Wie wir, wenn wir gebohren werden, Den gantzen Zustand unsrer Erden Schon sattsam zugerichtet finden; So werden wir, wenn wir erblassen, Sie in demselben Zustand lassen: Die Welt wird nicht einmahl gewahr, daß wir verschwin- den. Wie hoch, wie nöhtig wir uns schätzen; So finden sich, an unsrer Stelle, (Recht wie im Wasser eine Welle Mit neuer Kraft sich hebt und steigt, So bald die erste sich zum Untergange neigt) Doch immer neue gnug, die unsern Platz ersetzen.
Wenn wir nun alles lassen müssen, Warum sind wir denn nicht geflissen, Den kurtzen Durchgang einzurichten, Jm frölichen Gebrauch der Sinnen, nach den Pflichten, Die der, so alles schuf, wenn man es nur bedenckt, Uns in die Seelen eingesenckt?
Ob wir nun, da wir also handeln, Hier, wie wir wandeln solten, wandeln, Da wir den Wunder-Bau der Welt so wenig schätzen, Darüber will ich dich jetzt selbst zum Richter setzen.
Wenn einst ein grosser Herr, zu seiner Ehre, Hätt' einen Pallast aufgeführt, Und daß derselbige mit aller Pracht geziert, Und wunderschön von ihm geschmücket wäre,
Und
Belehrendes Gleichniß.
Wie wir, wenn wir gebohren werden, Den gantzen Zuſtand unſrer Erden Schon ſattſam zugerichtet finden; So werden wir, wenn wir erblaſſen, Sie in demſelben Zuſtand laſſen: Die Welt wird nicht einmahl gewahr, daß wir verſchwin- den. Wie hoch, wie noͤhtig wir uns ſchaͤtzen; So finden ſich, an unſrer Stelle, (Recht wie im Waſſer eine Welle Mit neuer Kraft ſich hebt und ſteigt, So bald die erſte ſich zum Untergange neigt) Doch immer neue gnug, die unſern Platz erſetzen.
Wenn wir nun alles laſſen muͤſſen, Warum ſind wir denn nicht gefliſſen, Den kurtzen Durchgang einzurichten, Jm froͤlichen Gebrauch der Sinnen, nach den Pflichten, Die der, ſo alles ſchuf, wenn man es nur bedenckt, Uns in die Seelen eingeſenckt?
Ob wir nun, da wir alſo handeln, Hier, wie wir wandeln ſolten, wandeln, Da wir den Wunder-Bau der Welt ſo wenig ſchaͤtzen, Daruͤber will ich dich jetzt ſelbſt zum Richter ſetzen.
Wenn einſt ein groſſer Herr, zu ſeiner Ehre, Haͤtt’ einen Pallaſt aufgefuͤhrt, Und daß derſelbige mit aller Pracht geziert, Und wunderſchoͤn von ihm geſchmuͤcket waͤre,
Und
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Belehrendes Gleichniß.
Wie wir, wenn wir gebohren werden,
Den gantzen Zuſtand unſrer Erden
Schon ſattſam zugerichtet finden;
So werden wir, wenn wir erblaſſen,
Sie in demſelben Zuſtand laſſen:
Die Welt wird nicht einmahl gewahr, daß wir verſchwin-
den.
Wie hoch, wie noͤhtig wir uns ſchaͤtzen;
So finden ſich, an unſrer Stelle,
(Recht wie im Waſſer eine Welle
Mit neuer Kraft ſich hebt und ſteigt,
So bald die erſte ſich zum Untergange neigt)
Doch immer neue gnug, die unſern Platz erſetzen.
Wenn wir nun alles laſſen muͤſſen,
Warum ſind wir denn nicht gefliſſen,
Den kurtzen Durchgang einzurichten,
Jm froͤlichen Gebrauch der Sinnen, nach den Pflichten,
Die der, ſo alles ſchuf, wenn man es nur bedenckt,
Uns in die Seelen eingeſenckt?
Ob wir nun, da wir alſo handeln,
Hier, wie wir wandeln ſolten, wandeln,
Da wir den Wunder-Bau der Welt ſo wenig ſchaͤtzen,
Daruͤber will ich dich jetzt ſelbſt zum Richter ſetzen.
Wenn einſt ein groſſer Herr, zu ſeiner Ehre,
Haͤtt’ einen Pallaſt aufgefuͤhrt,
Und daß derſelbige mit aller Pracht geziert,
Und wunderſchoͤn von ihm geſchmuͤcket waͤre,
Und
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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