Das, mit dem Ausschluß der Natur, allein zu wirken fähig sey, Da wir, zu mehrer Ueberzeugung, von unserm Unfug, vie- lerley, Der Wirkungen von der Natur, in denen unvernünftgen Thieren, Die unsern ziemlich nahe kommen, von uns Jnstinct genannt, verspüren. Scheint es vernünftig, redlich, billig, zwo Wageschalen' zu erdenken; Jn eine die formirende Natur und ihre Kräfte zu verschrenken, Und in die andre unsre Künste, zu einem Gegensatz, zu legen, Und in so ungereimter Lage, doch mit einander uns zu wägen?
Vom eigentlichen Stand des Geistes fällt mir annoch ein Zweifel ein. Du sprichst: Man mag sich allen Stoff, auch noch so sehr subtil und klein, Zertheilt, verringert nnd verdünnt, vor Augen stellen, wür- de man Doch nimmermehr daraus ein Wesen, das sinnen und geden- ken kann, Mit Billigkeit erzwingen können; so sag ich, daß dem also sey, Und stimme diesem deinen Grunde, so wie du ihm gegeben, bey, Als welcher mich von dieser Wahrheit recht überzeuglich über- führet.
Allein, ob die Verkleinerung des Stoffs gleich keinen Geist formiret, Und nicht Gedanken zeugen kann: So fehlt annoch der Un- terricht, Ob durch die Mischungen der Theile, von unterschiednem Stof- fe, nicht
Beson-
Verſuch einer gewiſſen Lehre.
Das, mit dem Ausſchluß der Natur, allein zu wirken faͤhig ſey, Da wir, zu mehrer Ueberzeugung, von unſerm Unfug, vie- lerley, Der Wirkungen von der Natur, in denen unvernuͤnftgen Thieren, Die unſern ziemlich nahe kommen, von uns Jnſtinct genannt, verſpuͤren. Scheint es vernuͤnftig, redlich, billig, zwo Wageſchalen’ zu erdenken; Jn eine die formirende Natur und ihre Kraͤfte zu verſchrenken, Und in die andre unſre Kuͤnſte, zu einem Gegenſatz, zu legen, Und in ſo ungereimter Lage, doch mit einander uns zu waͤgen?
Vom eigentlichen Stand des Geiſtes faͤllt mir annoch ein Zweifel ein. Du ſprichſt: Man mag ſich allen Stoff, auch noch ſo ſehr ſubtil und klein, Zertheilt, verringert nnd verduͤnnt, vor Augen ſtellen, wuͤr- de man Doch nimmermehr daraus ein Weſen, das ſinnen und geden- ken kann, Mit Billigkeit erzwingen koͤnnen; ſo ſag ich, daß dem alſo ſey, Und ſtimme dieſem deinen Grunde, ſo wie du ihm gegeben, bey, Als welcher mich von dieſer Wahrheit recht uͤberzeuglich uͤber- fuͤhret.
Allein, ob die Verkleinerung des Stoffs gleich keinen Geiſt formiret, Und nicht Gedanken zeugen kann: So fehlt annoch der Un- terricht, Ob durch die Miſchungen der Theile, von unterſchiednem Stof- fe, nicht
Beſon-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="14"><l><pbfacs="#f0634"n="610"/><fwplace="top"type="header">Verſuch einer gewiſſen Lehre.</fw><lb/>
Das, mit dem Ausſchluß der Natur, allein zu wirken faͤhig ſey,</l><lb/><l>Da wir, zu mehrer Ueberzeugung, von unſerm Unfug, vie-<lb/><hirendition="#et">lerley,</hi></l><lb/><l>Der Wirkungen von der Natur, in denen unvernuͤnftgen<lb/><hirendition="#et">Thieren,</hi></l><lb/><l>Die unſern ziemlich nahe kommen, von uns Jnſtinct genannt,<lb/><hirendition="#et">verſpuͤren.</hi></l><lb/><l>Scheint es vernuͤnftig, redlich, billig, zwo Wageſchalen’ zu<lb/><hirendition="#et">erdenken;</hi></l><lb/><l>Jn eine die formirende Natur und ihre Kraͤfte zu verſchrenken,</l><lb/><l>Und in die andre unſre Kuͤnſte, zu einem Gegenſatz, zu legen,</l><lb/><l>Und in ſo ungereimter Lage, doch mit einander uns zu waͤgen?</l></lg><lb/><lgn="15"><l>Vom eigentlichen Stand des Geiſtes faͤllt mir annoch ein<lb/><hirendition="#et">Zweifel ein.</hi></l><lb/><l>Du ſprichſt: Man mag ſich allen Stoff, auch noch ſo ſehr<lb/><hirendition="#et">ſubtil und klein,</hi></l><lb/><l>Zertheilt, verringert nnd verduͤnnt, vor Augen ſtellen, wuͤr-<lb/><hirendition="#et">de man</hi></l><lb/><l>Doch nimmermehr daraus ein Weſen, das ſinnen und geden-<lb/><hirendition="#et">ken kann,</hi></l><lb/><l>Mit Billigkeit erzwingen koͤnnen; ſo ſag ich, daß dem alſo ſey,</l><lb/><l>Und ſtimme dieſem deinen Grunde, ſo wie du ihm gegeben, bey,</l><lb/><l>Als welcher mich von dieſer Wahrheit recht uͤberzeuglich uͤber-<lb/><hirendition="#et">fuͤhret.</hi></l></lg><lb/><lgn="16"><l>Allein, ob die Verkleinerung des Stoffs gleich keinen Geiſt<lb/><hirendition="#et">formiret,</hi></l><lb/><l>Und nicht Gedanken zeugen kann: So fehlt annoch der Un-<lb/><hirendition="#et">terricht,</hi></l><lb/><l>Ob durch die Miſchungen der Theile, von unterſchiednem Stof-<lb/><hirendition="#et">fe, nicht</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Beſon-</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[610/0634]
Verſuch einer gewiſſen Lehre.
Das, mit dem Ausſchluß der Natur, allein zu wirken faͤhig ſey,
Da wir, zu mehrer Ueberzeugung, von unſerm Unfug, vie-
lerley,
Der Wirkungen von der Natur, in denen unvernuͤnftgen
Thieren,
Die unſern ziemlich nahe kommen, von uns Jnſtinct genannt,
verſpuͤren.
Scheint es vernuͤnftig, redlich, billig, zwo Wageſchalen’ zu
erdenken;
Jn eine die formirende Natur und ihre Kraͤfte zu verſchrenken,
Und in die andre unſre Kuͤnſte, zu einem Gegenſatz, zu legen,
Und in ſo ungereimter Lage, doch mit einander uns zu waͤgen?
Vom eigentlichen Stand des Geiſtes faͤllt mir annoch ein
Zweifel ein.
Du ſprichſt: Man mag ſich allen Stoff, auch noch ſo ſehr
ſubtil und klein,
Zertheilt, verringert nnd verduͤnnt, vor Augen ſtellen, wuͤr-
de man
Doch nimmermehr daraus ein Weſen, das ſinnen und geden-
ken kann,
Mit Billigkeit erzwingen koͤnnen; ſo ſag ich, daß dem alſo ſey,
Und ſtimme dieſem deinen Grunde, ſo wie du ihm gegeben, bey,
Als welcher mich von dieſer Wahrheit recht uͤberzeuglich uͤber-
fuͤhret.
Allein, ob die Verkleinerung des Stoffs gleich keinen Geiſt
formiret,
Und nicht Gedanken zeugen kann: So fehlt annoch der Un-
terricht,
Ob durch die Miſchungen der Theile, von unterſchiednem Stof-
fe, nicht
Beſon-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/634>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.