Das Blut erst stocket, eh' es fleußt, Dann aber sich mit Macht ergeußt; So stutzt' ich erst, bis nach und nach, Zumahl, als ich die Landschaft sahe, Die mir mit ihrem Schmuck so nahe, Aus meiner Brust die Klage brach:
Es war mein Hoffen und mein Wille, Fern von der Welt, in Einsamkeit, Und einer GOtt- ergebnen Stille, Hier einen Theil von meiner Zeit, Jn ruhiger Gelassenheit, Von Neid und Scheelsuchts-Gift befreyt, Jn Ruh, vergessen, zuzubringen, Und GOttes Wunder zu besingen. Nun soll ich alles dieses lassen! So seh' ich diese Gegend hier, Wovon die Schönheit, Pracht und Zier Nicht zu beschreiben, nicht zu fassen, Und alle Vorwürf' ohne Zahl, Vielleicht nunmehr zum letzten mahl! Die fast sapphirne Wasser-Welt, Das lieblich- grün- und gelbe Feld, Die Anmuht der beblühmten Auen, Soll ich hinführo nimmer schauen! Soll ich denn den so reichen Segen, Den hier mein fruchtbar Feld mir beut, Und welches eben abgemeyt, Denn nicht in meine Scheure legen? Soll ich die holden Friedens-Hütten, Die hier, von Korn erbauet, stehn, Von eines Feindes Faust zerrütten, Und feindliche Gezelte sehn,
Da,
Gedanken
Das Blut erſt ſtocket, eh’ es fleußt, Dann aber ſich mit Macht ergeußt; So ſtutzt’ ich erſt, bis nach und nach, Zumahl, als ich die Landſchaft ſahe, Die mir mit ihrem Schmuck ſo nahe, Aus meiner Bruſt die Klage brach:
Es war mein Hoffen und mein Wille, Fern von der Welt, in Einſamkeit, Und einer GOtt- ergebnen Stille, Hier einen Theil von meiner Zeit, Jn ruhiger Gelaſſenheit, Von Neid und Scheelſuchts-Gift befreyt, Jn Ruh, vergeſſen, zuzubringen, Und GOttes Wunder zu beſingen. Nun ſoll ich alles dieſes laſſen! So ſeh’ ich dieſe Gegend hier, Wovon die Schoͤnheit, Pracht und Zier Nicht zu beſchreiben, nicht zu faſſen, Und alle Vorwuͤrf’ ohne Zahl, Vielleicht nunmehr zum letzten mahl! Die faſt ſapphirne Waſſer-Welt, Das lieblich- gruͤn- und gelbe Feld, Die Anmuht der bebluͤhmten Auen, Soll ich hinfuͤhro nimmer ſchauen! Soll ich denn den ſo reichen Segen, Den hier mein fruchtbar Feld mir beut, Und welches eben abgemeyt, Denn nicht in meine Scheure legen? Soll ich die holden Friedens-Huͤtten, Die hier, von Korn erbauet, ſtehn, Von eines Feindes Fauſt zerruͤtten, Und feindliche Gezelte ſehn,
Da,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0252"n="234"/><fwplace="top"type="header">Gedanken</fw><lb/><lgn="3"><l>Das Blut erſt ſtocket, eh’ es fleußt,</l><lb/><l>Dann aber ſich mit Macht ergeußt;</l><lb/><l>So ſtutzt’ ich erſt, bis nach und nach,</l><lb/><l>Zumahl, als ich die Landſchaft ſahe,</l><lb/><l>Die mir mit ihrem Schmuck ſo nahe,</l><lb/><l>Aus meiner Bruſt die Klage brach:</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Es war mein Hoffen und mein Wille,</l><lb/><l>Fern von der Welt, in Einſamkeit,</l><lb/><l>Und einer GOtt- ergebnen Stille,</l><lb/><l>Hier einen Theil von meiner Zeit,</l><lb/><l>Jn ruhiger Gelaſſenheit,</l><lb/><l>Von Neid und Scheelſuchts-Gift befreyt,</l><lb/><l>Jn Ruh, vergeſſen, zuzubringen,</l><lb/><l>Und GOttes Wunder zu beſingen.</l><lb/><l>Nun ſoll ich alles dieſes laſſen!</l><lb/><l>So ſeh’ ich dieſe Gegend hier,</l><lb/><l>Wovon die Schoͤnheit, Pracht und Zier</l><lb/><l>Nicht zu beſchreiben, nicht zu faſſen,</l><lb/><l>Und alle Vorwuͤrf’ ohne Zahl,</l><lb/><l>Vielleicht nunmehr zum letzten mahl!</l><lb/><l>Die faſt ſapphirne Waſſer-Welt,</l><lb/><l>Das lieblich- gruͤn- und gelbe Feld,</l><lb/><l>Die Anmuht der bebluͤhmten Auen,</l><lb/><l>Soll ich hinfuͤhro nimmer ſchauen!</l><lb/><l>Soll ich denn den ſo reichen Segen,</l><lb/><l>Den hier mein fruchtbar Feld mir beut,</l><lb/><l>Und welches eben abgemeyt,</l><lb/><l>Denn nicht in meine Scheure legen?</l><lb/><l>Soll ich die holden Friedens-Huͤtten,</l><lb/><l>Die hier, von Korn erbauet, ſtehn,</l><lb/><l>Von eines Feindes Fauſt zerruͤtten,</l><lb/><l>Und feindliche Gezelte ſehn,</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Da,</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[234/0252]
Gedanken
Das Blut erſt ſtocket, eh’ es fleußt,
Dann aber ſich mit Macht ergeußt;
So ſtutzt’ ich erſt, bis nach und nach,
Zumahl, als ich die Landſchaft ſahe,
Die mir mit ihrem Schmuck ſo nahe,
Aus meiner Bruſt die Klage brach:
Es war mein Hoffen und mein Wille,
Fern von der Welt, in Einſamkeit,
Und einer GOtt- ergebnen Stille,
Hier einen Theil von meiner Zeit,
Jn ruhiger Gelaſſenheit,
Von Neid und Scheelſuchts-Gift befreyt,
Jn Ruh, vergeſſen, zuzubringen,
Und GOttes Wunder zu beſingen.
Nun ſoll ich alles dieſes laſſen!
So ſeh’ ich dieſe Gegend hier,
Wovon die Schoͤnheit, Pracht und Zier
Nicht zu beſchreiben, nicht zu faſſen,
Und alle Vorwuͤrf’ ohne Zahl,
Vielleicht nunmehr zum letzten mahl!
Die faſt ſapphirne Waſſer-Welt,
Das lieblich- gruͤn- und gelbe Feld,
Die Anmuht der bebluͤhmten Auen,
Soll ich hinfuͤhro nimmer ſchauen!
Soll ich denn den ſo reichen Segen,
Den hier mein fruchtbar Feld mir beut,
Und welches eben abgemeyt,
Denn nicht in meine Scheure legen?
Soll ich die holden Friedens-Huͤtten,
Die hier, von Korn erbauet, ſtehn,
Von eines Feindes Fauſt zerruͤtten,
Und feindliche Gezelte ſehn,
Da,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/252>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.