laß mich mehr dahin vermögen, (wenn ich kann) in allen
Sachen,

Jhre Bürde minder schwer, und ihr Leben leicht zu machen,
Als durch gar zu grosse Strenge, sie noch härter zu beschwe-
ren,
Und

Neu-Jahrs-Gedicht.

Und erſuche, Demuths-voll, bey ſo vielen, noch die Gabe:
Daß ich dieſe Deine Gnade Lebenslang vor Augen habe.

Wann ich auch in dieſem Jahr mit dem Richter-Ampt
im Lande

Auf das neu beleget werde, wolleſt Du zu ſolchem Stande
Deine Gnad aufs neu verleihen; Licht und Recht aufs neu
gewaͤhren:

Weil auch dort viel tauſend Seelen Huͤlff’ und Recht von
mir begehren.

Laß mich, dort ſowol, als hier, mein Gewiſſen nicht be-
ſchweren!

Laß mich nicht mich uͤbereilen! laß mich beide Theile hoͤren
Laß kein Feur der Leidenſchaft mich im uͤberlegen ſtoͤren!
Gieb, daß ich mich meines Ampts, das mir bloß von Dir ge-
geben,

Zu der Unterthanen Beſten, ja nicht uͤberheben mag!
Laß mich Geitz und Hochmuth fliehen! und vernuͤnftgen
Uberſchlag

So mit Billigkeit, als Recht, ſtets zu machen, mich beſtre-
ben.

Ja es floͤſſe Deine Furcht mir die Wahrheit oͤffters ein:
Daß nicht Edle nur, und Buͤrger, auch die Bauren Men-
ſchen ſeyn!
Jhre harte Lebens-Art, die ſie, uns zum beſten, fuͤhren,
Und wovon nur wir die Fruͤchte heben, und den Nutzen
ſpuͤren,

Laß mich mehr dahin vermoͤgen, (wenn ich kann) in allen
Sachen,

Jhre Buͤrde minder ſchwer, und ihr Leben leicht zu machen,
Als durch gar zu groſſe Strenge, ſie noch haͤrter zu beſchwe-
ren,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="71">
              <l>
                <pb facs="#f0520" n="488"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs-Gedicht.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Und er&#x017F;uche, Demuths-voll, bey &#x017F;o vielen, noch die Gabe:</l><lb/>
              <l>Daß ich die&#x017F;e Deine Gnade Lebenslang vor Augen habe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="72">
              <l>Wann ich auch in die&#x017F;em Jahr mit dem Richter-Ampt<lb/><hi rendition="#et">im Lande</hi></l><lb/>
              <l>Auf das neu beleget werde, wolle&#x017F;t Du zu &#x017F;olchem Stande</l><lb/>
              <l>Deine Gnad aufs neu verleihen; Licht und Recht aufs neu<lb/><hi rendition="#et">gewa&#x0364;hren:</hi></l><lb/>
              <l>Weil auch dort viel tau&#x017F;end Seelen Hu&#x0364;lff&#x2019; und Recht von<lb/><hi rendition="#et">mir begehren.</hi></l><lb/>
              <l>Laß mich, dort &#x017F;owol, als hier, mein Gewi&#x017F;&#x017F;en nicht be-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chweren!</hi></l><lb/>
              <l>Laß mich nicht mich u&#x0364;bereilen! laß mich beide Theile ho&#x0364;ren</l><lb/>
              <l>Laß kein Feur der Leiden&#x017F;chaft mich im u&#x0364;berlegen &#x017F;to&#x0364;ren!</l><lb/>
              <l>Gieb, daß ich mich meines Ampts, das mir bloß von Dir ge-<lb/><hi rendition="#et">geben,</hi></l><lb/>
              <l>Zu der Unterthanen Be&#x017F;ten, ja nicht u&#x0364;berheben mag!</l><lb/>
              <l>Laß mich Geitz und Hochmuth fliehen! und vernu&#x0364;nftgen<lb/><hi rendition="#et">Uber&#x017F;chlag</hi></l><lb/>
              <l>So mit Billigkeit, als Recht, &#x017F;tets zu machen, mich be&#x017F;tre-<lb/><hi rendition="#et">ben.</hi></l><lb/>
              <l>Ja es flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Deine Furcht mir die Wahrheit o&#x0364;ffters ein:</l><lb/>
              <l>Daß nicht Edle nur, und Bu&#x0364;rger, auch die Bauren Men-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chen &#x017F;eyn!</hi></l>
            </lg><lb/>
            <lg n="73">
              <l>Jhre harte Lebens-Art, die &#x017F;ie, uns zum be&#x017F;ten, fu&#x0364;hren,</l><lb/>
              <l>Und wovon nur wir die Fru&#x0364;chte heben, und den Nutzen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pu&#x0364;ren,</hi></l><lb/>
              <l>Laß mich mehr dahin vermo&#x0364;gen, (wenn ich kann) in allen<lb/><hi rendition="#et">Sachen,</hi></l><lb/>
              <l>Jhre Bu&#x0364;rde minder &#x017F;chwer, und ihr Leben leicht zu machen,</l><lb/>
              <l>Als durch gar zu gro&#x017F;&#x017F;e Strenge, &#x017F;ie noch ha&#x0364;rter zu be&#x017F;chwe-<lb/><hi rendition="#et">ren,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[488/0520] Neu-Jahrs-Gedicht. Und erſuche, Demuths-voll, bey ſo vielen, noch die Gabe: Daß ich dieſe Deine Gnade Lebenslang vor Augen habe. Wann ich auch in dieſem Jahr mit dem Richter-Ampt im Lande Auf das neu beleget werde, wolleſt Du zu ſolchem Stande Deine Gnad aufs neu verleihen; Licht und Recht aufs neu gewaͤhren: Weil auch dort viel tauſend Seelen Huͤlff’ und Recht von mir begehren. Laß mich, dort ſowol, als hier, mein Gewiſſen nicht be- ſchweren! Laß mich nicht mich uͤbereilen! laß mich beide Theile hoͤren Laß kein Feur der Leidenſchaft mich im uͤberlegen ſtoͤren! Gieb, daß ich mich meines Ampts, das mir bloß von Dir ge- geben, Zu der Unterthanen Beſten, ja nicht uͤberheben mag! Laß mich Geitz und Hochmuth fliehen! und vernuͤnftgen Uberſchlag So mit Billigkeit, als Recht, ſtets zu machen, mich beſtre- ben. Ja es floͤſſe Deine Furcht mir die Wahrheit oͤffters ein: Daß nicht Edle nur, und Buͤrger, auch die Bauren Men- ſchen ſeyn! Jhre harte Lebens-Art, die ſie, uns zum beſten, fuͤhren, Und wovon nur wir die Fruͤchte heben, und den Nutzen ſpuͤren, Laß mich mehr dahin vermoͤgen, (wenn ich kann) in allen Sachen, Jhre Buͤrde minder ſchwer, und ihr Leben leicht zu machen, Als durch gar zu groſſe Strenge, ſie noch haͤrter zu beſchwe- ren, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/520
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/520>, abgerufen am 31.10.2024.