Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Frühlings-Gedicht.
Dann wollen wir uns hie und da in kleinen, erst belaubten,
Büschen,
Die wie ein holder Labyrinth das Feld erfüllen, uns erfrischen.
Auch laß uns, nebst der grünen Pracht der Klee- und Kräu-
ter-reichen Auen,
Der Gärten tausendfärbigen und tausendförm'gen Schmuck
beschauen.
Sieh dorten einen weissen Strich von Birn- und Kir-
schen-Bäumen blühn!
Hier einen Grenzen-losen Platz in holdem Purpur feurig
glühn!
Und dort, um unsern regen Blick um desto mehr noch zu
erfrischen,
Auf jenem schönen Apfel-Baum sich alle beyde Farben mi-
schen,
So, daß ein nimmer müdes Aug, in jedem Gegenwurf ver-
gnügt,
Sich wechsels-weis' in beyden Farben, von einer Lust zur an-
dern fügt.
Noch ziehen ungezählte Wunder, durch ihre Pracht und
Schönheit, dort,
Mein ernstes Denken mit sich fort;
Das aber ihren Schmuck verstellt: denn, wer kann jemahls
der Natur,
Jn ihren Mahlereyen, gleichen?
Kann unser Sinn die holde Schöpfung und schöne Farben
wohl erreichen?
Kann jemand wohl die zarte Spur
Der unbegreiflichen Erfindung und die verborgnen Künste
finden?
Kann wohl ein Mensch die Art der Handlung und ihre Wir-
kungen ergründen?
Weiß
Fruͤhlings-Gedicht.
Dann wollen wir uns hie und da in kleinen, erſt belaubten,
Buͤſchen,
Die wie ein holder Labyrinth das Feld erfuͤllen, uns erfriſchen.
Auch laß uns, nebſt der gruͤnen Pracht der Klee- und Kraͤu-
ter-reichen Auen,
Der Gaͤrten tauſendfaͤrbigen und tauſendfoͤrm’gen Schmuck
beſchauen.
Sieh dorten einen weiſſen Strich von Birn- und Kir-
ſchen-Baͤumen bluͤhn!
Hier einen Grenzen-loſen Platz in holdem Purpur feurig
gluͤhn!
Und dort, um unſern regen Blick um deſto mehr noch zu
erfriſchen,
Auf jenem ſchoͤnen Apfel-Baum ſich alle beyde Farben mi-
ſchen,
So, daß ein nimmer muͤdes Aug, in jedem Gegenwurf ver-
gnuͤgt,
Sich wechſels-weiſ’ in beyden Farben, von einer Luſt zur an-
dern fuͤgt.
Noch ziehen ungezaͤhlte Wunder, durch ihre Pracht und
Schoͤnheit, dort,
Mein ernſtes Denken mit ſich fort;
Das aber ihren Schmuck verſtellt: denn, wer kann jemahls
der Natur,
Jn ihren Mahlereyen, gleichen?
Kann unſer Sinn die holde Schoͤpfung und ſchoͤne Farben
wohl erreichen?
Kann jemand wohl die zarte Spur
Der unbegreiflichen Erfindung und die verborgnen Kuͤnſte
finden?
Kann wohl ein Menſch die Art der Handlung und ihre Wir-
kungen ergruͤnden?
Weiß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0054" n="36"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fru&#x0364;hlings-Gedicht.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Dann wollen wir uns hie und da in kleinen, er&#x017F;t belaubten,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Bu&#x0364;&#x017F;chen,</hi> </l><lb/>
                <l>Die wie ein holder Labyrinth das Feld erfu&#x0364;llen, uns erfri&#x017F;chen.</l><lb/>
                <l>Auch laß uns, neb&#x017F;t der gru&#x0364;nen Pracht der Klee- und Kra&#x0364;u-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ter-reichen Auen,</hi> </l><lb/>
                <l>Der Ga&#x0364;rten tau&#x017F;endfa&#x0364;rbigen und tau&#x017F;endfo&#x0364;rm&#x2019;gen Schmuck</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">be&#x017F;chauen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Sieh dorten einen wei&#x017F;&#x017F;en Strich von Birn- und Kir-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chen-Ba&#x0364;umen blu&#x0364;hn!</hi> </l><lb/>
                <l>Hier einen Grenzen-lo&#x017F;en Platz in holdem Purpur feurig</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">glu&#x0364;hn!</hi> </l><lb/>
                <l>Und dort, um un&#x017F;ern regen Blick um de&#x017F;to mehr noch zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">erfri&#x017F;chen,</hi> </l><lb/>
                <l>Auf jenem &#x017F;cho&#x0364;nen Apfel-Baum &#x017F;ich alle beyde Farben mi-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chen,</hi> </l><lb/>
                <l>So, daß ein nimmer mu&#x0364;des Aug, in jedem Gegenwurf ver-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gnu&#x0364;gt,</hi> </l><lb/>
                <l>Sich wech&#x017F;els-wei&#x017F;&#x2019; in beyden Farben, von einer Lu&#x017F;t zur an-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">dern fu&#x0364;gt.</hi> </l><lb/>
                <l>Noch ziehen ungeza&#x0364;hlte Wunder, durch ihre Pracht und</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Scho&#x0364;nheit, dort,</hi> </l><lb/>
                <l>Mein ern&#x017F;tes Denken mit &#x017F;ich fort;</l><lb/>
                <l>Das aber ihren Schmuck ver&#x017F;tellt: denn, wer kann jemahls</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">der Natur,</hi> </l><lb/>
                <l>Jn ihren Mahlereyen, gleichen?</l><lb/>
                <l>Kann un&#x017F;er Sinn die holde Scho&#x0364;pfung und &#x017F;cho&#x0364;ne Farben</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">wohl erreichen?</hi> </l><lb/>
                <l>Kann jemand wohl die zarte Spur</l><lb/>
                <l>Der unbegreiflichen Erfindung und die verborgnen Ku&#x0364;n&#x017F;te</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">finden?</hi> </l><lb/>
                <l>Kann wohl ein Men&#x017F;ch die Art der Handlung und ihre Wir-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">kungen ergru&#x0364;nden?</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Weiß</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0054] Fruͤhlings-Gedicht. Dann wollen wir uns hie und da in kleinen, erſt belaubten, Buͤſchen, Die wie ein holder Labyrinth das Feld erfuͤllen, uns erfriſchen. Auch laß uns, nebſt der gruͤnen Pracht der Klee- und Kraͤu- ter-reichen Auen, Der Gaͤrten tauſendfaͤrbigen und tauſendfoͤrm’gen Schmuck beſchauen. Sieh dorten einen weiſſen Strich von Birn- und Kir- ſchen-Baͤumen bluͤhn! Hier einen Grenzen-loſen Platz in holdem Purpur feurig gluͤhn! Und dort, um unſern regen Blick um deſto mehr noch zu erfriſchen, Auf jenem ſchoͤnen Apfel-Baum ſich alle beyde Farben mi- ſchen, So, daß ein nimmer muͤdes Aug, in jedem Gegenwurf ver- gnuͤgt, Sich wechſels-weiſ’ in beyden Farben, von einer Luſt zur an- dern fuͤgt. Noch ziehen ungezaͤhlte Wunder, durch ihre Pracht und Schoͤnheit, dort, Mein ernſtes Denken mit ſich fort; Das aber ihren Schmuck verſtellt: denn, wer kann jemahls der Natur, Jn ihren Mahlereyen, gleichen? Kann unſer Sinn die holde Schoͤpfung und ſchoͤne Farben wohl erreichen? Kann jemand wohl die zarte Spur Der unbegreiflichen Erfindung und die verborgnen Kuͤnſte finden? Kann wohl ein Menſch die Art der Handlung und ihre Wir- kungen ergruͤnden? Weiß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/54
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/54>, abgerufen am 23.05.2024.