Da die gewünschte Nachbarschaft Der Sonnen uns nunmehr beglücket, Wird, durch derselben rege Kraft, Gemach, gemach so Dunst als Duft, Die bis daher uns und die Luft, Als eine kalte Last, gedrücket, Zertheilt, verdünnt, zerstreut, zerstücket. Was uns an Feuchtigkeit zu viel, zu nahe war, Wird ausgedehnet, ausgebreitet, Jm höhern Luft-Kreis ausgespreitet, Gemählich in die hohe Tiefe, in einen größ- und weitern Bogen, Durch rege Strahlen, ausgespannt, von uns entfernt hin- aufgezogen; Wodurch denn unsre Lüfte klar, Und, durch den unbewölkten Schein, Die Frühlings-Tage heiter seyn. Schnee, Hagel, Frost und Stürme fliehn, Und scheinen von dem Nord nach Süden sich zu ziehn. Jm holden Sonnen-Reich, voll Segen, Wärm' und Leben, Jn welchem wir, nebst unsrer Fläch', jetzt schweben, Wird ihnen kein Quartier gegeben. Es lispeln überall, statt ihrer, sanft, gelinde, Voll fetter Fruchtbarkeit, die lauen Frühlings-Winde; Wodurch wir, auch von kalten Höh'n, Den aufgelös'ten Schnee erst tröpflend abwerts rinnen, Und bald darauf ihn schnell von hinnen, Beschäumet, Meer-werts fliehen sehn. Das schlüpfrige morast'ge Schwarz der Erden Wird gelblich grau, fängt trocken an zu werden:
Ja
Fruͤhlings-Gedicht.
Da die gewuͤnſchte Nachbarſchaft Der Sonnen uns nunmehr begluͤcket, Wird, durch derſelben rege Kraft, Gemach, gemach ſo Dunſt als Duft, Die bis daher uns und die Luft, Als eine kalte Laſt, gedruͤcket, Zertheilt, verduͤnnt, zerſtreut, zerſtuͤcket. Was uns an Feuchtigkeit zu viel, zu nahe war, Wird ausgedehnet, ausgebreitet, Jm hoͤhern Luft-Kreis ausgeſpreitet, Gemaͤhlich in die hohe Tiefe, in einen groͤß- und weitern Bogen, Durch rege Strahlen, ausgeſpannt, von uns entfernt hin- aufgezogen; Wodurch denn unſre Luͤfte klar, Und, durch den unbewoͤlkten Schein, Die Fruͤhlings-Tage heiter ſeyn. Schnee, Hagel, Froſt und Stuͤrme fliehn, Und ſcheinen von dem Nord nach Suͤden ſich zu ziehn. Jm holden Sonnen-Reich, voll Segen, Waͤrm’ und Leben, Jn welchem wir, nebſt unſrer Flaͤch’, jetzt ſchweben, Wird ihnen kein Quartier gegeben. Es liſpeln uͤberall, ſtatt ihrer, ſanft, gelinde, Voll fetter Fruchtbarkeit, die lauen Fruͤhlings-Winde; Wodurch wir, auch von kalten Hoͤh’n, Den aufgeloͤſ’ten Schnee erſt troͤpflend abwerts rinnen, Und bald darauf ihn ſchnell von hinnen, Beſchaͤumet, Meer-werts fliehen ſehn. Das ſchluͤpfrige moraſt’ge Schwarz der Erden Wird gelblich grau, faͤngt trocken an zu werden:
Ja
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[28/0046]
Fruͤhlings-Gedicht.
Da die gewuͤnſchte Nachbarſchaft
Der Sonnen uns nunmehr begluͤcket,
Wird, durch derſelben rege Kraft,
Gemach, gemach ſo Dunſt als Duft,
Die bis daher uns und die Luft,
Als eine kalte Laſt, gedruͤcket,
Zertheilt, verduͤnnt, zerſtreut, zerſtuͤcket.
Was uns an Feuchtigkeit zu viel, zu nahe war,
Wird ausgedehnet, ausgebreitet,
Jm hoͤhern Luft-Kreis ausgeſpreitet,
Gemaͤhlich in die hohe Tiefe, in einen groͤß- und weitern
Bogen,
Durch rege Strahlen, ausgeſpannt, von uns entfernt hin-
aufgezogen;
Wodurch denn unſre Luͤfte klar,
Und, durch den unbewoͤlkten Schein,
Die Fruͤhlings-Tage heiter ſeyn.
Schnee, Hagel, Froſt und Stuͤrme fliehn,
Und ſcheinen von dem Nord nach Suͤden ſich zu ziehn.
Jm holden Sonnen-Reich, voll Segen, Waͤrm’ und Leben,
Jn welchem wir, nebſt unſrer Flaͤch’, jetzt ſchweben,
Wird ihnen kein Quartier gegeben.
Es liſpeln uͤberall, ſtatt ihrer, ſanft, gelinde,
Voll fetter Fruchtbarkeit, die lauen Fruͤhlings-Winde;
Wodurch wir, auch von kalten Hoͤh’n,
Den aufgeloͤſ’ten Schnee erſt troͤpflend abwerts rinnen,
Und bald darauf ihn ſchnell von hinnen,
Beſchaͤumet, Meer-werts fliehen ſehn.
Das ſchluͤpfrige moraſt’ge Schwarz der Erden
Wird gelblich grau, faͤngt trocken an zu werden:
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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