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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Betrachtung
Zu allen Dingen fast geschickt, da auf dem kleinen sich hin-
gegen
Die Hand in mancherley Verrichtung, zumal im Schreiben,
pflegt zu legen,

Ohn daß sie (wie der Leib die Bein auch nicht beschwert)
ihn etwa drückt.

Der Mittlere, da er der längste, ist eben dadurch mehr ge-
schickt,

Mehr, als die andern, sich zu strecken, mehr anzuziehn, mehr
abzuwehren,

Da denn sein Nachbar ihm zu Hülf, um seine Stärke zu
vermehren,

Sich immer fertig finden läßt. Allein zu einem jeden
Werke,

Bezeugt der Daum, (o neues Wunder!) selbst durch die Kürze,
seine Stärke.

Noch mehr, wenn andre Finger alle von oben unterwerts
sich bengen:

So kann der Daum von unten aufwerts die allergrößte Stär-
ke zeugen.

Hiedurch begegnen sie einander, und können dadurch recht
als Zangen,

Erhaschen, drücken, überspannen, und fassen das, was wir
verlangen.

So künstlich ist, bey andern Fingern, und ihrer Kunst, der
Daum formirt,

Daß er sie gleichsam mit einander bewegt, beherrschet, lenkt,
regiert,

Wodurch die mancherley Geschäffte um so viel fertiger ge-
schehen,
Als

Betrachtung
Zu allen Dingen faſt geſchickt, da auf dem kleinen ſich hin-
gegen
Die Hand in mancherley Verrichtung, zumal im Schreiben,
pflegt zu legen,

Ohn daß ſie (wie der Leib die Bein auch nicht beſchwert)
ihn etwa druͤckt.

Der Mittlere, da er der laͤngſte, iſt eben dadurch mehr ge-
ſchickt,

Mehr, als die andern, ſich zu ſtrecken, mehr anzuziehn, mehr
abzuwehren,

Da denn ſein Nachbar ihm zu Huͤlf, um ſeine Staͤrke zu
vermehren,

Sich immer fertig finden laͤßt. Allein zu einem jeden
Werke,

Bezeugt der Daum, (o neues Wunder!) ſelbſt durch die Kuͤrze,
ſeine Staͤrke.

Noch mehr, wenn andre Finger alle von oben unterwerts
ſich bengen:

So kann der Daum von unten aufwerts die allergroͤßte Staͤr-
ke zeugen.

Hiedurch begegnen ſie einander, und koͤnnen dadurch recht
als Zangen,

Erhaſchen, druͤcken, uͤberſpannen, und faſſen das, was wir
verlangen.

So kuͤnſtlich iſt, bey andern Fingern, und ihrer Kunſt, der
Daum formirt,

Daß er ſie gleichſam mit einander bewegt, beherrſchet, lenkt,
regiert,

Wodurch die mancherley Geſchaͤffte um ſo viel fertiger ge-
ſchehen,
Als
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[626/0650] Betrachtung Zu allen Dingen faſt geſchickt, da auf dem kleinen ſich hin- gegen Die Hand in mancherley Verrichtung, zumal im Schreiben, pflegt zu legen, Ohn daß ſie (wie der Leib die Bein auch nicht beſchwert) ihn etwa druͤckt. Der Mittlere, da er der laͤngſte, iſt eben dadurch mehr ge- ſchickt, Mehr, als die andern, ſich zu ſtrecken, mehr anzuziehn, mehr abzuwehren, Da denn ſein Nachbar ihm zu Huͤlf, um ſeine Staͤrke zu vermehren, Sich immer fertig finden laͤßt. Allein zu einem jeden Werke, Bezeugt der Daum, (o neues Wunder!) ſelbſt durch die Kuͤrze, ſeine Staͤrke. Noch mehr, wenn andre Finger alle von oben unterwerts ſich bengen: So kann der Daum von unten aufwerts die allergroͤßte Staͤr- ke zeugen. Hiedurch begegnen ſie einander, und koͤnnen dadurch recht als Zangen, Erhaſchen, druͤcken, uͤberſpannen, und faſſen das, was wir verlangen. So kuͤnſtlich iſt, bey andern Fingern, und ihrer Kunſt, der Daum formirt, Daß er ſie gleichſam mit einander bewegt, beherrſchet, lenkt, regiert, Wodurch die mancherley Geſchaͤffte um ſo viel fertiger ge- ſchehen, Als

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/650>, abgerufen am 01.06.2024.