Aus diesen sanften Mischungen der Vorwürf' in der itz'gen Welt Entsteht in uns ein sanfter Schauer, der uns jedoch nicht mißgefällt. Es nimmt ein sanft gemildert Licht, der Farben sanft ge- brochne Schein, Mit einer Art von süsser Schwehrmuht, die menschlichen Gemühter ein, So daß wir, bey der stillen Luft, und bey fast nicht gespührten Winden, Zu tieferen Betrachtungen, als sonsten, uns geschickt befin- den.
Ein jeder, der, mit stillem Herzen, und mit beruhigtem Gemüht, Jn Wäldern itzt spatzieren geht, das schon verdünnte Laub besieht, Der Felder ebne Dunkelheit, das sanfte Licht der Luft betrachtet, Auf den mit buntem Laub bestreuten und ausgeschmückten Boden achtet, Der Schönheit Flüchtigkeit erwegt, und wie nun bald der Winde Schnauben, Den Rest der Blätter abzustreifen, der kalte Regen sie zu rauben Bald emsig sich bemühen wird, mit ernstem Denken über- legt, Wird zwar zu mancher trüben Grille, doch, wenn er klug, zugleich bewegt, Den noch vorhandnen schönen Schmuck der Erden mehr noch zu beseh'n, Weil er davon versichert wird, er werd' in kurzer Zeit ver- geh'n.
Der
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Der Herbſt.
Aus dieſen ſanften Miſchungen der Vorwuͤrf’ in der itz’gen Welt Entſteht in uns ein ſanfter Schauer, der uns jedoch nicht mißgefaͤllt. Es nimmt ein ſanft gemildert Licht, der Farben ſanft ge- brochne Schein, Mit einer Art von ſuͤſſer Schwehrmuht, die menſchlichen Gemuͤhter ein, So daß wir, bey der ſtillen Luft, und bey faſt nicht geſpuͤhrten Winden, Zu tieferen Betrachtungen, als ſonſten, uns geſchickt befin- den.
Ein jeder, der, mit ſtillem Herzen, und mit beruhigtem Gemuͤht, Jn Waͤldern itzt ſpatzieren geht, das ſchon verduͤnnte Laub beſieht, Der Felder ebne Dunkelheit, das ſanfte Licht der Luft betrachtet, Auf den mit buntem Laub beſtreuten und ausgeſchmuͤckten Boden achtet, Der Schoͤnheit Fluͤchtigkeit erwegt, und wie nun bald der Winde Schnauben, Den Reſt der Blaͤtter abzuſtreifen, der kalte Regen ſie zu rauben Bald emſig ſich bemuͤhen wird, mit ernſtem Denken uͤber- legt, Wird zwar zu mancher truͤben Grille, doch, wenn er klug, zugleich bewegt, Den noch vorhandnen ſchoͤnen Schmuck der Erden mehr noch zu beſeh’n, Weil er davon verſichert wird, er werd’ in kurzer Zeit ver- geh’n.
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Der Herbſt.
Aus dieſen ſanften Miſchungen der Vorwuͤrf’ in der
itz’gen Welt
Entſteht in uns ein ſanfter Schauer, der uns jedoch nicht
mißgefaͤllt.
Es nimmt ein ſanft gemildert Licht, der Farben ſanft ge-
brochne Schein,
Mit einer Art von ſuͤſſer Schwehrmuht, die menſchlichen
Gemuͤhter ein,
So daß wir, bey der ſtillen Luft, und bey faſt nicht geſpuͤhrten
Winden,
Zu tieferen Betrachtungen, als ſonſten, uns geſchickt befin-
den.
Ein jeder, der, mit ſtillem Herzen, und mit beruhigtem
Gemuͤht,
Jn Waͤldern itzt ſpatzieren geht, das ſchon verduͤnnte Laub
beſieht,
Der Felder ebne Dunkelheit, das ſanfte Licht der Luft
betrachtet,
Auf den mit buntem Laub beſtreuten und ausgeſchmuͤckten
Boden achtet,
Der Schoͤnheit Fluͤchtigkeit erwegt, und wie nun bald der
Winde Schnauben,
Den Reſt der Blaͤtter abzuſtreifen, der kalte Regen ſie zu
rauben
Bald emſig ſich bemuͤhen wird, mit ernſtem Denken uͤber-
legt,
Wird zwar zu mancher truͤben Grille, doch, wenn er klug,
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Den noch vorhandnen ſchoͤnen Schmuck der Erden mehr
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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